Software as a Service

SAP verkalkuliert sich mit Business ByDesign

06.05.2008 von Martin Bayer
Der Hersteller muss Probleme einräumen, doch der Markt hat diese erwartet und nimmt's gelassen.

10 000 Kunden und rund eine Milliarde Euro Umsatz wollte SAP im Jahr 2010 mit seiner neuen Mittelstandslösung Business ByDesign erreichen, so die Pläne vom vergangenen Jahr. Im ersten Halbjahr 2008 sollte das Volumengeschäft anlaufen. Doch davon müssen sich die Walldorfer vorerst verabschieden. Offenbar braucht der Softwarekonzern mehr Zeit, um seine ambitionierten Ziele im Mittelstand in die Tat umzusetzen. Um zwölf bis 18 Monate müsse man die Vorgaben nach hinten verschieben, hieß es anlässlich der Bilanzpräsentation Ende April. An den selbst gesteckten Vorgaben will der Konzern indes nicht rütteln. "Die Zahlen bleiben bestehen", bestätigt Hans-Peter Klaey, Leiter des globalen Mittelstandsgeschäfts von SAP. "Wir sehen keinen Anlass, davon abzurücken."

Doch bis dahin haben die SAP-Verantwortlichen noch viel Arbeit vor sich. Vor allem technische Probleme im Betrieb der On-Demand-Software, die Kunden via Internet mieten und betreiben können, seien noch zu lösen, hieß es. Klaey räumt noch fällige Hausaufgaben ein. So benötige Business ByDesign noch einige Techniken, die erst mit der nächsten Netweaver-Version zur Verfügung ständen. Das nächste Release 7.1 der Integrationsplattform wird für Herbst dieses Jahres erwartet - ebenfalls deutlich verspätet. Darüber hinaus sei geplant, Funktionen aus dem Portfolio des im vergangenen Jahr übernommenen Softwareanbieters Business Objects in die On-Demand-Lösung zu integrieren. Nachlegen müsse SAP auch in Sachen Handling und Performance. Dabei liege der Fokus vor allem darauf, die Leistung und Schnelligkeit des Systems zu verbessern, sagt Klaey.

Hans-Peter Klaey, Leiter des globalen Mittelstandsgeschäfts von SAP: "Es gibt keinen Anlass, von unseren Vorgaben für Business ByDesign abzurücken."

Außerdem muss SAP auf die Kosten achten. Das Ziel, die operative Marge in den kommenden Jahren von derzeit 28 bis 29 Prozent auf 35 Prozent zu steigern, engt den Spielraum für Investitionen ein. So lautet auch eine Maßgabe von Vorstandssprecher Henning Kagermann, die Kosten für den Betrieb der Lösung zu senken. Im laufenden Jahr reduziert SAP seine Investitionen in Business ByDesign um rund 100 Millionen Euro. 2009 sollen keine weiteren Ausgaben für Business ByDesign anfallen. Stattdessen würden die Kosten aus dem operativen Geschäft mit der On-Demand-Software gedeckt, so der Plan der SAP-Verantwortlichen. Der Softwarekonzern erwartet sich von diesen Maßnahmen einen stärkeren Anstieg der operativen Marge, verlautete aus Walldorf.

Eckdaten Business ByDesign

Nachdem SAP bereits seit Anfang 2007 immer wieder Informationen über seine On-Demand-Lösung in der Öffentlichkeit lanciert hatte, wurde Business ByDesign offiziell am 19. September vergangenen Jahres vorgestellt. Vier Jahre lang haben rund 2000 Entwickler daran programmiert. Mit der Mietsoftware adressiert der Konzern Firmen mit 100 bis 500 Mitarbeitern. SAP zufolge fallen allein in Deutschland rund 16 000 Unternehmen in diese Kategorie. Davon bleibe ein Neukundenpotenzial von 15 000 Firmen. Weltweit taxieren die Walldorfer das Marktvolumen auf rund 1,2 Millionen Unternehmen und ein Volumen von 15 Milliarden Dollar. Die Miete liegt bei 133 Euro pro Monat und Mitarbeiter. Wer das System nur teilweise nutzt, kann einen verringerten Funktionsumfang ab 49 Euro für fünf Nutzer im Monat ordern. Der Hersteller verlangt eine Mindestlizenzierung von 25 Usern. Aktuell testen rund 150 Pilotkunden die Software. 50 Partner hat SAP eigenen Angaben zufolge für seine neue Mittelstandslösung bereits gefunden. Insgesamt wollen die Walldorfer etwa 1000 Softwarepartner mit an Bord holen, die die Software vertreiben und zusätzliche Funktionen entwickeln sollen.

SAP will nicht an der Software sparen

Allerdings werde nicht an der Software gespart, widerspricht Klaey allen Spekulationen, SAP vernachlässige die Entwicklung von Business ByDesign. Die Einsparungen resultierten daraus, dass die On-Demand-Lösung vorerst nur in den sechs Märkten China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Indien und USA an den Start gehen soll. In diesen Ländern seien die meisten bisherigen Kunden ansässig und böten sich die größten Marktchancen. Außerdem reduzierten sich dadurch die Markteintrittskosten, rechnet Klaey vor. Erst 2009 sollen weitere Länder dazukommen.

