Hybrid Cloud im Mittelstand

Security- und WAN-Probleme bremsen die Cloud-Euphorie

14.09.2018 von Wolfgang Herrmann
Unternehmen aus dem deutschen Mittelstand haben die Vorteile der Hybrid Cloud erkannt und gehen einschlägige Projekte strategisch an. Doch Sicherheitsaspekte und eine unzureichende WAN-Infrastruktur hemmen die praktische Umsetzung.

Der deutsche Mittelstand sieht den Wertbeitrag, den insbesondere Hybrid-Cloud-Umgebungen für sein Geschäft bringen können. Beim praktischen Einsatz wird aber auch deutlich, dass eine hybride Infrastruktur in vielen Bereichen zu erhöhten Anforderungen führt.

Auch kleine und mittelständische Unternehmen setzen verstärkt auf Cloud-Lösungen, um ihre geschäftlichen Herausforderungen besser in den Griff zu bekommen.
Foto: Lightspring, shutterstock.com

Zu diesen Ergebnissen kommt eine Studie, die das zur CXP Group gehörende Marktforschungs- und Beratungshaus PAC im Auftrag der Telekom Deutschland GmbH organisiert hat. Befragt wurden dafür gut 200 IT- und Fachbereichsverantwortliche deutscher Unternehmen aus den Branchen verarbeitendes Gewerbe, Handel und Dienstleistungen.

"Die meisten Unternehmen haben die Vorteile des Cloud Computing erkannt", kommentiert Wolfgang Schwab, Principal Consultant bei PAC. "Sie folgen dabei jedoch nicht blind einem Trend, sondern analysieren die möglichen Vor- und Nachteile für ihr jeweiliges Unternehmen sehr sorgfältig, bevor Entscheidungen getroffen werden."

Zu den größten Hemmnissen auf dem Weg in die Cloud zählen die Befragten noch immer Sicherheits- und Compliance-Aspekte, gefolgt von erhöhten Anforderungen an das Netzwerk (LAN, WAN) und der Integrierbarkeit vorhandener IT-Systeme mit Cloud-Services. "Während ein LAN-Ausbau meist relativ einfach zu bewerkstelligen ist, muss für einen WAN-Ausbau mit einem geeigneten Provider zusammengearbeitet werden", erläutern die Studienautoren.

Die größten Hürden auf dem Weg in die Cloud

Die geäußerten Sorgen in puncto Sicherheit hält PAC dagegen nicht für gerechtfertigt, "solange die Cloud-Komponenten in Deutschland oder wenigstens in der EU gehostet werden, der Anbieter über die entsprechenden Zertifizierungen verfügt und deutschem beziehungsweise europäischem Recht unterliegt." Die Vorstellung, das eigene Rechenzentrum oder der eigene Serverraum sei per se sicherer, sei "schlichtweg falsch, wenngleich weit verbreitet." Laut der Studie sind IT-Sicherheitslösungen zudem nur in 76 Prozent der Unternehmen überhaupt vorhanden. Unabhängig von einem möglichen Hybrid-Cloud-Einsatz sei dieser Wert "schockierend niedrig."

Die Analysten verweisen in diesem Kontext auch auf die vielfältigen Angebote großer IT-Dienstleister, die heute einen Mischbetrieb aus vor Ort betriebenen, gehosteten sowie Private- und Public-Cloud-Infrastrukturen ermöglichten. Damit könne Unternehmen ein sanfter Einstieg in Cloud-Technologien gelingen, was insbesondere bei der Umstellung von Altanwendungen hilfreich sei.

Welchen Wertbeitrag liefert die Cloud?

Aufschlussreich ist der Blick auf die wichtigsten geschäftlichen Herausforderungen und den Wertbetrag, den sich die Befragten von einem Cloud-Einsatz erhoffen. 63 Prozent nennen "veränderte Kundenanforderungen in einer zunehmend digitalisierten Welt" als größte Herausforderung. Fast ebenso hoch ist der Anteil derer, die in diesem Bereich einen besonders hohen Wertbeitrag von Cloud-Lösungen erwarten (siehe Grafik).

Von Cloud-Lösungen erhoffen sich Unternehmen insbesondere, besser auf veränderte Kundenanforderungen reagieren zu können.
Foto: PAC - a CXP Group Company, 2018

Auch beim "Erschließen neuer Wertschöpfungspartnerschaften" und dem Bewältigen des steigenden Innovationsdrucks bringt eine Cloud-Nutzung nach Einschätzung der Unternehmen Vorteile. Andere Faktoren wie Kostensenkung und Effizienz im IT-Betrieb sowie das Optimieren von Prozessen spielen immer noch für rund die Hälfte der Studienteilnehmer eine wichtige Rolle, wenn es um den Wertbeitrag geht.

