Ratgeber E-Mail

Schluss mit dem E-Mail-Stress

22.10.2004 von Lars Reppesgaard
Wenn das Meeting zu Ende ist, beginnt der Stress: Der digitale Briefkasten quillt mal wieder über. Die E-Mail-Flut ist derart angestiegen, dass sie nicht nur Zeit kostet, sondern Stress und Krankheit verursacht. Umso wichtiger ist der geschickte Umgang mit den Digitalnachrichten.

1. Herr über die eigene Zeit bleiben

E-Mails waren einmal dazu gedacht, Kommunikationsprozesse zu vereinfachen und zu beschleunigen. Mittlerweile ist das E-Mail-Konto jedoch vielerorts vom Produktivitätszum Belastungsfaktor mutiert. Der Info- Müll besteht nicht nur aus der zigfachen Kopie eines von einem zum anderen geschickten Reports, schalen Netz- Witzen und riesigen Datei-Anhängen oder überflüssigen Rückantworten. Hinzugekommen sind unerwünschte Werbung in Form von Spam-Mails, Angriffe auf den Rechner durch Botschaften, die Viren im Trojaner im Huckepack tragen, und Phishing-Attacken, bei denen durch Täuschungsmanöver Passwörter, Kreditkartennummern und andere sensible Informationen gestohlen werden sollen.

Neben der qualitativ neuen Belastung durch Spam, Viren- oder Phishing- Mails steigt auch die Zahl der E-Mails weiterhin explosionsartig an. Für die nächsten fünf Jahre erwartet die Meta Group eine weitere Zunahme des Mail- Volumens um jährlich zehn Prozent. Gleichzeitig werden die Erwartungen in Sachen Reaktionszeit immer größer. Während es in Deutschland derzeit noch akzeptabel ist, wenn ein Unternehmen auf eine Anfrage binnen 24 Stunden reagiert, verlangt in den USA beispielsweise der Kunde bereits innerhalb von acht Stunden eine Antwort. Das Ergebnis: Die E-Mail-Flut verursacht Stress, der im Extremfall krank machen kann, wie die Arbeitsmediziner der Universität Erlangen-Nürnberg herausfanden.

Vor diesem Hintergrund beginnt der richtige Umgang mit E-Mails im eigenen Kopf: Es ist definitiv nicht notwendig, dass alle Mitarbeiter und Manager jeder eingehenden E-Mail sofort ihre Aufmerksamkeit schenken - Support- Abteilungen und Krisenstäbe ausgenommen. Nichts kostet mehr Zeit und verursacht mehr Stress, als eine Aufgabe nur halbherzig zu erledigen, während ein Teil der Konzentration dem elektronischen Posteingang gilt. Ist das E-Mail- Programm am Desktop so konfiguriert, dass es automatisch alle paar Minuten das Postfach überprüft und neue Post per Pop-up-Fenster signalisiert, empfiehlt es sich, diese Option zu deaktivieren. Arbeitswissenschaftler raten, E-Mails zwei- bis viermal pro Tag zu bearbeiten. Dadurch lassen sich die wirklich geschäftskritischen Aufgaben konzentrierter erledigen, denn jede Unterbrechung lenkt ab und kostet Zeit. Auch das Bearbeiten der Mails selbst geht schneller, wenn nur diese Aufgabe im Fokus der Aufmerksamkeit steht.

2. Ordnung ist das halbe Leben

Wenn täglich Hunderte von Nachrichten den Posteingang verstopfen, ist es schwer, wesentliche von unwesentlichen Mails zu trennen. Noch schwerer ist es, über die meist unzureichenden Suchfunktionen der Mail- Clients wichtige Korrespondenz wiederzufinden. Deshalb empfiehlt es sich, zuerst die eingegangenen Mails in Unterverzeichnisse zu sortieren. Die meisten E-Mail-Programme bieten die Möglichkeit, zusätzliche Ordner anzulegen. In diese Unterverzeichnisse werden die Nachrichten nach kurzer Überprüfung von Absender und Betreffzeile verschoben und damit gleichzeitig priorisiert. Ziel ist es, im Posteingang keine E-Mail zu haben, deren Bedeutung nicht erkennbar ist. Möglichkeiten für Unterordner können beispielsweise „Noch zu bearbeiten“, „Heute noch beantworten“, „Wiedervorlage“, „Kunde A, B, C“ oder „Newsletter“ heißen. Nachdem die eingehenden Nachrichten in die richtigen Ordner sortiert wurden, sollte im Idealfall gelten: Jede E-Mail wird nur noch einmal angefasst. Sobald sie gelesen wurde, wird der nötige Bearbeitungsschritt vollzogen: Die Mail wird beantwortet, mit Kommentaren weitergeleitet, archiviert oder gelöscht.

