Umsatz steigt - Marge sinkt

SAP trimmt sein Geschäft auf Cloud-Kurs

12.01.2016 von Martin Bayer
Das SAP-Geschäft läuft. Im abgelaufenen vierten Quartal und im Gesamtjahr 2015 verbuchte der Konzern vor allem deutlich steigende Cloud-Einnahmen. Von den Gewinnmargen, wie man sie in Walldorf aus dem klassichen Lizenzgeschäft kennt, wird man sich aber wohl verabschieden müssen.

Die SAP-Verantwortlichen haben vorläufige Zahlen für das vierte Quartal 2015 und das gesamte vergangene Geschäftsjahr bekannt gegeben. Vor allem das Cloud-Geschäft lässt die Walldorfer zuversichtlich in Zukunft blicken. Zwischen Oktober und Dezember des vergangenen Jahres beliefen sich Einnahmen aus Cloud-Services und -Support auf 630 Millionen Euro. Das sind 81 Prozent mehr als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum. Im Gesamtjahr 2015 verbuchte SAP einen Cloud-Umsatz von 2,29 Milliarden Euro, mehr als doppelt so viel wie im Jahr zuvor (1,09 Milliarden Euro).

Die Geschichte von SAP
2016
Auf der Kundenkonferenz Sapphire kündigte SAP im Mai eine Kooperation mit Microsoft an. Beide Hersteller wollen künftig SAPs In-Memory-Plattform HANA auf Microsofts Cloud-Infrastruktur Azure unterstützen. Microsofts CEO Satya Nadella sagte: "Gemeinsam mit SAP schaffen wir ein neues Maß an Integration innerhalb unserer Produkte."
2016
SAP und Apple wollen gemeinsam native Business-iOS-Apps für iPhone und iPad entwickeln. Experten sehen SAPs Festlegung auf eine mobile Plattform kritisch und monieren fehlende Offenheit. Anwendervertreter reagierten überrascht und verlangten Aufklärung was die neue Mobile-Strategie bedeutet.
2015
Im Sommer verunglückt SAP-CEO Bill McDermott bei der Geburtstagsfeier seines Vaters. Er stürzt mit einem Glas auf der Treppe und verliert nach einer Operation ein Auge. Im Herbst meldet sich der US-amerikanische Manager als wieder voll einsatzfähig zurück.
2015
Im Februar stellt SAP mit S/4HANA eine neue Generation seiner Business-Software und damit den Nachfolger für die Business Suite vor. SAP definiere damit das Konzept des Enterprise Resource Planning für das 21. jahrhundert neu, pries SAP-Chef Bill McDermott die Neuentwicklung. Für den Großteil der Unternehmen dürfte das Produkt noch Zukunft bleiben, konterte die Anwendervereinigung DSAG. Die Prioritäten vieler Kunden lägen eher auf klassischen Projekten rund um das ERP-System.
2014
SAP-Technikchef Vishal Sikka gibt im Mai seinen Posten auf und wird CEO von Infosys. SAP sucht lange einen Nachfolger für Sikka, holt im November schließlich den langjährigen Microsoft-Manager Quentin Clark für diesen Posten.
2012
Die Walldorfer setzen mit dem Kauf des amerikanischen Cloud-Computing-Anbieters SuccessFactors ihren Weg ins Cloud-Geschäft fort – nachdem kurz zuvor Wettbewerber Oracle RightNow übernommen hat. Der Kaufpreis lag mit 2,4 Milliarden Euro über die Hälfte höher als der aktuelle Marktwert. Cloud-Services werden mit der SuccessFactors-Lösung vor allem im Human-Ressources-Umfeld angeboten. Außerdem schnappt sich SAP den weltweit zweitgrößten Cloud-Anbieter für Handelsnetzwerke Ariba für 3,3 Milliarden Euro.
2011
In 2011 ist das Formtief vergessen, die Walldorfer fahren die besten Ergebnisse ihrer Geschichte ein. Die Innovationsstrategie geht auf, auch wenn zwischendurch gezweifelt wurde, ob SAP seinen Kunden nicht davon-sprintet: 2011 implementieren die ersten Kunden die In-Memory-Plattform HANA, immer mehr Kunden nutzen die mobilen Lösungen, die aus dem Sybase-Deal entstanden sind.
2010
