Rund 3,4 Milliarden Dollar zahlt der SAP-Konzern für die Akquisition des Softwarehauses SuccessFactors, das mit HR-Lösungen on Demand (Human Resource) im Cloud-Markt erfolgreich ist. Die Transaktion wurde am Samstag bekannt gegeben und soll im ersten Quartal 2012 abgeschlossen werden. Nach der Integration wird SuccessFactor-CEO Lars Dalgaard die Company als separate Geschäftseinheit im SAP-Konzern führen. Zudem steigt Dalgaard zum Chef des gesamten Cloud-Geschäfts unter dem SAP-Dach auf.
Damit wird er die Aufgabe haben, der in den vergangenen Jahren oft wechselhaften Cloud-Strategie von SAP eine eindeutige Richtung zu geben. Die SaaS-Suite "Business ByDesign" (Software as a Services) wurde mehrfach für wechselnde Zielgruppen überarbeitet. Anfangs war SAP erheblich um Abgrenzung zu den eigenen Lizenz-Softwarepaketen bemüht, um Kannibalisierungseffekte zu vermeiden. Das SaaS-Angebot wurde daher ausdrücklich für kleine und mittelgroße Firmen entworfen. Später reifte bei SAP die Erkenntnis, dass auch Großkonzerne Interesse am Cloud Computing zeigten und entsprechende Lösungen einforderten. Business ByDesign adressiert heute sowohl kleine und mittlere Betriebe, als auch Geschäftseinheiten großer Konzerne. Ingesamt konnten die Walldorfer mit ihrer bisherigen Cloud-Strategie wenig überzeugen. "Ab sofort kann die SAP tatsächlich behaupten, dass sie in der Cloud angekommen ist", lautet ein bissiger Kommentar des "Wall Street Journal" zur SAP-Akquisition.
Neben Business ByDesign hat SAP eine Reihe weiterer On-Demand-Applikationen für spezielle Funktionen entworfen, darunter etwa "Career OnDemand". Über diese HR-Cloud-Anwendung wurde bereits viel spekuliert und geschrieben, auf den Markt kam sie bislang nicht. Ob sie nach der SuccessFactors-Übernahme überhaupt noch einen Platz im SAP-Portfolio finden wird, ist fraglich. Auch im Collaboration-Segment gibt es Überschneidungen und damit Konfliktpotenzial. SAP vermarktet bislang mit der Software "StreamWork" eine Art Facebook für das Büro. SuccessFactors-Implementierung "Cubetree" verfolgt einen vergleichbaren Ansatz.
Eine neue Cloud-Strategie muss her
Doch damit nicht genug, es gibt weitere SAP-Aktivitäten, die Dalgaard in eine schlüssige Cloud-Strategie einbetten muss:
- SAPs neue River-Plattform ist eine Entwicklungs- und Laufzeitumgebung für das Design von OnDemand- und Cloud-Anwendungen.
- Die In-Memory-Computing-Plattform HANA soll Basis für sämtliche SAP-Produkte werden, fraglich ist, ob das auch für die Cloud-Lösungen gilt.
- SAP unterhält Partnerschaften mit VMware und Cisco zum Aufbau privater Cloud-Infrastrukturen.
"Das ist eine riesige Aufgabe für Dalgaard", warnte Ray Wang, Geschäftsführer des Beratungshauses Constellation Research. "Aber er hat das Cloud-Geschäft im Blut. Bei SAP haben sich bislang alte Manager daran versucht, Brücken zur neuen Welt zu schlagen. Die jetzige Konstellation könnte SAP voranbringen".
Das sieht das SAP-Management ähnlich. Voller Zuversicht kommentierte SAPs Co-CEO Bill McDermott die Transaktion. SuccessFactors, so der SAP-Manager in einem Interview, verschaffe dem Softwarehaus einen Adrenalin-Schub im Cloud-Geschäft. "Wir glauben, dass Lars der Beste ist, um unser Cloud-Geschäft zu führen." In dem Gespräch verteidigte er auch die Entscheidung, das Cloud-Geschäft mit einer großen Übernahme zu erschließen. Man habe mit der Sybase-Transaktion im Mobility-Geschäft eine vergleichbare Strategie gewählt und damit sehr gute Erfahrungen gemacht. "Ich hatte schon länger das Gefühl, dass wir diesen Weg einschlagen werden", räumte McDermott ein. "Nicht, dass wir keine eigenen fantastischen Pläne hätten, aber das Know-how rund um das Cloud-Geschäft ist sehr speziell. Wir hätten es selbst aufbauen können, wollten aber möglichst schnelle Erfolge."
