Mittelstands-ERP von SAP und Microsoft im Vergleich

Showdown der Giganten

05.12.2003 von von FRANK
In einem direkten Vergleich zwischen SAPs Mittelstandssoftware „Business One“ und „Navision“ von Microsoft waren die Walldorfer klar unterlegen. Zwei Spezialistenteams mussten mit beiden Lösungen vor einer Fachjury die gleichen Aufgaben erledigen.

DER SIEGER des Duells hieß am Ende des ganztägigen Showdown Microsoft Business Solutions, da sich die Navision- Software als ausgereifter präsentierte. Der Vergleich hinkte jedoch teilweise, weil in der Standardausführung von Business One bestimmte Funktionen wie etwa die Produktionssteuerung, Kapazitätsplanung, Web-Shop sowie Synchronisierung mit Kalendersoftware nicht enthalten sind. Dennoch vergab die Jury in allen Kategorien, bei denen Vergleichbarkeit bestand, bessere Noten für Navision. Auch das Publines kum, meist Anwender oder unabhängige IT-Spezialisten, votierte für Microsoft. Die anwesenden Firmenvertreter durften nicht mit abstimmen.

Den Showdown organisiert hatte der auf Softwaretests spezialisierte IT-Experte Werner Schmid, Geschäftsführer der Gesellschaft zur Prüfung von Software (GPS) aus Ulm. Die Jury bestand aus Peter Kaufmann, Wirtschaftskammer Vorarlberg, Thomas Bader von der GBU Unternehmensinformatik aus Dornbirn, Walter Merkt, Piscator GmbH aus Niederweningen in der Schweiz, Johannes Bergsmann, Software Quality Lab aus Langenstein (Österreich), sowie dem ERP-Spezialisten Michael Amann aus dem österreichischen Altach.

Zum Duell erschienen waren zwei Partnerfirmen der Hersteller, die über einschlägige Erfahrung mit der jeweiligen Software verfügen: der SAP-Partner Protask aus dem Veranstaltungsort Dornbirn sowie die auf Microsoft Navision spezialisierte Kumavision aus dem österreichischen Lustenau.

Nur Standard bewertet

Die Aufgaben umfassten das Abwickeln aufeinander folgender Vorgänge von der Angebotserstellung, Auftragsannahme und Montage bis zur Auslieferung eines Produkts. Die Business- Systeme wurden vor dem eigentlichen Wettbewerb mit Daten etwa zu Vertriebsmitarbeitern, Kunden, dem Artikelstamm und Sachkonten gefüttert.

Bewertet wurden nur die im Standardsystem vorhandenen Funktionen. Das erschwerte den Vergleich der Produkte beim Aufgabenpunkt „Auftragseingabe via Web-Shop“. Business One wird zurzeit noch ohne Web-Shop ausgeliefert, Navision verfügt hingegen über ein solches Modul. Der SAP-Partner behalf sich daher mit einer selbst entwickelten Shop-Software, die jedoch nicht in der Lage war, einen Kundenauftrag dem verantwortlichen Vertriebsmitarbeiter zuzuordnen.

Auch in Sachen Vertriebsunterstützung lag das Microsoft-Produkt vorn. Für einen Besuchsbericht beim Kunden sieht Business One lediglich ein Textfeld vor. Navision dagegen bietet eine umfangreiche Maske zur Erfassung von Kundenbesuchen, die zudem im Aktivitätsprotokoll des Vertriebsangestellten angezeigt werden. Ferner lassen sich die für die Visite angefallenen Kosten erfassen. Letzteres erleichtert es dem Vertriebsleiter, die gesamten Aufwendungen für die Kundenakquise zu ermitteln. auftrag dem verantwortlichen Vertriebsmitarbeiter zuzuordnen. Auch in Sachen Vertriebsunterstützung lag das Microsoft-Produkt vorn. Für einen Besuchsbericht beim Kunden sieht Business One lediglich ein Textfeld vor. Navision dagegen bietet eine umfangreiche Maske zur Erfassung von Kundenbesuchen, die zudem im Aktivitätsprotokoll des Vertriebsangestellten angezeigt werden. Ferner lassen sich die für die Visite angefallenen Kosten erfassen. Letzteres erleichtert es dem Vertriebsleiter,

die gesamten Aufwendungen für die Kundenakquise zu ermitteln.

SAP unter Wert geschlagen

Für Business One sprach die moderne Oberfläche, die jedoch wegen der eng eingegrenzten Wettbewerbsaufgaben kaum demonstriert werden konnte. Somit wurde das System unter Wert geschlagen. So bietet das SAP-Produkt über die Funktion „Drag and Relate“ dem Anwender eine bequeme Methode, Objekte miteinander in Beziehung zu bringen. Wenn er beispielsweise einen Artikel aus den Stammdaten auf die Auftragsansicht zieht, erscheint eine Übersicht, für welche Aufträge das Teil reserviert wurde. Auch die Analyse und Prognose von Geschäftschancen (Opportunities) überzeugt. Eine Grafik zeigt, aus welchen Kundenkontakten in Zukunft Aufträge zu erwarten sind.

