Selbst-bewusstes Telefonieren

„Sie können einen Hund zur Freundlichkeit nicht prügeln“

30.05.2011 von Johannes Klostermeier
Anzeige  Wie kommuniziert man richtig mit Kunden? Was muss ein serviceorientiertes Unternehmen beachten? Die Wiener Trainerin Monika Herbstrith führt dazu Seminare für die Mitarbeiter in Firmen durch und tritt regelmäßig beim Service Desk Forum in Mainz auf, wo sie auch Mitglied des Fachbeirates ist.

Computerwoche.de: Was können Mitarbeiter falsch machen, wenn sie mit Kunden am Telefon sprechen?

Die Österreicherin Monika Herbstrith ist Trainerin und berät Firmen in Sachen gelungener Kommunikation.
Foto: Herbstrith

Monika Herbstrith: Ich sehe zwei mögliche große Fallen: Kommunikation kann meiner Ansicht nach nur gelingen, wenn eine Haltung dahinter steht. Diese Haltung muss sein: Der Anrufer ist willkommen. Es gibt nämlich nichts Unangenehmeres für einen Anrufer, als wenn er merkt, dass am anderen Ende der Leitung nur eine Floskel heruntergebetet wird, die mit dem Anrufer gar nichts zu tun hat. Am Telefon unstimmig oder unglaubwürdig zu sein ist ein Verhalten, mit dem man die Kunden von Anfang an ebenfalls sehr verschreckt, aus meiner Sicht die andere große Falle.

Computerwoche.de. Aber, wenn der Angerufene schlechter Stimmung ist, sollte man dann nicht auch ehrlich sein?

Herbstrith: Was es in den Unternehmen braucht, ist die von Führungskräften vorgelebte Haltung, dass jeder Anrufer willkommen ist. Denn: Jeder einzelne dieser Anrufer ist mein Daseinszweck. Einer der Hauptgründe, warum Kunden unzufrieden sind, ist, dass sie sich nicht wahrgenommen, nicht ernst genommen, fühlen.

Computerwoche.de: Können Sie ein paar Beispiele geben, welche Sätze man sagen sollte - und welche nicht?

Herbstrith: Der mit Abstand gröte Teil der Kommunikation ist ja nonverbal, auch am Telefon. Das wird von den meisten Menschen stark unterschätzt. Auch am Telefon kann man hören, ob jemand lächelt. Unser Hirn verarbeitet Sprache so, dass es zuerst die Sprachmelodie wahrnimmt, ein paar Sekunden später die Grammatik und erst dann die einzelnen Worte.

Wenn ich als Mitarbeiter nicht die Haltung empfinde: Wir sind ein Dienstleistungsunternehmen, wir sind ein Serviceunternehmen, Anrufer sind willkommen, die Probleme der Anrufer sind unser Daseinszweck, ich kümmere mich gerne um die Anliegen und Probleme der Kunden, dann ist es ganz egal, welchen Satz er sagt.

Egal welcher Satz zur Begrüßung gesagt wird, wenn die Haltung nicht stimmt, ist alles egal.
Foto: Fotolia, Kzenon

Denn auch, wenn der Satz in Ordnung ist, der Anrufer aber instinktiv spürt, dass es nicht empfunden ist, dann klingt es zynisch. Also, wenn jemand nur herunterbetet: Mein Name, Unternehmen, Was kann ich für sie tun? und der Anrufer spürt überhaupt nicht, dass er willkommen ist, sondern das es offensichtlich auswendig gelernt ist. Der Ton macht hier so sehr die Musik. Und ich treffe diesen Ton nur, wenn dahinter diese Haltung vom Servicegedanken steckt. Kommunikation ist insofern erst der zweite Schritt. Er ist dann Ausdruck dieser Serviceorientierung in der Unternehmenskultur.

Computerwoche.de: Viele Unternehmen haben sich auf die Fahnen geschrieben, den Kunden willkommen heien, setzen dies aber nicht um. Wie kommt das, und was kann man dagegen tun?

Es gibt keine nachhaltige Kunden-ohne Mitarbeiterorientierung

Herbstrith: Es gibt keine nachhaltige Kundenorientierung ohne Mitarbeiterorientierung. Von dieser Formel bin ich vollkommen überzeugt. In meinem Verständnis ist Führungsarbeit Dienstleistung für die Mitarbeiter. In der Führungsarbeit und in der Kommunikation zwischen Führungskräften und den Mitarbeitern muss diese Serviceorientierung, das Selbstbewusstsein für sich selber und die Wertschätzung für den anderen ebenfalls vorhanden sein, damit eine Begegnung auf einer Augenhöhe stattfinden kann. Die Kommunikation zwischen den Führungskrften und den Mitarbeitern ist wie ein siamesischer Zwilling zur Kommunikation der Mitarbeiter mit den Kunden.

Computerwoche.de: Da läuft dann in einigen Unternehmen vieles schief, oder?

Herbstrith: Genau. Auf dem letzten Service Desk Forum habe ich dazu gesagt: Sie können einen Hund zur Freundlichkeit nicht prügeln. Mit Druck können Sie Freundlichkeit nicht erzwingen.

Computerwoche.de: Wird denn jeder Mensch freundlich mit Kunden umgehen, wenn denn nur das Unternehmensklima stimmt?

Herbstrith: Mitarbeiter, die mit Kunden in einem Callcenter oder in einem Service Desk sprechen, sollten sicherlich Freude am Umgang mit Menschen haben. Wenn das nicht der Fall ist, dann sind sie eine Fehlbesetzung. Denn das ist die Voraussetzung, um dort erfolgreich zu sein.