Cloud-Nutzung steckt noch in den Kinderschuhen

Ungeachtet der potenziellen Cloud-Vorteile wickeln die befragten Firmen aber noch immer den Großteil ihres IT-Betriebs im eigenen Rechenzentrum oder Serverraum ab (siehe Grafik). "Die IT-Infrastruktur in den meisten Unternehmen ist über viele Jahre hinweg gewachsen und wurde immer wieder an neue Anforderungen angepasst", kommentieren die Studienautoren. Die zurückhaltende Cloud-Nutzung sei deshalb keine Überraschung. Im Detail fällt allerdings auf, dass gerade bei kleineren Unternehmen mit 20 bis 49 Mitarbeitern der Public-Cloud-Anteil mit 10 Prozent größer ausfällt als bei mittleren (6 Prozent) und großen Unternehmen (8 Prozent).

Den Großteil des IT-Betriebs wickeln die befragten Unternehmen noch immer in eigenen Rechenzentren oder Serverräumen ab.
Foto: PAC - a CXP Group Company, 2018

Die Analysten werten diese Ergebnisse als klaren Beleg dafür, dass eine hybride IT in den befragten Unternehmen längst der Normalfall ist. Selbst in kleinen Betrieben sei mittlerweile ein ausschließlicher Vor-Ort-IT-Betrieb mit einem Anteil von 17 Prozent beinahe schon exotisch.

Cloud-Entscheidungen sind Teil der Strategie

Geht es um das Thema Cloud-Strategie, sind kleine und mittlere relativ weit: "Im Gegensatz zur landläufigen Meinung gehen auch kleinere Mittelständler - die größeren sowieso - das Thema Hybrid Cloud durchaus strategisch an", berichten die PAC-Experten. Das treffe für Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern besonders zu (83 Prozent). Doch auch Firmen mit 20 bis 49 Angestellten folgen zu 63 Prozent einem strategischen Ansatz, wenn es um die Wahl des IT-Betriebsmodells gehe. Sogar Unternehmen, die ihren IT-Betrieb komplett an einen Dienstleister ausgelagert haben, planen in diesem Bereich zu großen Teilen strategisch.

An der Entscheidungsfindung für die Betriebsmodi der IT sind IT-Organisation, Fachbereiche und Geschäftsführung gleichermaßen beteiligt, so ein weiteres Ergebnis. Die finale Entscheidung trifft vor allem in kleinen und mittleren Unternehmen die Geschäftsführung, in größeren Firmen hat häufiger der IT-Bereich das letzte Wort.

Vier Empfehlungen für Cloud-Nutzer

Aus den Studienergebnissen leiten die PAC-Analysten konkrete Handlungsempfehlungen ab, die IT- und Business-Entscheider berücksichtigen sollten:

Auch kleine und mittlere Unternehmen benötigten eine IT-Strategie, so die Auguren. Diese müsse einerseits an die Unternehmensziele anknüpfen und andererseits neue Technologien wie beispielsweise Hybrid-Cloud-Services umfassen. Entscheider sollten sich zudem über die Fertigungstiefe ihrer IT Gedanken machen und nach Bedarf Managed Services und System Integration Services nutzen, um fehlendes internes Know-how auszugleichen.

Vor einer Anpassung des Betriebsmodells sollten Unternehmen ihre Anwendungslandschaft konsolidieren und prüfen, welche Applikationen sich wirtschaftlich in einem Software-as-a-Service-Modell (SaaS) nutzen lassen. Dazu gehöre auch die Überprüfung von Netzwerkbandbreiten (LAN, WAN) sowie der Internetzugänge.

Vor allem Unternehmen, die noch wenig Erfahrung mit Dienstleistungen im IT-Bereich sammeln konnten, ständen mit Hybrid-Cloud-Lösungen vor einem gewissen Paradigmenwechsel, kommentieren die Analysten. Cloud-Services und deren Management sowie das Einrichten einer umfassenden Hybrid-Cloud-Lösung seien in der Praxis alles andere als trivial. Den meisten kleineren und mittleren Firmen fehle das dafür notwendige Wissen. Zu empfehlen sei deshalb die Hilfe von spezialisierten Dienstleistern.

Im Hybrid-Cloud-Umfeld gibt es eine breite Palette unterschiedlichster Dienstleistungen und Lösungen. Um das für die eigenen Bedürfnisse passende Angebot zu finden, sollten Entscheider Referenzen und Best Practices der potentiellen Servicepartner genau prüfen. Häufig lohne es sich, Referenzinstallationen vor Ort zu begutachten.