Interview SAP-Vorstand John Schwarz

SAPs BI-Strategie zwischen Umbau und Aufbruch

28.10.2008 von Sascha Alexander
Kunden von SAP-Software für Business Intelligence und Partnern wird Einiges abverlangt: Produkte sind abgekündigt, und nicht jeder Dienstleister bleibt an Bord. Immerhin verspricht die Softwareentwicklung Neuigkeiten.

CW: Herr Schwarz, vor einem Jahr kündigte SAP die Übernahme von Business Objects für 4,8 Milliarden Dollar an. Mittlerweile haben Sie eine Roadmap vorgestellt und die Unternehmen weitgehend vereinigt (siehe auch das Interview mit John Schwarz vom März dieses Jahres). Wie empfinden Sie als früherer CEO von Business Objects die Zusammenarbeit mit SAP?

Schwarz: Die Unterschiede ergeben sich durch unserer Produkte und Kunden. SAP verkauft unternehmenskritische Software mit langen Entwicklungszyklen und einer längeren Geschäftsanbahnung. BI-Software ist ebenfalls wichtig für die Unternehmenssteuerung, aber strategisch nicht derart hoch angesiedelt. Typisch sind für BO zudem kurze Produktzyklen und eine schnelle Kundenansprache.

CW: Sehen Sie auch organisatorische Unterschiede?

SAP-Vorstand John Schwarz sieht das BI-Geschäft auf Kurs und verrät erste Details zu neuen Produkten.

Schwarz: Wir haben die Integration der Organisationen und IT-Systeme abgeschlossen und führen heute das Unternehmen in seinem angestrebten Zustand.

CW: Arbeiten Sie damit auch anders als zuvor?

Schwarz: Alles ändert sich: die Produkte, die Organisation, die Prozesse im Unternehmen. Dennoch versuchen wir die Marke, die Produktlinie, und den Vertrieb von Business Objects so weit es geht zu erhalten. So kommunizieren beispielsweise unsere Mitarbeiter/Entwickler weiterhin direkt mit Kunden.

Mehr Mitarbeiter als zuvor

CW: Wurde entlassen?

Schwarz: Wir haben heute mehr Mitarbeiter als vor der Übernahme, weil wir die Teams für für Governance, Risc, Compliance (GRC) und Performance-Management von SAP übernommen haben. Aktuell sind es rund 7500 Mitarbeiter (Die Software und Mitarbeiter für das Beteiligungs-Management wurden hingegen verkauft).

CW: Wer ist für die Entwicklung des SAP Business Warehouse (SAP BW) zuständig?

Schwarz: Die SAP-Netweaver-Organisation. Wir kümmern uns nur um die BI-Anwendungen und Endbenutzerwerkzeuge.

CW: Wie haben sich die Geschäfte in den letzten Monaten entwickelt?

Umsätze bleiben konstant

Schwarz: Wir hatten auch aus Sicht der Marktbeobachter ein sehr zufrieden stellendes zweites Quartal und konnten mit Business Objects rund die Hälfte des gemeinsamen Umsatzplus von 25 Prozent beitragen.

CW: Die letzte Jahresbilanz von Business Objects als eingeständiges Unternehmen Ende 2007 war durch ein kräftiges Plus bei Lizenzeinnahmen, Wartung und Services, aber auch durch einen Gewinneinbruch gekennzeichnet. Wie war in den letzten Quartalen die Entwicklung?

Schwarz: Wir weisen die Einzelergebnisse nicht mehr aus, aber insgesamt hat sich die Ratio zwischen den einzelnen Umsatzfeldern für Business Objects seit der Übernahme nicht dramatisch verändert.

Verlieren SAP-Anwender an Einfluss?

CW: Deutsche SAP-Anwender sind besorgt, dass die Produktentwicklung für BI künftig stärker aus den USA und von BO getrieben wird und sie damit an Einfluss verlieren. Ebenso kommt heute die Mehrheit der SAP-BW-Kunden nicht mehr aus Deutschland.

Schwarz: Wir haben Prozesse, die auch lokale Kundenwünsche berücksichtigen. Ferner gibt es einen "Product Council" unter Leitung von Henning Kagermann, der regelmäßig prüft, ob die Produktarchitekturen und -strategien im Konzern aufeinander abgestimmt sind.

CW: SAP-Anwender sind dennoch besorgt, dass in der BI-Strategie die Produkte von Business Objects letztlich den Ausschlag geben.

Schwarz: Das stimmt auch. Es ist offiziell beschlossen, die SAP-BI-Produkte auslaufen zu lassen (to sunset). Das gilt insbesondere für die BEx-Clients der SAP, für die es aber noch acht Jahr Wartung gibt. Die strategischen Investitionen gehen künftig in die BI-Plattform von BO. Wir haben uns dazu entschieden, weil sich BO im Vergleich zur SAP-Software besser nutzen und installieren lässt, benutzerfreundlicher ist und eine geringere TCO hat.

Pioneer als Ersatz für BEx-Clients und Teil des BI Accelerators

CW: Im Mittelpunkt der Client-Strategie steht das "Pioneer"-Projekt?

Schwarz: Pioneer ist das neue, moderne Web-basierende Query-Interface, das SAP- und Nicht-SAP-Kunden zusammen mit Business Objects nutzen können. Es soll in zwölf bis 18 Monaten auf den Markt kommen und wird zunächst als Alternative zu allen BEx-Clients vertrieben. Zudem arbeiten wir an einer Integration von Pioneer in den "Business Intelligence Accelerator". Ziel ist ein In-Memory-Cube-Management-Tool, über das sich auf alle Daten in SAP BW zugreifen lässt.

CW: Ist dieses Produkt eine Konkurrenz zu den arbeitsspeicher-basierenden Analysedatenbanken von Applix oder Qliktech?