Freude am Umgang mit Anrufern und Kunden sollte man im Callcenter unbedingt mitbringen.
Foto: Fotolia.de/sumos

Unser Hirn ist zwar sehr lernfähig, und insofern kann jeder sehr viel lernen. Das beginnt damit, dass man das Selbstbewusstsein und das Selbstwertgefühl der Mitarbeiter stärkt, in dem Sinne: Das was wir tun, ist wertvoll für den nachhaltigen Unternehmenserfolg. Wenn Mitarbeiter ihren Job mit Freude machen und die Rahmenbedingungen, die das fördern und ermöglichen, da sind, dann kann man Kundenorientierung leben. Das ist in meinen Augen eine Führungsaufgabe.

Computerwoche.de: Haben Sie ein Beispiel aus ihrer eigenen Erfahrung?

Nur die Haltung, die ich empfinde, kann ich auch vermitteln

Herbstrith: Ich hatte zwei Tage lang den Auftrag einem Team von IT-Support-Mitarbeitern Kundenorientierung beizubringen. Das mache ich prinzipiell sehr gerne. Dann hat sich aber herausgestellt, dass die Mitarbeiter sehr frustriert waren. 80 Prozent hatten angegeben, sie würden sofort den Arbeitgeber wechseln, wenn sie könnten. Ich bin zum Abteilungsleiter gegangen und habe ihm gesagt, ich würde gerne den Frust entsorgen und die Eigenmotivation und die Identifikation mit den eigenen Leistungen stärken. Denn das ist die Voraussetzung, um auf dieser Basis dann ein Kommunikationstraining zu machen. Nur die Haltung, die ich empfinde, kann ich in der Kommunikation auch vermitteln.

Computerwoche.de: Was ist Ihre Aufgabe bei den Unternehmen?

Herbstrith: Dienstleistung hat auf der einen Seite das Selbstbewusstsein der Leistung in sich, auf der anderen Seite die Demut des Dienens. Selbstbewusstsein für sich ist die Voraussetzung für die Wertschätzung für andere. Deshalb muss man die Eigenmotivation stärken, um auf dieser Basis anderen wertschätzend begegnen zu können.

Ich achte auch stark auf die Körpersprache beim Telefonieren. Wenn jemand aufrecht sitzt, ist das Selbst frei. So hat man eine ganz andere äußere und damit auch eine ganz andere innere Haltung, die es ermöglicht auf andere zuzugehen. Körpersprache bewirkt nicht nur etwas beim Gegenüber sondern auch in einem Selbst. Wenn ich Menschen dazu anleite, in eine selbstbewusste Körperhaltung zu gehen, entsteht fast immer und ganz automatisch ein Lächeln im Gesicht. So ist von vorherein eine ganz andere Gesprächsbasis da.

Computerwoche.de: Sie machen keine Verkaufsschulungen für Mitarbeiter?

Herbstrith: Ich kümmere mich um unternehmensweite Kundenorientierung. Ich mache keine Verkaufsschulungen in dem Sinne, wie man den Kunden am besten über den Tisch zieht. Bei mir geht es um eine Lösungspartnerschaft mit dem Kunden, das ist ein großer Unterschied. Ich will ja eine langfristige Beziehung mit dem Kunden. Es spricht sich allmählich herum, dass die Neukundengewinnung deutlich aufwendiger ist, als bestehende Kunden zu behalten.

Für Unternehmen sind Anrufe die Momente der Wahrheit

Für bestehende Kunden sind Anrufe in einem Service Desk, in einem First Level Support oder in einem Callcenter die Momente der Wahrheit. Da stellt sich dann heraus, wie es mit den schönen Sprüchen von Service- und Kundenorientierung, die in jedem Leitbild stehen, wirklich aussieht. Denn Worte sind geduldig. Doch was ist, wen ich da wirklich anrufe: Werde ich dort wahrgenommen? Werde ich ernst genommen? Es geht darum, empfundenes Verständnis zu zeigen, dass ein Kunde verärgert ist oder dass für den Kunden etwas ein Problem darstellt. Das kann ich auch dann machen, wenn ich es nicht verstehe und auch ohne Zustimmung.

Computerwoche.de Wie sieht es mit technischen Hilfsmitteln aus?

Herbstrith: Das Tool ist natürlich das Telefon. Werkzeuge sind auch wichtig, es sind aber immer noch die Menschen, die in einem Dienstleitungsunternehmen erfolgsentscheidend sind, insbesondere für die Servicequalität. In Bezug auf die Werkzeuge ist es sehr wichtig, wenn die Mitarbeiter sehen, wer anruft. Vor allem im Umgang mit schwierigen Kunden. Wenn ich meinen schwierigen Kunden kenne und sehen kann, dass dieser anruft, dann kann ich bestimmte Techniken anwenden, um besser mit ihm umzugehen. Aber auch bei nicht schwierigen Kunden, ist das ungemein hilfreich.

Ein anderes Thema ist die Bekanntgabe der Wartezeit. Wenn ich weiß, wie lange ich warten werde, empfinde ich diese Zeit als viel kürzer, als wenn ich die gleiche Wartezeit habe, ohne sie zu kennen. Es ist deswegen wichtig, wenn der Anrufer hört, welche Reihenfolge er in der Wartschlange hat und wann er bedient werden kann.

Monika Herbstrith ist geschäftsführende Unternehmerin der Impuls & Wirkung - Herbstrith Management Consulting GmbH in Wien. Sie arbeitet als akkreditierte Wirtschaftstrainerin, Certified Management Consultant und als High Performance Coach.