Gestresste IT-Admins

Schuld ist nur der Boss

09.06.2014 von Bettina Dobe
Eine Umfrage unter IT-Administratoren verdeutlicht, wie gestresst sich diese Berufsgruppe fühlt. Die Ursache: das Management.

Kaum Zeit zum Durchatmen, IT-Vorgesetzte im Nacken und nicht sonderlich schlaue Anwender - das Leben als IT-Admin ist nicht einfach. Wie viel Stress die Administratoren tatsächlich haben, verraten zwei aktuelle Studien aus den USA und Großbritannien. Die Umfrage zeigt auch : Für IT-Admins hat sich in den vergangenen Jahren die schlechte berufliche Gesamtsituation nicht geändert.

Ein nerviger Chef und ein stressiger Job können schnell zu Erschöpfungszuständen oder Schlimmeren führen.
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Im Königreich waren ganze zwei Drittel (67 Prozent) der Befragten gestresst von ihrem Job. Das ist zwar ein Prozent weniger als in der Vorgänger-Umfrage, die 2012 durchgeführt wurde. Doch diesen geringen Unterschied kann man getrost ignorieren. Die Umfrage zeigt zudem deutlich, dass sich knapp zwei Drittel der Befragten als am meisten gestresst oder zumindest genauso stark unter Druck fühlte wie ihr Freundeskreis.

Bloß weg hier!

Angesichts solcher Zahlen überrascht es nicht, dass in Großbritannien mehr als ein Drittel (38 Prozent) darüber nachdenkt, den Job zu wechseln, und 31 Prozent dies gelegentlich in Erwägung ziehen. Angesichts zahlreicher unbesetzter Stellen im IT-Bereich sollten es sich Firmen vielleicht überlegen, ob sie ihre Arbeitnehmer nicht vielleicht doch etwas besser behandeln wollen. Einen neuen IT-Admin zu finden, ist kostspielig und dauert.

Der Druck auf die Berufsgruppe wirkt sich negativ auf ihr Privatleben aus: Mehr als ein Drittel (36 Prozent) der Befragten gab an, schon Verabredungen verpasst zu haben und genauso viele britische IT-Administratoren verbringen wegen ihres Jobs weniger Zeit mit ihrer Familie. Fast jeder fünfte gab zu Protokoll, dass seine Stelle dafür verantwortlich gewesen sei, dass eine Beziehung oder eine Freundschaft zu Bruch gegangen sei. Besorgniserregend ist zudem, dass etwa jeder fünfte IT-Administrator angab, gesundheitliche Probleme zu haben. Gerade unter den IT-Profis sind Bluthochdruck oder Schlafprobleme verbreitet. Sie können erste Symptome eines Burnouts sein.