Schwarz: ja.

CW: Lässt sich Pioneer beispielsweise mit dem bisherigen Client "Business Objects WebIntelligence" vergleichen?

Schwarz: Nein, weil WebIntelligence in erster Linie für Abfragen auf Flat-Files und relationale Datenbanken dient, während Pioneer eine Analyse-Client für Cubes ist. Beide Produkte können nebeneinander existieren.

CW: Wird Pioneer nur für SAP BW angeboten?

Schwarz: Für SAP-Kunden ja, aber Pioneer soll auch jede andere multidimensionale Datenbank nutzen können.

Enterprise Support erhöht nicht die Lizenzkosten

CW: Viele SAP-Kunden sind über die Erhöhung der Wartungsgebühren mit "Enterprise Support" um 22 Prozent der Lizenzkosten verärgert. Inwiefern ist das BI-Geschäft betroffen.

Schwarz: Ich sehe es nicht als eine Erhöhung an, sondern als neues Serviceangebot, weil Kunden viele zusätzliche Funktionen und Support erhalten, die dem Kunden Arbeit abnehmen und ihm Kosten bei der Wartung der SAP-Anwendungen sparen hilft. Enterprise Support berührt auch das BI-Geschäft.

CW: Sie hatten bei unserem letzten Gespräch im März berichtet, dass Business Objects an einer Harmonisierung des Lizenzmodells für SAP-Kunden arbeitete, dass BO-Modell aber bewahren wollte. Sind diese Arbeiten abgeschlossen?

SAP-Vorstand John Schwarz sieht im Enterprise Support nur Vorteile für BI-Kunden.

Schwarz: Alle BO-Produkte stehen jetzt auf der SAP-Preisliste und haben harmonisierte Preise. Für Nicht-SAP-Kunden gibt es eine separate Preisliste, doch die Preise sind die gleichen.

CW: Wirkt sich Enterprise Support auf die Lizenzgebühren aus?

Schwarz: Nein.

CW: Spüren Sie einen Preisdruck durch Open Source oder Microsoft?

Schwarz: Nicht mehr als zuvor.

Partner müssen büffeln

CW: Wie weit sind denn schon BO-Partner auf SAP geschult?

Schwarz: Die meisten SAP-Partner wurden mittlerweile auf die BO-Produkte geschult, BO-Partner sind hingegen noch nicht so weit, als dass sie das SAP-Portfolio beherrschen würden. Es ist auch gut möglich, dass viele von ihnen den Umstieg nicht schaffen.

CW: Was könnte denn Partner angesichts der Produktpläne noch reizen, SAP-Software anzubieten?

Schwarz: Der Anreiz ist Umsatz. Wir haben ihnen viele Möglichkeiten geboten, sich fortzubilden und zu informieren.

CW: Aber langfristig macht es doch keinen Sinn, weiter Ressourcen für SAP-BI aufzubauen.

Schwarz: Wir fragen sie einfach, ob sie nicht zu BO hinüberwechseln wollen, und das passiert gerade.

Collaboration, Stammdaten, Planung

CW: Wo liegen neben Pioneer die Schwerpunkte in der Produktentwicklung bei BO?

Schwarz: Ein Forschungsschwerpunkt sind kollaborative Funktionen für BI, durch die sich Anwender Daten und Tools einmal online und in Echtzeit Daten und Tools teilen können.

CW: Hat dies mit der Weiterentwicklung des SAP Netweaver Portals in Richtung Web 2.0 zu tun?

Schwarz: Ja, das ist vergleichbar und wir arbeiten mit dem Netwaever-Team zusammen. Die Technik ist aktuell noch "Pre-Beta" und soll einmal zusammen mit dem Portal und im BI-Frontend angeboten werden.

Ein anderes Forschungsgebiet ist das Stammdaten-Management. Zwar verfügt SAP bereits über Angebote, doch geht es nun um eine umfassendere Lösung für CRM-, PLM-, HR- und Finanzstammdaten. SAP BW könnte hierzu beispielsweise das Repository stellen. Die die Integration, Korrelation und Reinigung der Daten erfolgt über ein neues MDM-Tool, das auf der SAP-MDM-Lösung basieren wird. Entsprechende Produkte sollen im Lauf des kommenden Jahres und 2010 auf den Markt kommen.

Das dritte Feld betrifft die Ausdehnung des Einsatzgebietes heutiger die bisher auf die Finanzabteilung beschränkten Planungswerkzeuge auf etwa den Vertrieb oder für die Portfolio- und HR-Planung.

Mittelstand als wichtige Zielgruppe

CW: Welche Rolle spielt künftig der Mittelstand? BO hatte ja vor der Übernahme an einer Mittelstands- und SaaS-Strategie gearbeitet.

Schwarz: Der Mittelstand war immer schon wichtig für uns. Rund ein Drittel der Umsätze kamen schon vor der Übernahme von dort. Das hat sich unter SAP nicht geändert. Auch liefern wir weiter diverse, für den Mittelstand geeignete BI-Pakete. Zudem wollten wir die SAP-Software "BusinessByDesign" mit einer BI-Lösung ausstatten. Aber aufgrund der Produktentwicklung und ersten Tests bei Kunden haben wir zur zeit keine Release-Pläne. Das SaaS-Geschäft ist im letzten Quartal (Crystal Xcelsius, WebIntelligence) ebenso gewachsen wie die Syndizierung von Inhalten wie Marktzahlen etwa von Thompson Financials. Genaue Zahlen für Deutschland habe ich nicht.

CW: Sehen Sie noch Lücken, die BO füllen möchte?

Schwarz: Ja, aber ich möchte derzeit nicht darüber sprechen.