Der Paukenschlag: Hasso Plattner reißt mit dem Aufsichtsrat das Ruder herum. Der glücklose Léo Apotheker, der zuvor mit der Erhöhung der Wartungsgebühren viele Kunden vor den Kopf gestoßen hatte, muss gehen. Die neue Doppelspitze aus Bill McDermott und Jim Hagemann Snabe verspricht den Anwendern wieder mehr Kundennähe. CTO Vishal Sikka wird Vorstandsmitglied und SAP übernimmt Sybase, einen Anbieter für Informationsmanagement und die mobile Datennutzung, zum Preis von etwa 5,8 Milliarden Dollar.
2008
Mit der Erhöhung der Wartungsgebühren von 17 auf 22 Prozent und den Modalitäten des „Enterprise Support“, die viel Aufwand für die Anwender bringen, verärgert SAP seine Kunden massiv. Trotz intensiver Auseinandersetzung auf dem DSAG-Kongress bleibt SAP bei seiner Linie. Mittlerweile ist Léo Apotheker zweiter Vorstandssprecher neben Kagermann. Ende des Jahres beugt sich SAP dem Kundenwiderstand.
2008
Die größte Übernahme in der Unternehmensgeschichte: 2008 kauft SAP den Business-Intelligence-Spezialisten Business Objects für 4,8 Milliarden Euro und wird damit der bisherigen Strategie untreu, aus eigener Kraft zu wachsen. Die Integration mit der eigenen SAP-BI-Palette gestaltet sich aufwendig und wird sich über mehrere Jahre hinziehen. Die 44.000 BO-Kunden sollen dabei helfen, die Kundenzahl bis 2010 auf 100.000 zu steigern.
2007
Über viele Jahre hinweg entwickelt SAP an der SaaS-ERP-Lösung Business byDesign für kleinere Unternehmen. Rund drei Milliarden Euro wurden laut „Wirtschaftswoche“ im Entstehungsprozess versenkt. Trotz der Arbeit von 3000 Entwicklern kommt die Software Jahre zu spät. Obwohl innovativ, hat es die Lösung schwer im deutschen Markt. 2013 wird byDesign ins Cloud-Portfolio überführt.
2006
Mit „Duet“ bringen SAP und Microsoft eine gemeinsame Software auf den Markt, mit der sich MS Office einfach in SAP-Geschäftsprozesse einbinden lassen soll. 2006 wird auch die Verfügbarkeit der neuen Software SAP ERP angekündigt, die auf dem SOA-Prinzip (Service oriented Architecture) basiert.
2003
Abschied des letzten SAP-Urgesteins: Hasso Plattner zieht sich aus dem Vorstand zurück und geht in den Aufsichtsrat, Henning Kagermann wird alleiniger Vorstandsprecher. SAP stellt die Integrationsplattform NetWeaver vor, die Basis für künftige Produkte sein soll. Die Mitarbeiterzahl liegt jetzt bei 30.000.
2002
Der ERP-Hersteller will das bisher vernachlässigte Feld der KMUs nicht mehr dem Wettbewerb überlassen. Auf der CeBIT 2002 stellt SAP mit Business One eine ERP-Lösung für kleine bis mittelständische Unternehmen mit rund fünf bis 150 Mitarbeitern vor. Doch einfach haben es die Walldorfer in diesem Marktsegment nicht. Zu stark haftet der Ruf an den Walldorfern, hauptsächlich komplexe und teure Lösungen für Konzerne zu bauen.
1999
Die New Economy boomt und der E-Commerce hält Einzug bei SAP: Plattner kündigt die neue Strategie von mySAP.com an. Die Software soll Online-Handels-Lösungen mit den ERP-Anwendungen auf Basis von Webtechnologie verknüpfen. Im Vorjahr hatten die Walldorfer ihr Team um die Hälfte verstärkt, jetzt arbeiten 20.000 Mitarbeiter bei SAP. Weil die Kunden beim Umstieg mehr zahlen sollen, gibt es längere Zeit Gegenwind, schließlich werden die Internet-Schnittstellen auch im Rahmen der R/3-Wartung geboten. Derweil ist die Zentrale gewachsen.
1997
Die SAP-Anwender organisieren sich in der Deutschsprachige SAP-Anwendergruppe e.V. (DSAG), um ihre Interessen gemeinsam besser vertreten zu können. Laut Satzung ist das Ziel des Vereins die „partnerschaftliche Interessenabstimmung und Zusammenarbeit zwischen SAP-Softwarebenutzern und SAP zum Zweck des Ausbaus und der Verbesserung der SAP-Softwareprodukte“.
1997
Der ERP-Hersteller feiert sein 25. Jubiläum, zum Gratulieren kommt Bundeskanzler Helmut Kohl, der im Jahr darauf von Gerhard Schröder abgelöst wird. Der Umsatz liegt bei über sechs Milliarden Mark, das Geschäftsergebnis erstmals über der Milliarden-Grenze. Mehr als zwei Drittel werden im Ausland erwirtschaftet. SAP beschäftigt knapp 13.000 Mitarbeiter und geht an die die Börse in New York (NYSE).