Burnout
Zielsicher in die Katastrophe
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Allzeit bereit!
Bei Ihrem Job werden "flexible" Arbeitszeiten und Überstunden als selbstverständlich erwartet, auch Reisetätigkeiten, wechselnde Arbeitsplätze, internationale Zusammenarbeit über mehrere Zeitzonen hinweg und Erreichbarkeit 24 Stunden an sieben Tagen per Blackberry, Handy & Co.
Brennen für den Job
Ihre Tätigkeit begeistert Sie, Überstunden stören Sie nicht. Sie stehen für Flexibilität, Schnelligkeit und höchste Qualitätsansprüche. Das Team, der Chef, der Auftraggeber und alle anderen können sich stets auf Sie verlassen. Sie sind ehrgeizig, der nächste Schritt zum Projekt-Manager, Team- oder Abteilungsleiter winkt und fordert vollen Einsatz auf gleichbleibend hohem Niveau. Brennen Sie für Ihre Aufgaben, das Projekt, Ihr Team, Ihr Unternehmen - bis Sie ausgebrannt sind.
Entspannen? Was ist das?
Signale wie anhaltende Müdigkeit, Unkonzentriertheit, Leistungsabfall, Schlafstörungen sowie die Unfähigkeit abzuschalten und aufzutanken, ignorieren Sie. Bedienen Sie sich bei auftretenden Zipperlein großzügig an Produkten der Pharmaindustrie.
Nur nicht wütend werden
Kümmern Sie sich auf keinen Fall um Ihre Gefühle. Wut, Ärger, Ängste, das Gefühl von Überforderung oder ständiger Gehetztheit ignorieren Sie, ebenso wie das Schwinden Ihrer Lebensfreude, zunehmende Teilnahmslosigkeit, Sinn- und Lustlosigkeit und Depressionen. Bei zunehmendem Leeregefühl lösen Sie sich von der Idee, dass Arbeit Sie innerlich erfüllen könnte.
Immer schön fleißig sein!
Ineffektiv verbrachte Arbeitszeit kompensieren Sie mit Mehrarbeit. Das vertreibt auch die Langeweile am Wochenende und im Urlaub. Sind Sie Freiberufler, verzichten Sie ganz auf Urlaub. Sie müssen die Aufträge abarbeiten, oder das Geld reicht nicht. Machen Sie möglichst mehrere Dinge gleichzeitig, um Zeit zu sparen. Sagen Sie "Ja" zu jeder neuen Aufgabe.
Verzweifelt? Sie doch nicht!
Machen Sie sich unentbehrlich. Auch wenn es unmöglich ist und Sie der Verzweiflung nah sind, versuchen Sie, möglichst alle Erwartungen von Teamkollegen, Auftraggebern, internen und externen Projektmitarbeitern, Vorgesetzten und Ihrer Familie und Freunde zu erfüllen. Am besten übertreffen Sie noch deren Erwartungen.
Warnsignale?
Verwerfen Sie sämtliche Warnungen, Vorhaltungen, Vorwürfe, Bitten und Sorgen von Ihrer/m Partner/in, Angehörigen oder Kollegen. Ihre Ausreden sollten wasserdicht sein: "Nach diesem Projekt wird alles besser" oder "nur noch dieser Fall". Oder: "Die Umstände/der Vorgesetzte/der Auftraggeber zwingen mich dazu, ich habe keine Wahl."
Im Hamsterrad
Hämmern Sie sich und anderen ein, es geht nicht anders, in Ihrem Job jedenfalls nicht. Wenden Sie sich dennoch auf Drängen anderer an eine professionelle Beratung, werden Sie es sicher verstehen, die Sinnlosigkeit dieser Maßnahme unter Beweis zu stellen.
Nur nicht drüber reden!
Gehen Sie auf Distanz zu Menschen, zu denen erstaunlicherweise noch Kontakt besteht. Als Eigenbrötler können Sie leichter die Fassade wahren. Sagen Sie niemandem, wie es Ihnen geht. Gemeinsame Mittags- und Kaffeepausen mit Kollegen sind zeitlich unmöglich, die Zeit mit der Familie wird immer knapper.
Jede Minute zählt - zum Arbeiten.
Streichen Sie sämtliche Hobbys einschließlich sportlicher Betätigungen. Falls Sie doch noch ein Privatleben haben, gestalten Sie die Terminplanung zwischen ihm und dem Job noch engmaschiger, nutzen Sie jede freie Minute.
Gesund leben? Maßlos überschätzt!
Gesundes Essen wird als Zeitkiller abgeschafft zugunsten von Fast Food und belegten Semmeln. Damit Sie überhaupt entspannen und von Ängsten und anderen unangenehmen Gefühlen abschalten können, gönnen Sie sich regelmäßig abends etwas Alkoholisches.
Perfektion, Perfektion, Perfektion
Seien Sie nie zufrieden mit Ihren Ergebnissen, auch wenn andere begeistert sind. Sie sind Ihr strengster Kritiker. Weniger als perfekt kommt für Sie nicht in Frage. Stecken Sie sich zusätzliche Ziele. Erlernen Sie eine Fremdsprache, machen Sie eine berufsbegleitende Ausbildung und laufen Sie Marathon.
Probleme? Ach was!
Lösen Sie keine Konflikte und Probleme grundlegend. Schieben Sie alles vor sich her, damit der Berg von Unerledigtem immer höher wird.
Ein Ausstieg ist möglich!
Falls Sie sich in unserem Text zu stark wiedererkennen, steiegen Sie aus! Je früher, desto besser. Gehen Sie zum Arzt, ändern Sie Ihre Lebensweise, solange es noch früh genug ist. Das raten Ihnen Ruth Hellmich, Rechtsanwältin und Geschäftsführerin von CoachingTraining.

Der Chef ist schuld

Was sind die Ursachen für den Stress der IT-Administratoren? Noch immer sei, so die Studie, das Management der Unternehmen der Hauptgrund, warum sie so leiden. Mehr als die Hälfte der IT-Profis (51 Prozent) macht die Chefs für den Job-Stress verantwortlich. Auch andere Ursachen dürften bekannt vorkommen: 24 Prozent beklagten den Mangel an Budget und Mitarbeitern. Immerhin hier zeigt sich eine leichte Verbesserung gegenüber der vorherigen Umfrage ab.

Ein weiterer Grund für die Unzufriedenheit ist nicht nur die Art der Arbeit, sondern auch die Menge. Eine 48-Stunden-Woche ist unter britischen IT-Administratoren keine Seltenheit. Mehr als jeder Vierte (28 Prozent) kommt sogar auf mehr als acht Überstunden pro Woche: Sie schenken oft der Firma einen ganzen Tag Arbeitskraft. Auf ähnliche Werte dürften auch deutsche IT-Admins kommen. Dabei sollten Unternehmen bedenken: Eine schlechte Work-Life-Balance vertreibt Mitarbeiter.

