SAP und Accenture nehmen Kliniken, Kassen und Ärzte ins Visier

22.09.2006
SAP und Accenture haben ein Pakt geschlossen, um eine gemeinsame Softwarelösung für den Gesundheitssektor zu entwickeln.

Das weltweit geltende Abkommen zwischen dem Softwareanbieter SAP und dem Dienstleister Accenture zielt auf Gesundheitsnetzwerke (Collaborative Healthcare Networks: CHN). Gesundheitsorganisationen wie Kliniken und Arztpraxen soll es mit der zu entwickelnden Lösung möglich sein, effizienter auf Patienteninformationen zuzugreifen und diese untereinander auszutauschen. Zudem soll sich die Integration in bestehende Applikationslandschaften leichter bewerkstelligen lassen.

Die neue CHN-Lösung soll auf SAPs Integrationsplattform Netweaver aufsetzen. Geplant ist das Ganze als Service-orientierte Architektur (SOA). Damit könnten die Kosten reduziert sowie durchgängige automatisierte Arbeitsabläufe zwischen allen im Gesundheitswesen beteiligten Organisationen geschaffen werden, verspricht SAP in einer offiziellen Mitteilung SAPs. Dazu zählen Arztpraxen, Krankenhäuser, Versicherungen Krankenkassen, die Pharmaindustrie sowie Apotheken.

Accenture und SAP wollen die Lösung gemeinsam vermarkten sowie technischen Support und ergänzende Dienstleistungen anbieten. Entwickelt werden soll das Produkt in dem Accenture Innovation Center in Walldorf. Mitte 2007 wollen beide Partner ihre Entwicklungen abgeschlossen haben.

Experten erwarten, dass die IT-Ausgaben im Gesundheitssektor in den kommenden Jahren rasant steigen werden. Gartner zufolge dürften die Investitionen allein im laufenden Jahr um 4,6 Prozent zulegen. Dies sei die höchste Zuwachsrate aller Branchen. Dass dieser Aufwand notwendig ist, zeigen andere Untersuchungen. Einer Studie der Fachhochschule Osnabrück zufolge tauschen nicht einmal ein Fünftel aller 335 befragten Krankenhäuser Informationen elektronisch aus. Nur acht prozent verfügten über eine digitale Patientenakte.

Auf der anderen Seite sind Krankenhäuser und Ärzte zunehmend gezwungen, wirtschaftlicher und effizienter zu arbeiten. Gesetze und Vorschriften zielen darauf ab, die Kostenexplosion im Gesundheitswesen einzudämmen. Kliniken und Praxen müssen mit immer weniger Geld auskommen. Allerdings hätten die wenigsten Einrichtungen einen Plan, wie dies geändert werden könnte, mahnen die Analysten von Booz Allen Hamilton (BAH). Daher sei in den kommenden 15 Jahren rund ein Viertel aller Kliniken in Deutschland in ihrer Existenz bedroht.

In diesem Umfeld sehen die IT-Anbieter offenbar vermehrt Chancen, ihre Lösungen an den Mann zu bringen. "Wir beobachten vor allem staatliche Initiativen, die auf eine Verbesserung des Patienten-Managements fokussieren", beschreibt Tom Shirk, President SAP Global Public Services, die Ausgangssituation. "Einrichtungen des Gesundheitswesens müssen ihre IT-Systeme für einen umfassenden Informationsaustausch optimieren", ergänzt Ken Lacey, Global Managing Partner, Accenture Health & Life Sciences Practice.

Allerdings sind SAP und Accenture nicht die einzigen IT-Anbieter, die den Braten gerochen haben. Auch andere Branchengrößen haben den Healthcare-IT-Markt ins Visier genommen. Beispielsweise hatten Microsoft und Intel schon vor Jahren eine entsprechende Initiative gestartet. Seit dem Frühjahr dieses Jahres testet die Asklepios-Klinik in Hamburg erste Ergebnisse dieser Kooperation (siehe auch: Kliniken digitalisieren ihre Patienten). Ziel ist dabei, den Klinikbetrieb und die Betreuung der Patienten effizienter zu gestalten.

Für SAP und Accenture dürfte es daher nicht leicht werden, ihre Lösung unterzubringen. Zumal der Markt nicht gerade als einfach gilt. Gesetzliche Auflagen sowie unterschiedliche Interessen aller Beteiligten machen den IT-Anbietern oft das Leben schwer. Bestes Beispiel dafür sind die schon seit Jahren schwelenden Querelen rund um die Einführung der Gesundheitskarte (siehe auch: Einführung der Gesundheitskarte wird sich verzögern, Bericht: Gesundheitskarte wird deutlich teurer).

Dass die Geschäfte mit IT im Gesundheitswesen kein Zuckerschlecken sind, hat Accenture bereits am eigenen Leib erfahren müssen. Seit Monaten steht das Mammutprojekt der National Health Services (NHS), das die Runderneuerung der gesamten IT-Landschaft im britischen Gesundheitswesen zum Ziel hat, im Kreuzfeuer der Kritik. Ständig gibt es Streit zwischen den staatlichen Auftraggebern und den Dienstleistern, die das Projekt vorantreiben sollen. Nachdem sich diese Probleme schon negativ in den Bilanzen von Accenture ausgewirkt haben, drohen die Verantwortlichen mittlerweile offen mit dem Ausstieg aus diesem Projekt (siehe auch: NHS-Deal: Accenture droht mit Ausstieg). (ba)