1995
1995 versucht der ERP-Anbieter erstmals, in Zusammenarbeit mit Systemhäusern den Mittelstandsmarkt zu beackern. Es sollte noch einige Jahre dauern, bis sich mehr mittelständische Unternehmen auf die komplexe Software einlassen wollten. Mit knapp 7.000 Mitarbeitern erwirtschaftet SAP einen Umsatz von 2,7 Milliarden Mark, mehr als doppelt so viel wie noch zwei Jahre zuvor. Rudolf Scharping, damals noch SPD-Parteivorsitzender, kommt zu Besuch.
1993
Shake-Hands zwischen Plattner und Gates. SAP schließt ein Kooperationsabkommen mit Microsoft ab, um das System R/3 auf Windows NT zu portieren. SAP kauft zudem Anteile am Dokumentenmanagement-Anbieter IXOS. Zum ersten Mal überschreiten die Walldorfer die Milliardengrenze beim Umsatz.
1992
Seit 1992 wird R/3 ausgeliefert. Die Walldorfer hatten die Software für die AS/400 von IBM konzipiert, nach Performance-Problemen wich man auf Unix-Workstations mit Oracle-Datenbank im Client-Server-Prinzip aus. Das internationale Geschäft wächst: 1992 verdient die SAP im Ausland schon knapp die Hälfte von dem, was sie in Deutschland einnimmt. Der Gesamtumsatz beläuft sich auf 831 Millionen Mark. 3157 Mitarbeiter sind jetzt für SAP tätig.
1991
In diesem Jahr steigt Henning Kagermann (rechts im Bild), der seit 1982 die Entwicklungsbereiche Kostenrechnung und Projektcontrolling verantwortet, in den Vorstand auf.
1990
SAP übernimmt das Softwareunternehmen Steeb zu 50 Prozent und das Softwarehaus CAS komplett, um das Mittelstandsgeschäft zu verstärken. Die Mauer ist gefallen und die Walldorfer gründen gemeinsam mit Siemens Nixdorf und Robotron die SRS in Dresden. Die Berliner Geschäftsstelle wird eröffnet und SAP hält seine erste Bilanzpressekonferenz ab.
1988
SAP geht an die Börse: Hasso Plattner am ersten Handelstag der SAP-Aktie.
1987
Der erste Spatenstich: Dietmar Hopp startet 1987 den Bau der SAP-Zentrale in Walldorf.
1983
1983 zählt das Unternehmen 125 Mitarbeiter und erwirtschaftet 41 Millionen Mark im Jahr. Nach der Fibu adressiert SAP auch das Thema Produktionsplanung und -steuerung. Beim Kunden Heraeus in Hanau wird zum ersten Mal RM-PPS installiert. Im Jahr zuvor hatten die Gründer von SAP (v.l.: Dietmar Hopp, Hans-Werner Hector, Hasso Plattner, Klaus Tschira) zehnjähriges Jubiläum gefeiert.
1979
SAP setzte sich mit dem Datenbank- und Dialogsteuerungssystem der IBM auseinander: Das war der Auslöser eine die Neukonzeption der Software und Grundstein für SAP R/2. Aus den Realtime-Systemen entstand in den 70iger Jahren das Online Transaction Processing (OLTP). So sahen Anfang der 80iger Jahre die Arbeitsplätze bei SAP aus.
1976
Die Software sollte Lohnabrechnung und Buchhaltung per Großrechner ermöglichen. Anstatt auf Lochkarten wurden die Daten per Bildschirm eingegeben – das nannte sich Realtime und das „R“ blieb über Jahrzehnte Namensbestandteil der Lösungen. Weil die Software erstmals nicht nur für ein Unternehmen entwickelt wurde, sondern universeller einsetzbar war, gilt SAP als Miterfinder des Standardsoftware-Ansatzes. Aber auch der Fußball kam nicht zu kurz: Das Computerteam mit Hasso Plattner und Dietmar Hopp auf dem Feld.
1972
1972 gründen die fünf ehemalige IBM-Mitarbeiter Claus Wellenreuther, Hans-Werner Hector, Klaus Tschira, Dietmar Hopp und Hasso Plattner das Unternehmen „SAP Systemanalyse und Programmentwicklung“. Sie wollen eine Standardanwendungssoftware für die Echtzeitverarbeitung schaffen, die sich für unterschiedliche Unternehmen nutzen lässt und die Lochkarten ablöst.

