Sieger und Verlierer am IT-Arbeitsmarkt

14.03.2005 von Alexandra Mesmer
Vom Aufschwung der Branche profitieren nicht alle. Die Unternehmen bevorzugen lernbereite, offene und mobile Mitarbeiter.

Uneingeschränkt positive Nachrichten über den IT-Arbeitsmarkt wollte selbst Jörg Menno Harms zum CeBIT-Auftakt im Karrierezentrum der COMPUTERWOCHE nicht verkünden. "Die Talsohle haben wir durchschritten, aber der Umbau der Branche geht weiter. Auf der einen Seite suchen die Unternehmen händeringend nach Spezialisten, auf der anderen Seite werden aber nach wie vor Jobs abgebaut", beschreibt der Bitkom-Vizepräsident die zwiespältige Lage.

Hier lesen Sie ...

• welche großen IT-Firmen in diesem Jahr neue Mitarbeiter suchen

• warum vom Aufschwung der Branche nicht alle IT-Experten profitieren

• wie sich Unternehmen den idealen Mitarbeiter vorstellen.

Nach Umfragen unter Mitgliedsunternehmen rechnet der Branchenverband damit, dass in diesem Jahr rund 10 000 neue IT-Jobs dazukommen und dann 750 000 Menschen beschäftigt sein werden.

SAP sucht Generalisten

Die Hoffnungen ruhen nicht nur auf mittelständischen Firmen, sondern auch auf den großen Namen der Branche. So will SAP weltweit 3000 neue Mitarbeiter, davon 600 in Deutschland, einstellen. Im Blickfeld des Walldorfer Softwareherstellers sind vor allem berufserfahrene Fachkräfte, wie Michael Schmitt, Mitglied der Geschäftsleitung von SAP Deutschland, betont: "Im Beratungsbereich reicht das Wissen um einzelne Teilmodule unserer Software nicht aus. Wir brauchen Generalisten, die die Geschäftsprozesse verstehen und auch wissen, wie diese in IT umzusetzen sind."

Standardjobs wandern ins Ausland ab

Auch Microsoft Deutschland geht laut Personalchef Rom de Vries in diesem Geschäftsjahr erneut auf Mitarbeitersuche. So sind zwischen 50 und 60 Stellen in den Bereichen Sales, Marketing und Service zu besetzen. Software und Service gehören derzeit zu den wichtigsten Wachstumssegmenten der Branche, während in anderen Bereichen wie der PC-Fertigung die

Bitkom-Vertreter Harms: "Überall dort, wo der Kopf gefordert ist, geht es aufwärts."

Jobs zunehmend verloren gehen. Dementsprechend sind auch die Rollen der Sieger und der Verlierer auf dem IT-Arbeitsmarkt klar verteilt. "Überall dort, wo der Kopf gefordert ist, geht es aufwärts. Reine Standardtätigkeiten werden zunehmend verlagert", bringt es Harms auf den Punkt. Die IT-Branche folge dabei dem Beispiel der verarbeitenden Industrie, die in Deutschland schon vor 15 Jahren begann, die Fertigung auszulagern.

Dieter Scheitor von der IG Metall machte noch weitere Verlierer der IT-Jobwelt aus: die vor Jahren so begehrten Quereinsteiger. "Wenn diese ihr Wissen nicht erweitert und vertieft haben, werden sie es schwer haben, wieder einen Job zu finden." Das ständige Dazulernen, on-the-job und am besten aus eigenem Antrieb, gehört in den Augen von Personalexperten zu den wichtigsten Faktoren, die die eigenen Chancen am Arbeitsmarkt beeinflussen. Wer glaubt, um die Fortbildung habe sich der Arbeitgeber zu kümmern, habe oft verloren.So findet beispielsweise das berufsbegleitende Weiterbildungssystem, das Regierung, Verbände und Gewerkschaften für die IT mit großen Hoffnungen vor einigen Jahren entwickelten, laut IG Metall-Mann Scheitor zu wenig Anklang - erst 700 IT-Professionals haben sich mit Unterstützung des Arbeitgebers im Rahmen eines konkreten Projekts am Arbeitsplatz weiterqualifiziert und zertifiziert.