Erhebliche kulturelle Unterschiede
Eine entscheidende Rolle in den Überlegungen des SAP-Managements dürften die letzten Erfolge von SuccessFactors in Großprojekten gespielt haben. So konnte die On-Demand-Company beispielsweise ein Großprojekt bei Siemens gewinnen, in dem es um die Einführung einer Personalverwaltungs-Software für die mehr als 400.000 Mitarbeiter des Münchner Konzerns ging. "Es ist eines dieser Projekte, in dem es SuccessFactors gelungen ist, SAP erfolgreich zu blocken", schilderte Wang den Hintergrund. "Und es ist nach wie vor eine der größten Cloud-Installationen." Die besondere Aufgabe in diesem Projekt besteht in der Skalierung der Lösung. In der Regel greifen die Siemens-Mitarbeiter eher selten auf die SuccessFactors-Installationen zu, vermutlich sogar nur einmal im Monat. Dennoch müsse die Cloud-Umgebung so gestaltet sein, dass sie einem unerwarteten Ansturm aller Mitarbeiter standhalte, betonte Wang. In einem Interview ging SuccessFactors-CEO Dalgaard insbesondere auf diesen Punkt ein: "Wir haben unsere Multitenancy-Architektur so gestalten, dass wir auf Spitzenlasten vorbereitet sind." Im Vergleich zu anderen SaaS-Anbietern benötige SuccessFactors dazu weniger umfangreiche Hardware-Installationen.
Die Herausforderung für Dalgaard wird künftig darin bestehen, sich und sein Team in den SAP-Konzern zu integrieren. Er wird Entscheidungen nicht mehr im kleinen Kreis treffen können, sondern sich mit gestandenen Managern aus anderen Abteilungen innerhalb einer großen Organisation abstimmen müssen. Das ist auch deshalb eine besondere Aufgabe, weil die beiden Unternehmen unterschiedliche Kulturen pflegen. "SuccessFactors ist ein Top-down-geführtes Unternehmen, während bei der SAP Entscheidungen im Konsens getroffen werden", beschreibt Wang die Unterschiede. Immerhin kann sich SuccessFactors-Chef Dalgaard der Rückendeckung des obersten SAP-Managements sicher sein: "Sobald Lars sich eingearbeitet hat, wird er sehen, was er mag und was nicht. Er wird sagen, wo es lang geht", betonte McDermott. Dazu passend empfahl SAP-Gründer Hasso Plattner in einer Pressemitteilung Dalgaard für den Vorstand. Das kam bei dem Umworbenen offenkundig sehr gut an. SAPs Führungsteam hat sich "unglaublich offen und partnerschaftlich gezeigt", freute sich Dalgaard. "Ich habe nicht das Gefühl, dass ich mich auszahlen lassen sollte. Dafür habe ich zuviel Spaß an meinem Job."
In einer Pressemitteilung fasste SAP die Auswirkungen für SAP-Kunden folgendermaßen zusammen:
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Die Kombination von SuccessFactors und SAP schafft eine umfassende HCM-Lösung, die die Stärken von Unternehmensanwendungen und mitarbeiterfokussierte Cloud-Anwendungen vereint.
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Die komplementären Lösungen von SuccessFactors stellen eine attraktive Alternative für mehr als 500 Millionen Mitarbeiter von SAP-Kunden dar.
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Die Applikationen von SuccessFactors wurden für Unternehmen jeglicher Größe entwickelt und bieten schnell einführbare Lösungen für Kunden von SAP Business Suite, SAP Business ByDesign, SAP Business All-in-One und SAP Business One.
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Das Fachwissen von SuccessFactors, die schnellen Cloud-Innovationen und der Erfolg bei umfangreichen Cloud-Implementierungen wird SAP-Kunden helfen, Cloud-Applikationen noch schneller einzuführen.
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Die mobilen Anwendungen von SuccessFactors in Verbindung mit dem Mobility-Lösungsangebot von SAP und Sybase wird Kunden ein leistungsfähiges „B2E“("von Unternehmen zu Mitarbeitern")-Mobilitäts-Portfolio bieten.
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Der Fokus von SuccessFactors, Einblick in die Unternehmensentwicklung und Umsetzung von Strategien zu ermöglichen, ergänzt die Business Analytics Plattform der SAP. Dadurch wird eine neue Ebene für Entscheidungen in Echtzeit über das gesamte Unternehmen hinweg erreicht.
Einige Fakten zum Deal
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SuccessFactors wächst schnell. Die Analysten von PAC nennen eine Wachstumsrate von 50 Prozent pro Jahr.
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Das Unternehmen nahm im vergangenen Geschäftsjahr 206 Millionen Dollar ein. Der Nettoverlust belief sich auf 12 Millionen Dollar. In den vergangenen fünf Jahren summierten sich die Verluste auf insgesamt fast 200 Millionen Dollar.
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Erst im Oktober 2011 hatte SuccessFactors ein Wachstum von rund 75 Prozent auf etwa 95 Millionen Dollar Umsatz im dritten Quartal in Aussicht gestellt. Zudem kündigte das Unternehmen schwarze Zahlen an.
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Der Umsatz soll sich bis Ende 2012 auf 400 Millionen Dollar verbessern.
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Die SaaS-Company hat laut PAC-Zählung insgesamt rund 3.500 Kunden mit 15 Millionen registrierten Nutzern. Zum Vergleich: Salesforce kommt zwar auf 87.000 Kunden, hat jedoch nur rund zwei Millionen registrierte Nutzer.
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Bis 2015 peilt SAP eine Marge von 35 Prozent, um zu Wettbewerbern wie Oracle, Microsoft und IBM aufschließen zu können. 2010 belief sich die operative Marge noch auf 31 Prozent.
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Das Umsatzziel für 2015 korrigierte SAP nach der Übernahme von 20 Milliarden Euro auf 21 Milliarden Euro nach oben.