Kaufangebot an die Vorzugsaktionäre unterbreitet

Siemens will die angeschlagene SNI in den Konzern eingliedern

25.10.1991

MÜNCHEN (ciw) - Um die "langfristige Unternehmensentwicklung" zu garantieren und eine "wettbewerbsgemäße Kapitalausstattung der Siemens-Nixdorf Informationssysteme AG" sicherzustellen, will die Siemens AG nicht nur ihre Beteiligung auf 100 Prozent aufstocken, sondern SNI auch nach ° 320 Aktiengesetz in den Münchner Elektrokonzern eingliedern.

Damit die finanziell schwer angeschlagene Tochter - Experten rechnen mit einem Jahresverlust von 600 Millionen bis einer Milliarde Mark - in den Siemens-Konzern integriert werden kann, müssen die Münchner mindestens über 95 Prozent des SNI-Grundkapitals verfügen; zur Zeit befinden sich 78 Prozent in Siemens-Besitz. Die Beteiligungserhöhung erfordert den Erwerb von mindestens 3,726 Millionen der insgesamt 5,6 Millionen Vorzugs- und von 2,8 Millionen Stammaktien.

Deshalb will Siemens den freien SNI-Aktionären ein formelles Kaufangebot in Höhe von 225 Mark pro Titel unterbreiten, das vom 26. Oktober bis zum 6. Dezember gilt. Die Übernahme der Stammaktien (sieben Prozent), die noch von der Familie Nixdorf beziehungsweise den familiennahen Stiftungen gehalten werden, hat sich Siemens durch frühere Vereinbarungen gesichert. Über den Preis für die Stämme gab der Elektrokonzern keine Auskunft.

Sicher scheint jedoch, daß Siemens für beide Aktienpakete mindestens 1,5 Milliarden Mark auf den Tisch legen muß. Sollte die erforderliche Zahl an Aktien bis zum 6. Dezember nicht erworben werden können, kann Siemens von dem Kaufangebot zurücktreten.

In einem zweiten Schritt ist vorgesehen, SNI gemäß °320 Aktiengesetz in die Siemens AG einzugliedern. Hierfür müssen die Hauptversammlungen der SNI und der Siemens AG ihre Zustimmung erteilen. Im Rahmen der Eingliederung soll dann denjenigen SNI-Aktionären, die von dem jetzigen Kaufangebot keinen Gebrauch machen, eine Abfindung angeboten werden. Das Tochterunternehmen soll auch nach der Integration eine rechtlich eigenständige Aktiengesellschaft mit eigenem Profil bleiben. Allerdings steht Siemens dann nicht nur hundertprozentig für die SNI-Verluste und -Verbindlichkeiten gerade, sondern kann dem Vorstand der eingegliederten Gesellschaft auch rechtsverbindliche und für SNI sogar nachteilige Weisungen erteilen.

Die Gründe für die Eingliederung von SNI in die Siemens AG, so Finanzvorstand Karl-Hermann Baumann, seien "vielfältig". Er betonte jedoch, daß mit diesem Kauf deutlich gemacht werde, daß SNI ein "Kernarbeitsbereich" des Konzerns bleibe: "Siemens hat die volle finanzielle Verantwortung für SNI übernommen." Die engere Integration erleichtere die Zusammenarbeit vor allem bei der Finanzierung und Kapitalbeschaffung erheblich, erklärte Baumann. In der momentanen Situation sei es beispielsweise für SNI nicht möglich, sich die Mittel für eine in nächster Zeit notwendige Kapitalerhöhung am Markt zu beschaffen.

Nicht geplant sei die volle Wiedereingliederung von SNI als Unternehmensbereich von Siemens. "Unser erstes Ziel ist der hundertprozentige Besitz", sagte Baumann, der die Integration als "konsequenten Schritt am Ende eines langen Prozesses" betrachtet. Gefragt, ob die Eingliederung angesichts der hohen SNI-Verluste vollzogen werde, antwortete er: "Bei nicht so hohen Verlusten hätten wir das vermutlich auch gemacht." Baumann machte allerdings keine konkreten Angaben zur Höhe des SNI-Defizits: "Die Verluste bleiben auf jeden Fall im dreistelligen Millionenbereich", erklärte er. (Die geplante Eingliederung konnte aus Termingründen im Börsenspot auf Seite 114 nicht mehr berücksichtigt werden).