Work-Life
Robert Laube, Director und Service Line Lead Business Intelligence für Avanade Deutschland, Österreich und Schweiz, drei Kinder:
"Ich habe E-Mails von meinem Mobiltelefon verbannt. Auch nehme ich mir, wann immer möglich, die Zeit, morgens mit meinen Kindern zu frühstücken und sie in die Schule und den Kindergarten zu bringen."
Yasmine Limberger, Group Manager Personalmarketing für Avanade Deutschland, Österreich und Schweiz, ein Kind:
"Ich will vor allem das Gefühl haben, dass es meiner Tochter gut geht, ich aber auch als Teilzeitführungskraft einen guten Job mache. Außerdem benötige ich auch ein wenig Luft für persönliche Dinge. Das bedarf einer exakten Terminplanung. Man darf Dinge nicht liegenlassen, sondern muss seine Prioritäten zeitnah abarbeiten und immer alles im Blick behalten."
Petra Kaltenbach-Martin, Service Line Lead Dynamics CRM für Avanade Deutschland, Österreich und Schweiz, ein Kind:
"Es ist schwierig, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen. Bisher klappt es aber mit viel Organisation. Beispielweise nutze ich die Schlafzeiten meines Kindes, um Dinge abzuarbeiten. Zudem muss man viel Energie und Motivation für Kind und Beruf mitbringen. Dennoch ist es schön, beide Welten zu verbinden."
Hans-Peter Lichtin, Country Director Avanade Schweiz, zwei Kinder:
"Die gemeinsame Zeit mit meiner Familie versuche ich so bewusst wie möglich zu nutzen. Es gibt Tage, da kann ich durchaus mit meiner Familie frühstücken und auch zu Abend essen. Das Wochenende verbringe ich mit meiner Familie."
Dominik Steiner, Business Development Executive Avanade Schweiz, Zwillinge:
"Aus meiner Sicht ist es enorm wichtig, dass man lernt, sich persönlich abzugrenzen und sich Freiräume schafft oder auch spontane Freiräume mal für sich nutzt. Ich versuche von Zeit zu Zeit früh nach Hause zu gehen und so den Abend mit der Familie zu genießen und arbeite dann liegen gebliebene Arbeit am Abend nach - etwa wenn meine Kinder im Bett sind. Oder ich frühstücke mit den Kindern und bringe sie dann in die Tagesstätte. An einem solchen Tag beginne ich dann eben eine Stunde später zu arbeiten."
Eva Steiger-Duerig, HR & Recruiting Consultant bei Avanade, zwei Kinder:
"Wir haben die Kinderbetreuung sehr gut organisiert. Zudem habe ich das Glück, dass die Stadt Zürich ein gutes Kinderbetreuungsangebot hat und mein Mann sich auch an der Kinderbetreuung mitbeteiligt. Dennoch ist das Betreuungsangebot in Zürich auch mit sehr hohen Kosten verbunden."
Carmen Egelhaaf, Senior Marketing Specialist Avanade, ein Kind:
"Abends schreibe ich mir eine Checkliste, was privat am nächsten Tag alles organisiert und erledigt werden will: Lebensmittel einkaufen, aufräumen, Hemden und Blusen zur Reinigung bringen, Geburtstagskarte an Tante Irmgard schreiben, Geschenk für das Patenkind besorgen etc., damit ich nach der Arbeit gleich durchstarten kann. Unsere Putzfrau trägt viel dazu bei, dass ich von einigen Haushaltsaufgaben entlastet bin und möglichst viel Zeit mit meinem Sohn verbringen kann. Und ein Netzwerk von Freunden (da keine Oma in der Nähe) hilft aus, wenn mein Sohn krank ist oder Kindergartenferien zu überbrücken sind."
Andrea Cebulsky, Director Legal Europe Avanade, zwei Kinder:
"Sicherlich ist auch das Reisen manchmal eine Herausforderung - ich bin fast immer mindestens ein- bis zweimal die Woche unterwegs. Ein-Tages-Reisen sind noch zu managen. Problematischer wird es, wenn man für ein paar Tage weg muss, dann muss auch mal die Oma mithelfen. Da ist es dann wichtig, dass man frühzeitig planen kann, insbesondere weil mein Mann die Woche auch unterwegs ist. Der Terminkalenderabgleich mit vier Familienmitgliedern ist manchmal eine Herausforderung für sich."

Im Vergleich zu den USA sind die europäischen IT-Admins allerdings noch im Paradies: Die US-Kollegen sind mit 77 Prozent der Befragten deutlich gestresster. Allerdings machen in den USA nur 36 Prozent der Befragten das Management für die Misere verantwortlich, deutlich weniger als in Großbritannien. Warum sich die beiden Länder so stark unterscheiden, dafür hat die Studie leider keine Antwort parat. Klar wird nur: IT-Admin scheint kein Traumberuf zu sein. Das mag auch an den Kollegen liegen.

Denn eine weitere Ursache für den Stress am Arbeitsplatz mögen auch die Nicht-ITler sein, denen die Admins zuhören und deren Probleme sie lösen müssen. Die Befragten gaben in der Studie nämlich auch Anekdoten zum Besten. So beschwerte sich laut Studie ein Nutzer dem Admin gegenüber über einen Geist im PC, als die IT sich remote einloggte, um ein Problem zu lösen (was Admins sonst noch so erleben: "Skurrile Geschichten aus dem Helpdesk").

Marktforscher Opinion Matters hat die Umfrage durchgeführt, Initiator ist der US-Sicherheitsanbieter GFI. 200 Administratoren aus den USA und 200 aus Großbritannien haben für die Umfrage über Stress im ihrem Job gesprochen. Es wurden nur Unternehmen mit mehr als 10 Mitarbeitern berücksichtigt.