3. Filter übernehmen das Sortieren

Viele E-Mail-Clients bieten die Möglichkeit, Mails automatisch zu sortieren und in Unterverzeichnissen abzulegen. Die meisten Programme bieten Filter an, die dafür sorgen, dass eingehende Nachrichten je nach Betreff, Absender oder Stichwort automatisch in einen entsprechenden Ordner verschoben werden. Der Lotus-Notes-Client enthält zum Beispiel eine Regelmaschine, die entweder durch sehr einfache Regeln (zum Beispiel „von Absender“, „enthält im Betreff“ etc.) oder umfangreiche Regeln (Nachrichtengröße > 4MB AND Absender in Domain xyz.com AND Importance = High) Nachrichten in Ordnern sortiert oder automatisch löscht.

4. Lesen lassen und markieren

Warum sollte man jede Mail und jeden Anhang öffnen, wenn es auch eine Zusammenfassungtut? Software wie „Cluegle Summaries“ fasst mithilfe dynamischer Algorithmen und der Einordnung von Schlüsselworten im Zusammenspiel mit Microsoft Outlook E-Mail-Texte und Anhänge wie Word-Dokumente oder PDF-Dateien zusammen. Beim Einsatz dieser Software ist es allerdings besonders wichtig, dass ein aktueller Virenscanner alle E-Mails prüft, bevor sie eingehen. Der Grund: Cluegle Summaries öffnet E-Mails automatisch, um sie zu untersuchen. So können ungewollt auch schädliche Codes aktiviert werden, wenn sie unerkannt ins Postfach geschlüpft sind. Nicht jede E-Mail lässt sich aber sofort beantworten, und einige Nachrichten erfordern keine sofortige Reaktion. Damit durch eine Mail angestoßene Vorgänge nicht im Geschäftsalltag vergessen werden oder im digitalen Müll in den Mailboxen untergehen, erlauben es professionelle Kommunikationslösungen wie Notes und Outlook, jede Nachricht auf Wiedervorlage zu legen. Dabei können die Priorität der Aktion, der Zeitraum und etwaige Alarmfunktionen festgelegt werden. Wie bei Kalender- und Aufgabeneinträgen warnt der Mail-Client den Anwender mit einem Bildschirmhinweis, dass eine bestimmte Mail noch der Erledigung harrt.

5. Anhänge nicht vergessen

Wer darauf vertraut, dass er ihm übersandte Studien im PDF-Format, Excel- Auswertungen oder Reports in Form von Word-Dokumenten in seinen Mail-Ordnern rasch wiederfindet, täuscht sich. Anhänge werden von den Stichwortsuchen der meisten Mail-Programme nicht durchforstet: In einer gut gefüllten Mailbox erfordert es Glück und die mühsame Durchsicht von Einzelordnern, Informationen aus Attachments aufzuspüren. Dateianhänge sollten deshalb gleich in den entsprechenden Arbeitsordnern auf dem Desktop-Computer oder im Netz gespeichert werden. So entfällt der umständliche Umweg über das Mail-Programm, wenn zum Beispiel Zahlen aus einer übersendeten Präsentation nachgeschlagen werden sollen. Wer im Nachhinein mehrere Anhänge speichern will, kann dazu ein Werkzeug wie den „Advanced Email Attachment Processor“ für Outlook einsetzen. Das Programm zieht selbstständig angefügte Dateien aus den eingegangenen E-Mails und speichert sie auf der Festplatte. Statt der Dateien selbst werden in den Nachrichten nur noch Links zu den Informationen auf dem Datenträger angegeben. Damit erspart sich der Empfänger Zeit beim Abspeichern, und gleichzeitig werden die Speicherressourcen des E-Mail- Servers geschont.

6. Vorlagen und Textbausteine für schnelle Antworten

Häufig werden im Geschäftsalltag E-Mails verschickt, die ganz oder teilweise den gleichen Inhalt haben. Es lohnt sich deshalb, Vorlagen und Textbausteine zu entwickeln. In einem eigenen Ordner „Vorlagen“ werden dazu vorgeschriebene E-Mails abgelegt. Bei Bedarf wird ihr Inhalt kopiert und als Grundlage für die zu schreibende Nachricht genutzt. Noch effizienter lässt sich dies mit einer Textbausteinsoftware erledigen. Ein Programm wie „GhostTyper XML“ hilft, Bausteine festzulegen, die sich in jedes andere Programm einfügen lassen. Outlook bietet zudem unter dem Menüpunkt „Extras/Formulare/Formular auswählen“ eine eigene Funktion an, in der einige vorgefertigte Standardtexte zu finden sind.

Allerdings ist es beim Einsatz der Texthelfer wichtig, den Kontext der Botschaft im Blick zu behalten: Nicht immer passen die vorgefertigten Texte auf die Anfragen. Kein Empfänger will mit vorgefertigten Phrasen abgespeist werden. Die besten Ergebnisse liefern individualisierte Nachrichten, die auf der Basis der Bausteine entstehen.

