Das Wichtigste zur Ändererungskündigung

"Sie können bleiben, aber für weniger Gehalt" - ist das erlaubt?

12.08.2011 von Renate Oettinger
In wirtschaftlich schlechten Zeiten versuchen Arbeitgeber oft, die Löhne ihrer Arbeitnehmer zu kürzen. Unter welchen Bedingungen dies erlaubt ist, erläutert Dr. Christian Salzbrunn*.

In wirtschaftlich schwierigen Zeiten stellt sich für Unternehmen oft die Frage, inwieweit in die mit den Mitarbeitern bestehenden Arbeitsverträge einseitig eingegriffen werden kann, um vor allem die dort festgelegten Löhne zu reduzieren.

Das Arbeitsrecht bietet hierfür in § 2 KSchG (Kündigungsschutzgesetz) grundsätzlich die Möglichkeit einer sogenannten Änderungskündigung an. Eine solche Änderungskündigung stellt eine "echte" Kündigung eines Arbeitsverhältnisses dar, die mit dem Angebot verbunden wird, das Arbeitsverhältnis zu geänderten Bedingungen fortzusetzen.

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Erhält ein Mitarbeiter eine solche Änderungskündigung, hat er genau drei Reaktionsmöglichkeiten: (1) er kann die angebotene Änderung der Arbeitsbedingungen ablehnen, womit es bei der Kündigung verbleibt und es zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses kommt, (2) er kann die angebotene Änderungen der Arbeitsbedingungen vorbehaltlos annehmen, womit der Arbeitsvertrag mit den geänderten Arbeitsbedingungen fortgesetzt wird oder (3) er kann das Änderungsangebot schließlich unter dem Vorbehalt annehmen, dass er die einseitige Änderung der Arbeitsbedingungen gerichtlich vor dem Arbeitsgericht überprüfen lässt.

Änderungsschutzklage beim Arbeitsgericht einreichen

Ein solcher Vorbehalt muss gegenüber dem Arbeitgeber innerhalb der Kündigungsfrist, spätestens aber innerhalb einer Frist von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erklärt werden. Zusätzlich muss der Arbeitnehmer innerhalb einer Frist von drei Wochen eine sogenannte Änderungsschutzklage beim Arbeitsgericht einreichen, anderenfalls erlischt der Vorbehalt. Ist eine solche Klage erfolgreich, stellt das Arbeitsgericht fest, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt ist, womit die Änderungskündigung rechtsunwirksam ist und das Arbeitsverhältnis unverändert fortbesteht. Unterliegt der Mitarbeiter in dem gerichtlichen Verfahren jedoch, wird das Arbeitsverhältnis zu den geänderten Arbeitsbedingungen fortgesetzt.

In einem neuen Urteil vom 26.06.2008 hat das Bundesarbeitsgericht nun die Bedingungen für eine solche Änderungskündigung zur Senkung von Lohnkosten konkretisiert. In dem zu beurteilenden Sachverhalt ging es um ein Unternehmen, welches sich bereits seit dem Jahre 2003 in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befand. Zur Abwendung einer Insolvenz waren im Jahre 2005 einschneidende Sanierungsmaßnahmen erforderlich. Der Arbeitgeber entwarf einen Sanierungsplan, in dem von den Arbeitnehmern für die Dauer von zweieinhalb Jahren eine zusätzliche unentgeltliche Tätigkeit von 145 Stunden abverlangt wurde und die Streichung von Sonderzuwendungen vorgesehen war. Im Gegenzug verzichtete das Unternehmen für die Dauer von zweieinhalb Jahren auf betriebsbedingte Kündigungen.

Individualvertragliche Vereinbarungen erforderlich

Zur Umsetzung des Sanierungsplanes bedurfte es der individualvertraglichen Vereinbarung mit jedem einzelnen Arbeitnehmer. 439 der insgesamt 447 Arbeitnehmer stimmten einer Änderung ihrer Arbeitsbedingungen zu, 8 Arbeitnehmer verweigerten ihre Zustimmung. Daraufhin sprach das Unternehmen gegenüber den ablehnenden Arbeitnehmern eine Änderungskündigung aus und bot die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu den im Sanierungskonzept vorgesehenen verschlechterten Arbeitsbedingungen an.

Der Kläger des zu beurteilenden Rechtsstreits nahm die Änderungskündigung nur unter Vorbehalt an und erhob eine Klage vor dem Arbeitsgericht, mit der Begründung, dass die Änderungen der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt seien. Er wandte vor allem ein, dass das Sanierungsziel durch die Zustimmung von 97 Prozent der Mitarbeiter zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Änderungskündigung bereits erreicht gewesen sei.