In den Kernfunktionen der Finanzbuchhaltung, etwa der Fakturierung oder der Gewinn- und Verlustrechnung, unterscheiden sich beide Systeme nicht wesentlich, lediglich die Benutzerführung ist anders gestaltet. Dies sah die Jury auch so, weshalb die Punktedifferenz zwischen beiden ERP-Produkten hier gering ausfiel. Jedoch zeigt Business One auch hier Schwächen, da Übersichten („Journale“) wie etwa Umsätze pro Artikel“ erst in Excel zu exportieren sind, während sie mit Navision innerhalb des entsprechenden Moduls gestaltet werden können.

Bewusst wurde auf einen Vergleich der Funktionen zur Produktionssteuerung verzichtet, da Business One nicht über ein geeignetes Modul verfügt, was bei so manchem Zuhörer Stirnrunzeln auslöste. „Wie wollen Sie denn so eine Kapazitätsplanung machen?“, fragte ein erstaunter Besucher das Protask-Team, das lediglich auf Entwicklungen von anderen SAP-Partnern verweisen konnte. Aus diesem Grund hatte der Veranstalter bewusst nur die Aufgabe einer Materialdisposition mit anschließender Montage gestellt. Hier machten beide Produkte eine gute Figur, indem sie beispielsweise die zur Erfüllung eines Montageauftrags fehlenden Teile zuverlässig anzeigten. Aus dieser Darstellung ließen sich Bestellaufträge erzeugen. Doch der Teufel steckt bekanntlich im Detail: Business One sorgt nach Bestellungen nicht automatisch dafür, dass der vorgegebene Mindestlagerbestand vorrätig ist; dies muss der Anwender extra über eine Abfrage einrichten. Navision

dagegen beherrscht dieses Feature: Falls 20 Stück eines Artikels benötigt werden, die Mindestlagermenge bei 30 liegt und das Lager leer ist, bestellt das ERP-System insgesamt 50 Teile.

Am deutlichsten traten die Unterschiede zwischen den beiden Produkten bei der Erzeugung von Reports zutage. Die Teams sollten mit den Bordwerkzeugen der ERP-Systeme einen Bericht über die anstehenden Provisionszahlungen an die Vertriebsmitarbeiter anfertigen. Das Microsoft-ERP verfügt über einen Wizard zur Report-Erzeugung, der in dem mitgelieferten „Object Designer“ integriert ist. Das Tool erlaubt es, bequem Felder aus Tabellen auszuwählen, Sortierungen festzulegen und Summenfelder zu definieren. Über eine Layout-Maske gestaltet der Benutzer den Bericht, der sich dann beispielsweise ausdrucken oder in die Tabellenkalkulation exportieren lässt.

Schwäche bei Reports

Im Gegensatz dazu bietet der „Abfrageassistent“ von Business One weit weniger Funktionen. Die Berichte erscheinen in einer nicht sehr komfortablen Bildschirmmaske und müssen nach Excel exportiert werden, um sie in eine ansprechende Form zu bringen beziehungsweise auf einem Drucker auszugeben. Das ist insofern erstaunlich, als die SAP-Software sehr wohl über ein Werkzeug zum Layout von Formularen verfügt. So lassen sich beispielsweise Rechnungen am Bildschirm gestalten und ausdrucken. Pluspunkte konnte Business One dagegen mit seiner Oberfläche sammeln. Die Report-Ansicht gestattet es nämlich auch, die SQL-Syntax der zugrunde liegenden Abfrage darzustellen. Der Vorteil: Experten können ohne großen Aufwand die Query abändern und erneut starten.

Ans Eingemachte ging es, als beide Spezialistenteams ein neues Datenfeld in die Tabellenstrukturen aufnehmen sollten. Beide Produkte unterstützen den Anwender dabei, wobei das Navision- Team diese Aufgabe mit dem Object Designer eleganter zu lösen verstand.

Alte Navision-Technik

Auch in puncto Mehrsprachigkeit hat das Microsoft-Produkt mehr zu bieten. Allerdings musste man den Sourcecode verändern, um das neue Feld auch in den Ansichten erscheinen zu lassen. Navision stützt sich auf eine proprietäre Programmierumgebung. Bei Business One fand dieser Anpassungsschritt auf der Datenbankebene statt. Dies dürfte sich bei Release-Wechseln positiv auswirken.

Während Microsoft die Navision- Lösung als vollständiges ERP-Produkt positioniert, vermarktet SAP seine Software für Handelsunternehmen, Dienstleister und Firmen mit einfacher Fertigung. So bieten die Walldorfer kein Produktionsplanungs- und Steuerungssystem an, ein solches soll demnächst aber über einen Softwarepartner erhältlich sein.

Zudem gibt es die Navision-Lösung schon sehr lange am Markt - die ersten Anwender bedienten die ERP-Software noch über MS-DOS-Clients. Das ursprünglich in Israel entwickelte Business One hingegen wird erst seit etwa einem Jahr aktiv angeboten. Eine Entwicklungsumgebung kam erst wenige Tage vor dem Duell auf den Markt.