Tipp vom Bewerber-Coach

"Schreib keineswegs, wie man im Fernsehen spricht"

28.01.2009 von Hans Königes
Gerhard Winkler, unorthodoxer Karriere-Coach, warnt vor Sprachschluderei in der Bewerbung.

CW: Bewerbungsanschreiben kann man manchmal nur mit Portion Humor ertragen. Worin liegt es, dass Menschen so schief und verdrechselt schreiben?

WINKLER: Wenn Leute als Treffpunkt für ein erstes Date ein Restaurant vereinbart haben, werden sie dort womöglich mit roten Backen und durchgedrücktem Rücken sitzen, die Ellbogen dicht am Körper halten, sich auch sonst um Haltung bemühen und insgesamt so steif wirken, dass es sie selber schmerzt. Aufs schriftliche Bewerben übertragen: Manche benehmen sich so, als ob sie beim Blind Date auf einmal eine Hummerzange erhalten und ein knopfäugiges, die langen Tentakel ausstreckendes Panzertier zu knacken haben. Ob auf Jobschau, ob auf Brautschau: Es ist viel wichtiger, die Distanz zu überbrücken und Vertrauen zu gewinnen, als um jeden Preis formal korrekt zu handeln.

CW: Gibt es Branchen, in denen die Stilblüten besonders wild ins Kraut schießen? Schreiben also etwa Techniker/Ingenieure besonders ungelenk und unfreiwillig komisch?

WINKLER: Je geringer der Bezug zur Unternehmenswirklichkeit oder zu einer beruflichen Praxis, desto verwegener die Argumentation: "Diese für meine geisteswissenschaftlich geschulte Denkweise neuen Arbeitsfelder finde ich sehr spannend. Sie stellen für mich eine neue Herausforderung dar, und Herausforderungen sind das, wonach ich immer wieder suche." Ingenieure, Naturwissenschaftler, Mediziner, IT-Fachleute formulieren in der Regel bündig und geradlinig. Gelegentlich gibt es auch dort den Hang zur Belehrung: "Der Transfer von Wissen zur Nutzung der technischen Systeme sollte einen ebenbürtigen Stellenwert in der IT-Dienstleistung haben." Jobanbieter wollen weder belehrt noch beschmust werden, sondern instruiert und informiert. Die Macher halten sich daran. Die Sprüchemacher halten sich an das, was sie am besten können.

CW: Welches ist Ihre Lieblingsstilblüte?

WINKLER: Ein Bewerbungshelfer reagiert eher gleichmütig auf die mit Ich-Aussagen gespickte, tägliche Eingangspost der Leser und Klienten: "Ich bin prädestiniert für die Nahtstelle der Aufgabenbereiche Programmierung und Schulung. Meine Kenntnisse bei der Entwicklung neuer Programme und Einarbeitung der Kunden sprechen für sich." Da streicht man all das Schicksalshafte und konzentriert sich auf die Einzelaufgaben, die der Bewerber in der Entwicklung und Schulung gelöst hat.

CW: Hat die Schreibunfähigkeit Jahren zugenommen?

WINKLER: Bewerbungstexter behaupten so was gern, weil es gut fürs Geschäft ist. Ich sehe, dass sich beim Bewerben auch heute fast jeder redlich müht. Über das Stümperdeutsch der sprachlich Herausgeforderten stolpert man häufiger als früher, weil Leute, die eher schreibfern aufgewachsen sind, eben wie wild im Web posten, kommentieren, empfehlen, schnacken, klönen und ihren vergorenen Senf dazugeben. Klar ist: Die Leistungselite erkennt man auch an ihrer Sprache. Der Homo faber formuliert nüchtern, aber angemessen. Sprachgewandtheit ist und bleibt ein Merkmal der echten Führungskraft.

CW: Welche Tipps geben Sie denen, die mit der deutschen Sprache ringen?

WINKLER: Ich lese nebenbei populäre Sachbücher auf Englisch und versuche, den konkreten, umstandslosen, auf Lesbarkeit ausgerichteten Schreibstil zu übernehmen. Wir sind vielleicht eine Gesellschaft von Plappermäulern geworden, und mein wichtigster Tipp ist, das Labern einzustellen. Solche Statements sind einfach nur dahingeschwätzt: "Bei diversen Umstellungen im Server- und Client-Umfeld konnte ich meine Vorliebe, im Team zu arbeiten unter Beweis stellen. Selbstverständlich arbeite ich auch zu unüblichen Zeiten." "Da ich die kundenorientierte und visionäre Philosophie von Microsoft sehr mag …" "Sie dürfen von mir sehr gute Englischkenntnisse und einen angemessenen Umgang mit Ihren Kunden und den Kollegen erwarten." Früher hieß es: "Schreib so, wie du sprichst." Heute würde ich empfehlen: "Schreib keineswegs so, wie man im TV oder Dummenfunk spricht."

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