Geistige und räumliche Mobilität

Offen sollten die idealen Mitarbeiter nicht nur für neues Wissen, sondern auch für Veränderungen aller Art sein. In vielen IT-Firmen wechselt die Unternehmensstruktur oder die Führungsriege oft genauso schnell wie das Release der Software. Dazu SAP-Manager Schmitt: "Spaß an der Veränderung ist genauso eine wichtige Voraussetzung wie die geistige und räumliche Mobilität." Während vor allem Entwickler sich immer wieder an ganz neue Themen wagen sollten, sollten Mitarbeiter in Vertrieb und Beratung bereit sein, auch mit der Familie für einige Jahre ins Ausland zu gehen, so Schmitt.

Zu den Qualifikationen der Sieger gehören ausgeprägte Soft Skills, darin sind sich alle Personalexperten einig. "Da die IT-Profis den Kunden Lösungen anbieten sollen, müssen sie die Kunden verstehen und deren Anforderungen in IT umsetzen. Darum sind kommunikative Fähigkeiten heute wichtiger als früher", sagt Microsoft-Personalchef de Vries. Soziale Kompetenz wird schon lange gefordert, heute entscheidet sie über den Erfolg von Projekten: Ein Team, dessen Mitglieder sich mit Streitigkeiten und Animositäten gegenseitig blockieren, kann in der Regel eng gesteckte Zeitpläne nicht einhalten. Unternehmen wie Hewlett Packard oder SAP versuchen darum, über das Instrument der Jobrotation den Einsteigern die Zusammenarbeit näher zu bringen. "Anfänger sollten in Teams wechselnde Rolle einnehmen. Dadurch lässt sich die Teamarbeit wie auch das Talent des Einzelnen fördern", sagt SAP-Manager Schmitt. Am Unternehmen liege es, die besonderen Fähigkeiten des Mitarbeiters auch zu entdecken.

Die "alten" 30-Jährigen

Was die Erkenntnis der eigenen Fähigkeiten betrifft, haben hingegen viele Mitarbeiter der Branche ein grundsätzliches Problem, konstatiert Bitkom-Vize Harms: "Fremd- und Selbstbild stimmen nicht überein. Dieses geriatrische Syndrom tritt manchmal schon bei 30-Jährigen auf." Microsoft-Personal-Manager de Vries kennt dieses Phänomen auch und schlug vor, dass Firmen nicht nur bei Führungskräften, sondern auch bei Mitarbeitern ein regelmäßiges 360-Grad-Feedback einführen könnten.

Die ständige Leistungs- und Veränderungsbereitschaft, die die Personalexperten von den Mitarbeitern einfordern, basiert aber oft auf einem überdurchschnittlich hohen Zeiteinsatz, der zu Lasten des Privatlebens geht. So gab Microsoft-Manager de Vries zu, dass man hier noch Nachholbedarf habe: "Da wir keine Zeiterfassung haben, trägt der Mitarbeiter eine Mitverantwortung für seine Work-Life-Balance." SAP vertraut in dem Zusammenhang ganz auf seine Führungskräfte, die hier eine Vorbildfunktion übernehmen sollen.

Für Comet Computer aus München gehört die Vereinbarkeit von Job und Privatleben dagegen explizit zum Erfolgskonzept und wird daher strukturell gefördert. "Bei uns steht der Mensch wirklich im Mittelpunkt", sagt Comet-Chefin Sissi Closs. "Arbeitszeiten, -orte und -umfänge sind flexibel. So schließen sich auch ein Teilzeitvertrag mit acht oder zwölf Stunden die Woche und eine leitende Position nicht aus." Dieses Eingehen auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter bescherte dem mittelständischen Unternehmen schon zahlreiche Auszeichnungen und immer wieder interessante Bewerbungen.

Abschied von der Hire-und-Fire-Politik

Auf Letztere sind die Unternehmen der Branche auch Jahre nach dem Boom angewiesen. Viele, die wie Accenture im großen Stil einstellen wollen, müssen an ihrem Image arbeiten. So will der IT-Dienstleister von der Hire-und-Fire-Politik der Vergangenheit Abstand nehmen und vor allem den gesuchten IT-Spezialisten eine mittelfristige Perspektive anbieten. Laut Accenture-Mann Roland Wollburg wird es künftig möglich sein, auch länger als fünf Jahre zu bleiben, ohne die nächste Stufe in der Karriereleiter erklommen zu haben. Die Fachkarriere solle künftig "landing positions" enthalten, auf denen IT-Profis verweilen können.