Auch im klassischen Lizenzgeschäft konnten die Softwerker aus dem Badischen zulegen. Im vierten Quartal legte der Lizenzumsatz im Vergleich zum Vorjahresquartal um 15 Prozent auf 2,15 Milliarden Euro zu. Das Plus im Gesamtjahr lag an dieser Stelle bei zehn Prozent - von 4,40 auf 4,84 Milliarden Euro. Den Löwenanteil an SAPs Produktumsatz machen aber nach wie vor die Support-Erlöse aus. Diese verbesserten sich im Abschlussquartal 2015 um elf Prozent auf 2,60 Milliarden Euro, im gesamten Geschäftsjahr 2015 um 14 Prozent auf 10,09 Milliarden Euro.

Insgesamt konnte SAP mit seinem Produktumsatz aus Cloud und Software zufrieden sein. Dieser Posten belief sich im vierten Quartal 2015 auf insgsamt 5,38 Milliarden Euro, ein Plus von 18 Prozent im Vergleich zu den 4,56 Milliarden Euro im Vorjahresquartal. Im Gesamtjahr standen hier 17,22 Milliarden Euro zu Buche, 20 Prozent mehr als im Jahr zuvor (14,32 Milliarden Euro).

SAP erreicht sein selbst gestecktes Umsatzziel

Insgesamt verbuchte der größte deutsche Softwarehersteller in den letzten drei Monaten des zurückliegenden Jahres Einnahmen in Höhe von 6,35 Milliarden Euro, plus 16 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Im Geschäftsjahr 2015 waren es 20,8 Milliarden Euro, 18 Prozent mehr als im Jahr 2014. Beim Betriebsergebnis musste SAP allerdings Rückgänge hinnehmen: Im vierten Quartal um drei Prozent auf 1,7 Milliarden Euro und im Gesamtjahr um zwei Prozent auf 4,25 Milliarden Euro.

In diesem Zusammenhang könnten die höheren Kosten für den im vergangenen Jahr gestarteten Umbau und Personalabbau eine Rolle gespielt haben. Demnach sollten 2000 Mitarbeiter auf eine neue Stelle wechseln beziehungsweise ab einem bestimmten Alter mit einer Abfindung zum Gehen bewegt werden. Das Programm fand in der SAP-Belegschaft mehr Anklang als die Firmenführung erwartet hatte. Bereits für das dritte Quartal 2015 musste SAPs Finanzchef Luka Mucic mehr Kosten für den Personalumbau verbuchen. Insgesamt rechnete SAP im Herbst 2015 mit 3000 Mitarbeitern, die auf das Angebot eingehen wollten.

Mit den jetzt bekannt gegebenen Zahlen hat SAP seine selbst gesteckten Ziele zumindest in Teilen erreicht. Vor Jahren hatte die Führung in Walldorf ausgegeben, 2015 einen Umsatz von über 20 Milliarden Euro erreichen zu wollen. Die Cloud-Einnahmen sollten dazu zehn Prozent also zwei Milliarden Euro beitragen. Beide Vorgaben wurde nach den derzeit vorliegenden vorläufigen Zahlen erfüllt.

Bei der Marge muss SAP allerdings zurückrudern. Vom Ziel, bereits im vergangenen Jahr eine operative Marge von 35 Prozent zu erreichen, hatte sich der Konzern bereits seit längerem verabschiedet. Anfang 2014 hatte es geheißen, diese Marke im Jahr 2017 schaffen zu wollen. Doch davon ist man in Walldorf noch weit entfernt. Laut vorläufigen Zahlen lag die Marge 2015 bei 20,4 Prozent, 4,2 Punkte weniger als im Jahr zuvor.

Im Vergleich zu den wichtigsten Wettbewerbern habe SAP signifikante Marktanteile hinzugewinnen können, sagte SAP-Vorstandssprecher Bill McDermott.
Foto: IDGNS

Die SAP-Führung sieht sich indes auf einem guten Weg, den Softwarekonzern erfolgreich auf neue Geschäftsfelder einzustellen. Beispielsweise nehme die Nachfrage nach SAP S/4HANA weiterhin stark zu. Mit über 2700 Kunden zum Ende des Jahres 2015 sei deren Zahl im Vergleich zum Vorquartal um mehr als das Doppelte gestiegen, verlautete aus Walldorf. "Bei den Cloud- und Softwareerlösen haben wir unsere Prognose für das Gesamtjahr deutlich übertroffen", sagte Bill McDermott, Vorstandssprecher der SAP. "Im Vergleich zu den wichtigsten Mitbewerbern und Spezialanbietern konnte die SAP signifikante Marktanteile hinzugewinnen."