Die fünf größten Irrtümer beim Thema Kündigung
Die fünf größten Irrtümer beim Thema Kündigung
Wann ist eine Kündigung rechtens und wann nicht. Wir klären über die fünf häufigsten Mythen zum Thema Kündigung auf.
Irrtum 1: Ein krankgeschriebener Arbeitnehmer kann nicht gekündigt werden.
Eine Krankheit kann den Ausspruch einer Kündigung nicht verhindern. Ein Arbeitgeber kann grundsätzlich auch während einer Krankschreibung eine Kündigung aussprechen; dies macht die Kündigung nicht "per se" unwirksam.
Irrtum 2: Jede Kündigung muss eine Begründung enthalten.
Eine Kündigung muss nicht begründet werden. Aus Arbeitgebersicht ist es sogar eher unklug, eine Begründung in die Kündigung aufzunehmen, da dies in der Regel "Angriffsfläche" in einem nachfolgenden Kündigungsschutzprozess ergibt. Gekündigte Arbeitnehmer hingegen sollen unverzüglich um Rechtsrat nachsuchen, ob die ausgesprochene Kündigung auch wirksam ist.
Irrtum 3: Eine Kündigung kann auch mündlich ausgesprochen werden.
Arbeitsverträge kann man zwar mündlich abschließen, aber nicht beenden. Es bedarf nach dem Gesetz immer einer schriftlichen Kündigung. Vorsicht ist auf Arbeitgeberseite im Übrigen auch geboten bei Kündigungen per Mail oder per SMS, während Arbeitnehmer, die eine Kündigung in dieser Form erhalten, ebenfalls sofort um Rechtsrat nachsuchen sollten. Dies sollte unverzüglich erfolgen.
Irrtum 4: Vor der Kündigung muss immer drei Mal abgemahnt werden.
Eine sog. verhaltensbedingte Kündigung setzt nur eine Abmahnung voraus. Dabei gilt des Weiteren, was häufig verkannt wird: Ist in dem Betrieb ein Betriebsrat installiert, muss dieser einer Kündigung nicht etwa zustimmen; er muss nur angehört werden. Dieser kann der Kündigung zwar widersprechen. Dies führt aber nicht zu einer Unwirksamkeit der Kündigung.
Irrtum 5: Gekündigte Mitarbeiter haben stets einen Anspruch auf eine Abfindung.
Das Kündigungsschutzgesetz ist in erster Linie ein "Bestandsgesetz". Damit richtet sich der Schutz zunächst auf den Erhalt des Arbeitsplatzes. Zwar enden in der Tat tatsächlich viele Kündigungsschutzverfahren letztendlich mit dem Abschluss eines Abfindungsvergleichs. Bestehen allerdings Gründe für die Kündigung. greift diese rechtlich auch durch, und der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, eine Abfindung zu zahlen.

Das Arbeitsgericht gab dieser Klage statt, wohingegen die Berufung vor dem Landesarbeitsgericht zur Abweisung der Klage führte. Die Revision vor dem BAG bestätigte das klageabweisende Urteil des LAG. In den Urteilsausführungen machten die Richter deutlich, dass eine Änderungskündigung gem. § 2 KSchG zur Absenkung der Vergütung unter bestimmten Voraussetzungen möglich sei. Erforderlich sei ein anerkennenswerter Anlass, im Rahmen dessen nur solche Änderungen von Arbeitsbedingungen vorgenommen werden, welche die Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen müssten. Insoweit sei der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten, wonach die Änderungen der Arbeitsbedingungen geeignet und auch erforderlich sein müssen, um den Inhalt des Arbeitsvertrages an den geänderten Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen.

Ein dringendes betriebliches Erfordernis zur Änderung der Arbeitsbedingungen sei insoweit nur dann gegeben, wenn durch die Reduzierung der Personalkosten die Stilllegung des Betriebs oder die Reduzierung der Belegschaft verhindert werden kann und die Kosten durch anderweitige Maßnahmen nicht zu senken seien. Um dies darzulegen, sei regelmäßig ein umfassender Sanierungsplan erforderlich, der die exakte Finanzlage des Betriebs, den Anteil der Personalkosten, die Auswirkungen der beabsichtigten Kostensenkungen darstellt und genau darlegt, warum andere Maßnahmen nicht in Betracht kommen.

Grundlage: Sanierungsplan

Da das von dem Unternehmen erstellte Sanierungskonzept diesen Anforderungen gerecht wurde, erkannten die Richter im vorliegenden Fall ein dringendes betriebliches Erfordernis zur Aussprache der Änderungskündigungen an. Des Weiteren widersprachen die Richter auch dem Argument des Klägers, dass sein Beitrag zur Sanierung nicht erforderlich sei, weil das Sanierungsziel bereits erreicht sei. Denn das Sanierungskonzept sehe gerade die Beteiligung sämtlicher Mitarbeiter vor, indem die Sanierungslast auf viele Schultern verteilt werden solle. Der Kläger widerspreche sich aber, wenn er einerseits die Lasten des Sanierungskonzepts nicht tragen wollte, andererseits aber die Geltung des Sanierungskonzepts in Form des Ausschlusses von betriebsbedingten Kündigungen für sich in Anspruch nehmen wolle (BAG, Urteil vom 26.06.2008, Az.: 2 AZR 139/07).

Als Fazit kann aus dieser Entscheidung folgendes festgehalten werden: Änderungskündigungen zur Senkung von Lohnkosten sind möglich, ohne dass sich Unternehmen gleich von ihrem eingearbeiteten Personal trennen müssen. Erforderlich ist aber ein gut vorbereiteter Sanierungsplan, der den vom BAG dargstellten hohen Anforderungen gerecht wird. Solche Änderungskündigungen sind demzufolge sehr sorgfältig, möglichst unter der Zuhilfenahme von aussagekräftigen Gutachten von Wirtschaftsprüfern, vorzubereiten.

Infos und Kontakt:

Der Autor Dr. Christian Salzbrunn ist Rechtsanwalt in Düsseldorf. Tel.: 0211 1752089-0, E-Mail: info@ra-salzbrunn.de, Internet: www.ra-salzbrunn.de