7. Eine an alle

Wer eine Mail einfach nur beantworten muss, hat es leicht: Jedes E-Mail- Programm generiert auf Knopfdruck eine leere Nachricht mit den richtigen Empfängeradressen. Kniffliger ist es, aus der Flut der eingegangenen EMails Adressaten individuell herauszufiltern - etwa, weil man Empfänger für ein Angebot sucht oder eine neue Projektmannschaft zusammenstellt. Zum Glück erlauben es die Adressbücher von Lotus und Outlook, allen Adresseinträgen bestimmte Kategorien - beispielsweise „Kunde“, „Entwickler“ oder „Lieferant“ - zuzuordnen. Die Suchfunktionen der Programme zeigen dann nur die Einträge mit der entsprechenden Klassifikation an. Alle in Frage kommenden Entwickler für ein Projekt sind so rasch identifiziert. Möglich ist auch, selbst neue Kategorien zu definieren, die den eigenen Geschäftsabläufen gerecht werden.

Programme wie Outlook ermöglichen es zudem, persönliche Verteilerlisten zu erstellen. Bei Outlook wird die Funktion im Menü „Datei“ über das Unterfeld „Neu“ angesteuert. Dort wird die Option „Verteilerliste“ angeklickt. So entsteht im Kontaktordner ein Bereich, in den mit der Maus beliebige Namen aus dem Adressbuch gezogen werden.

8. Versandhelfer

Werkzeuge wie die Software „G-Lock Email Processor“ nehmen dem Nutzer Routinearbeiten ab, etwa das erneute Verschicken einer Mail an einen Empfänger, dessen Konto kurzzeitig nicht erreichbar war. Ist dessen Mailbox zu voll, das Netzwerk überlastet oder das Konto als vermeintliche Spam-Versandquelle gesperrt, entscheidet die Software von sich aus, welche Konsequenz sie aus der jeweiligen Fehlermeldung zieht. Formatierhilfen entlasten die Mail- Nutzer zusätzlich, denn nicht alle E-Mail-Programme und Formate sind eins zu eins miteinander kompatibel. Die Folge sind oft unschöne Umbrüche und Füll- oder Leerzeilen in den Texten. Dazu machen nicht erkannte und durch kryptische Buchstabenkombinationen ersetzte Sonderzeichen viele Texte unleserlich. Händisch die Botschaften im Falle einer Weiterleitung oder zur Archivierung neu zu formatieren und die verloren gegangenen „ß“-, „ä“- oder „ü“-Zeichen neu einzutippen kostet Zeit. Programme wie „E-Mail Cleanser“ automatisieren die Umformatierung oder stellen die verschickte Botschaft in dem Originalzustand her, wie sie versendet wurde.

 9. Filter gegen Spam

Für den Einsatz von Spam-Filtern sind im Idealfall die Systemadministratoren zuständig, denn am wirkungsvollsten mindert eine zentral am Mail-Server arbeitende Software wie Clearswifts „Mailsweeper“ die Werbeflut an den Desktop- Arbeitsplätzen. Auch Lotus- Notes-Architekturen arbeiten mit zentral administrierten Ausschlusslisten. Hierbei wird der Server, der eine Mail auf dem Domino- Server einliefert, anhand einer Liste überprüft, ob er als Spam-Host bekannt ist.

In Unternehmen, die keine zentrale Abwehrlösung haben, sind Programme wie „Webwasher“ oder „Spamihilator“, die auf dem Desktop arbeiten, eine Alternative. Auch Outlook 2003 verfügt über einen integrierten Spam-Filter. Lotus hat sein Filtersystem, das die Mails in die entsprechenden Ordner sortiert, um so genannte Junk-Ordner ergänzt, in denen Spam-Nachrichten automatisch landen.

Alle diese Lösungen erfordern aber Aufmerksamkeit. Sie müssen durch umfangreiche Handeingaben und Klicks anhand empfangener E-Mails regelrecht trainiert werden - nicht nur, weil Spammer immer neue Tricks nutzen, um ihre Botschaften als legitime Post zu tarnen, sondern auch um die Zahl der so genannten „false positives“ so gering wie möglich zu halten. Dies sind E-Mails, die vermeintlich als Spam identifiziert wurden und deshalb aussortiert werden. Damit wichtige Geschäftskorrespondenz nicht durch einen Werbemüllblocker gelöscht wird, bietet es sich an, wichtige Mail-Kontake in eine sogenannte „White List“ einzutragen, eine Art Unbedenklichkeitsliste. So wird am effektivsten vermieden, dass die falschen Nachrichten im Filter hängen bleiben.

10. Unnötige E-Mails gar nicht erst schreiben

Ein verstopftes E-Mail- Postfach ist nicht allein die Folge von externen Faktoren wie Spammern. Auch die interne Firmenkultur hat maßgeblichen Einfluss auf das Mail-Aufkommen. Wer das Gefühl hat, sich ständig absichern zu müssen, verschickt eher überflüssige Kopien einer Mail an alle Vorgesetzten. Und wo derjenige am meisten gelobt wird, der am lautesten schreit, sind ellenlange Affirmations-Arien zu rundgesandten Konzepten häufig anzutreffen.

Schuld an den Mail-Massen sind zudem oft fehlende Kommunikationsregeln. Häufig werden E-Mails etwa als Werkzeug zum Projekt-Management eingesetzt, sind dafür aber sehr viel weniger geeignet als ein Schwarzes Brett im Intranet. (uk)