Schöner spielen – Videogames abseits der Massenware

09.07.2007
Wird in der Öffentlichkeit über Videospiele diskutiert, dann geht es in der Regel um die so genannten Killerspiele. Dabei wird schnell übersehen, dass beim Gros der Videospiele Gewalt nicht im Mittelpunkt steht.

Der Student Hannes Bohn aus Berlin ist leidenschaftlicher Videospieler. Mehr als 700 Games zählt seine Sammlung. Bohn besitzt außerdem die wichtigsten Konsolen aus den vergangenen 20 Jahren und die dazugehörigen Spiele. Fast nie seien es Shooter, also die in Verruf geratenen Ballerspiele, die das besondere Spiel für eine Konsole darstellen, erklärt der 24-Jährige. Es seien vielmehr die sonderbaren und liebevoll gestalteten Titel, die aus der Masse herausragen. "Jede Konsolengeneration hat ihre eigenen, künstlerisch anspruchsvollen Spiele", sagt Bohn. Und selten haben diese Spiele etwas mit Waffen, Krieg oder Töten zu tun.

Bereits 1996 erschien für die Playstation 1 ein Spiel namens "PaRappa the Rapper. Bis heute gelte dieses Musikspiel über einen verliebten, rappenden Hund als einer der bekanntesten Titel für die erste Sony-Konsole, so Bohn. Niemand hätte damals gedacht, dass dieses Spiel so erfolgreich sein wird und heute in einem Atemzug mit Titeln wie "Tomb Raider" genannt wird. Und so hat Sony zum zehnjährigen Bestehen eine PaRappa-Version für die Portable Playstation (PSP) herausgebracht. Diese Veröffentlichung steht Bohn zufolge für eine gewisse Tendenz bei den Videospielentwicklern: Es gehe nicht mehr nur darum, zu zeigen, was die Konsole technisch kann, sondern darum, die Spieler mit einzigartigen Designkonzepten zu überzeugen. Dennoch sei das Spiel mit seinen schönen Grafiken eher eine Ausnahme.

"Eigentlich könnte es viel mehr von solchen kunstvollen Videospielen geben. Doch wenn Videospiele nicht dem Massengeschmack entsprechen, dann verkaufen sie sich schlechter", erklärt Lars Wittiger. Der 26-Jährige studiert an der Fachhochschule Potsdam Interface Design und beschäftigt sich in seinem Studium mit kunstvollen Videospielen. Das Problem sei, dass sich potenzielle Käufer abschrecken lassen, wenn Spiele neue Eingabemöglichkeiten haben oder einfach nur nicht so realistisch aussehen, wie sie es könnten. Dennoch seien künstlerisch ambitionierte Projekte wichtig für die Videospielindustrie.

Auch wenn sich von Videospielen mit künstlerischem Anspruch nicht so viele Exemplare verkaufen lassen wie von einem Fußballspiel, wissen die Softwarefirmen um deren Potenzial. Ein Titel ist dem Sammler Bohn in den vergangenen Jahren besonders aufgefallen: Es sei ungewöhnlich, dass Electronic Arts, immerhin die größte Videospielfirma der Welt, die viel Geld mit Fortsetzungen von massentauglichen Titeln verdient, ein Spiel wie "Katamari Damacy" auf den Markt gebracht hat. Das Spiel um einen kleinen Außerirdischen, der in einer bunten Comicwelt umherirrt, war kein finanzieller Erfolg, dafür aber ein wichtiges Zeichen für Entwickler und Konsumenten zugleich.

"Entscheidend für den Erfolg ist die Kreativität und Neuartigkeit eines Spielkonzepts", sagt Martin Lober, Pressesprecher von Electronic Arts in Köln. "Viele kunstvolle Spiele waren zunächst überhaupt nicht für den Massenmarkt gedacht und entwickelten sich erst nach und nach zu Kassenschlagern." Wichtig sei es, bei besonderen Spielen wie "Katamari Damacy" Mut zu beweisen und einen langen Atem als Publisher zu haben. "Der Markt für Spiele, die einen hohen künstlerischen Anspruch haben, ist naturgemäß kleiner als für Mainstream-Produkte", sagt Lober. Das sei nicht anders als beim Film oder in der Literatur auch.

"Das Problem ist, festzulegen, was ein kunstvolles Videospiel ist", sagt Wittiger. Künstlerisch wertvolle Spiele gebe es viele. "Katamari Damacy hat zum Beispiel eine herausragende Erzählstruktur und faszinierende Comicgrafiken." Manchmal stecke aber auch in Spielen Kunst, von denen man es nicht unbedingt vermuten würde, urteilt Wittiger: "Capcoms "Killer7" zum Beispiel ist ein extrem künstlerisch gestalteter Shooter." Doch die meisten Kritiker sehen in dem Spiel nur die Umsetzung einer blutrünstigen Fantasie und ein Spiel, das schlecht zu steuern ist.

Selbst Spiele, die im gewohnten gestalterischen Gewand daherkommen, sind meist künstlerischer, als es auf den ersten Blick scheint. "Shadow of the Colossus" für die Playstation 2 (PS2) ist ein klassisches Videospiel. Aber die Levelarchitektur, das Design und die Geschichte seien so außergewöhnlich, dass es leicht falle, von Kunst zu sprechen, sagt Wittiger. Der Titel gilt laut Wittiger neben seinem Vorgänger "ICO" als eines der schönsten Spiele für die PS2.

"Es braucht nicht immer einen großen Publisher, um ein Kunstspiel bekannt zu machen", sagt Hannes Bohn. Als Beispiel nennt er "Flow", das mehr ein Beruhigungsprogramm als ein klassisches Videospiel ist. "Mit extrem reduzierten Grafiken und tollem Sound Plankton zu vergrößern und zu verkleinern, das ist erstaunlich einfach, hat aber eine enorme Spieltiefe." Mittlerweile ist das Plankton-Spiel fester Bestandteil im Downloadservice für die Playstation 3 (PS3) und einer der erfolgreichsten Titel des Onlineangebots von Sony. Bevor "Flow" als Download im PS3-Shop angeboten wurde, ist es laut Bohn aber schon vielen Internetbenutzern als Flash-Spiel bekannt gewesen.

Laut Lober ist es selbstverständlich, auch kleinere und künstlerische Spiele zu fördern. Er sei davon überzeugt, dass in Zukunft die Medien nicht ausschließlich über die Gewaltspiele berichten werden, sondern eben auch über Kunstspiele - wenn diese durch die großen Videospielfirmen ausreichend gefördert werden. (dpa/ajf)