Rüdiger Spies, Independent Vice President Enterprise Applications von IDC: "SAP kann es sich nicht leisten, mit einem unreifen Produkt in den Massenmarkt zu gehen."

Trotz der offenkundigen Schwierigkeiten mit Business ByDesign hat SAP bei den Analysten noch Kredit. Zwar seien die Korrekturen ein Eingeständnis, sich verkalkuliert und etwas zu aggressiv agiert zu haben, meint Rüdiger Spies, Independent Vice President Enterprise Applications von IDC. Andererseits handle es sich bei Business ByDesign um keine herkömmliche Entwicklung, sondern um Neuland für SAP. Die Anpassungen seien daher nachvollziehbar, auch wenn sich das Projekt bereits in der Vergangenheit verzögert hatte. Außerdem könne es sich SAP nicht leisten, mit einem unreifen Produkt in den Massenmarkt zu gehen. Neben zusätzlichen Funktionen für vertikale Märkte müsse der Softwarekonzern in erster Linie an der Performance von Business ByDesign feilen, fordert der IDC-Analyst. Die Nutzer würden lange Wartezeiten nur schwer verzeihen. "Gerade im Online-Umfeld zählt vor allem die Schnelligkeit. Google hat hier den Maßstab gesetzt."

"Die ersten Resultate von Business ByDesign sind enttäuschend, aber nicht überraschend", meint Warren Wilson, Research Director von Ovum, "gerade auch wegen der technischen Herausforderungen und des komplett neuen Geschäftsmodells." Die neue SAP-Strategie sei langfristig ausgelegt, und der Konzern sollte sich dafür auch die notwendige Zeit nehmen. Da der On-Demand-Markt derzeit noch in der Entwicklung steckt, ein Wettbewerber mit einem ähnlichen Angebot nicht in Sicht ist und SAPs Kerngeschäft nach wie vor gut funktioniert, sieht Wilson darin auch kein Problem. "Der langsame Launch ist keine gute Nachricht, aber es ist zu früh, um sich deswegen Sorgen zu machen."

Anwender fordern eine bessere Performance

Auch die Business-ByDesign-Kunden lassen sich von den Verzögerungen noch nicht beunruhigen. "Das System muss funktionieren", sagt Frank Herrmann, verantwortlich für den Bereich Corporate Development bei Wima. Der Hersteller von elektronischen Bauelementen testet seit dem vergangenen Jahr als Pilotkunde die On-Demand-Lösung. Mit dem bisherigen Verlauf der Tests ist Herrmann zufrieden. Man stehe in engem Kontakt zu SAP und werde gut unterstützt. Außerdem gebe es einen Fahrplan, wann die noch benötigten Funktionen in das System eingepflegt würden.

Allerdings dürfe man den Pilotcharakter des Angebots nicht aus den Augen lassen, dämpft der Manager vorschnelle Euphorie. "Nach wie vor hakt es an einigen Stellen", moniert der SAP-Kunde. "Vor allem die Performance muss besser werden." Bei Wima ist man allerdings zuversichtlich. Im Vergleich zum Vorjahr habe sich in Sachen Leistung schon einiges getan. Die Hausaufgaben muss SAP aber noch lösen. "Wir werden keine halbfertige Software produktiv setzen", sagt Herrmann.

SaaS als Forschungslabor

SAP verspricht sich von Business ByDesign auch Impulse für die übrigen Geschäftsbereiche. Die neuen Techniken will der Konzern in das bestehende Lösungsportfolio einfließen lassen. Das werde schon 2010 signifikant zu den Umsatzerlösen beitragen, verlautete von Seiten des Herstellers. Wie das genau aussehen soll, wollen die Verantwortlichen bislang nicht verraten. Da Business ByDesign auf der gleichen Infrastruktur mit der Integrationsplattform Netweaver und dem Enterprise Service Repository (ESR) basiert wie der größere ERP-Bruder, liegen die Anknüpfungspunkte nicht weit auseinander. Hans-Peter Klaey, Leiter des globalen Mittelstandsgeschäfts von SAP spricht in diesem Zusammenhang von Side-by-side-Szenarien, von denen in nächster Zukunft noch einiges zu hören sein werde. Das deutet darauf hin, dass SAP von seinem engen Marktfokus für Business ByDesign (Firmen mit 100 bis 500 Mitarbeitern) möglicherweise ein Stück weit abrückt und die Lösung auch als Ergänzung bestehender größerer ERP-Installationen positioniert. Beispielsweise könnten Kunden ERP-Standardfunktionen, die keine Differenzierung im Markt bedeuten, via Internet mieten und nutzen. Über einen kompletten Strategiewechsel in Richtung Software as a Service (SaaS) will Klaey indes nicht spekulieren. "Es wird auch in Zukunft Kunden geben, die Software kaufen und selbst betreiben wollen."