SAP macht Geheimnis aus neuem Preismodell

26.07.2005 von Martin Bayer
Die alten Abrechnungsverfahren funktionieren für Service-orientierten Lösungen nicht mehr. Ab 2007 müssen daher neue Metriken her.
SAP-Vorstandssprecher Henning Kagermann. Neues Preismodell geplant?

"Im Laufe des Jahres 2007 wird es eine neue Preisliste von SAP geben", glaubt Nils Niehörster, Geschäftsführer des Beratungshauses Raad Consult. Das Preismodell werde ein grundsätzlich anderes sein als das bestehende. Wie Niehörster erfahren hat, plant die SAP, im Rahmen ihrer Ausrichtung auf die Enterprise Services Architecture (ESA) den Kunden künftig einzelne Prozesse zu verkaufen. Beispielsweise könnten Anwender in diesem Modell Vorgänge wie Rechnungseingangsprüfung oder ein Lieferantenarchiv erwerben. Für diese würden wie bisher auch Lizenz- und Wartungsgebühren fällig. Der Preis für diese Softwarehäppchen wird sich Niehörster zufolge nicht mehr nach der Zahl der Nutzer richten, sondern daran, welchen Wert die einzelnen Prozesse für den Kunden haben.

SAP arbeitet seit nunmehr zwei Jahren an einem grundsätzlichen Umbau seiner Softwarearchitektur. Das Grundgerüst für die Service-oriented Architecture (SOA) bildet die Business Process Platform (BPP). Mit Hilfe der darin enthaltenen Integrationsplattform Netweaver sollen die SAP selbst, Partner und Anwender zügig Softwarebausteine entwickeln, um Geschäftsprozesse mit den notwendigen Applikationsmodulen unterlegen zu können. Derzeit definieren die Walldorfer die verschiedenen Enterprise Services. Das sind auf einzelne Geschäftsprozesse zugeschnittene Web-Services, die SAP in einem Repository zusammenfassen und seinen Entwicklungspartnern zur Verfügung stellen will. Der Service-Container fasst bisher rund 500 Einträge.

Dann wird SAP seinen Kunden auch ein neues Preismodell präsentieren müssen, meint Niehörster. Das aktuelle Named-User-Modell, in dem die Nutzer je nach ihrer Rolle im Unternehmen auf stark modularisierte Softwaresysteme zugreifen, die sich aus vielen Bestandteilen unterschiedlicher Hersteller zusammensetzen, passt nicht mehr in diese Service-orientierte Welt.

Problematisch dürfte werden, dass ein einzelner Prozess für verschiedene Industrien eine unterschiedliche Wertschöpfung bietet. So bedeutet ein Procurement-Vorgang für einen herstellenden Betrieb etwas ganz anderes als für einen Finanzdienstleister. Dementsprechend dürften die Preise von Branche zu Branche unterschiedlich ausfallen. SAP plant damit ein noch komplizierteres Preismodell, das zudem noch viel individueller ausgerichtet ist, warnt Niehörster. "Das wird ganz schwer für die SAP zu erklären."

Auch Helmuth Gümbel, Analyst von Strategy Partners, befürchtet, dass SAPs Lizenz- und Preismetriken für die Anwender noch undurchsichtiger werden. Nachdem der Softwarekonzern mit der Einführung von R/3 versucht habe, sein Preismodell mit der Einführung des Named User strikt zu vereinfachen, hätten sich über die Jahre hinweg zirka 20 unterschiedliche Lizenzmetriken in die Preisliste eingeschlichen. Beispielsweise werde im Automobilsektor nach produzierten Teilen abgerechnet, im Finanzsegment nach der Zahl der Transaktionen.

In diesen Modellen vermisst SAP die Systeme alle Vierteljahre und stellt daraufhin eine Rechnung, berichtet Gümbel. Für die Kunden ist dieses Vorgehen insofern problematisch, als die Kosten kaum im Vorfeld zu kalkulieren und damit zu budgetieren sind. Wenn SAP diese Metriken weiter ausbaue und seine Preise am Geschäftserfolg seiner Kunden bemesse, seien zudem Konflikte programmiert. Kaum ein Anwender dürfe darüber begeistert sein, SAP über Gewinne und Auftragsvolumina in Kenntnis zu setzen.

Wie die Messungen künftig erfolgen sollen, ist allerdings noch nicht klar. Gümbel zufolge ist schon heute eine Art Zähler im "Solution Manager" integriert, der als Standardkomponente mit Netweaver ausgeliefert wird. Die Anwender müssten unbedingt darauf achten, auf keinen Fall mehr für ihre SAP-Lösung zu zahlen als bisher, empfiehlt der Analyst. "Notfalls sollten sie sich das vertraglich festschreiben lassen."

Eine SAP-Sprecherin bestätigte grundsätzlich, dass an einem neuen Konzept gearbeitet werde, ohne dieses jedoch genauer zu spezifizieren. Zunächst werde es Anfang August eine neue Preisliste geben. Darin seien in erster Linie Ergänzungsprodukte eingepflegt. Von Änderungen des Preismodells könne zum jetzigen Zeitpunkt aber keine Rede sein. Auf Anwenderseite kann momentan kaum ein Kunde absehen, wohin SAP mit seiner Preispolitik steuert. Insider-Informationen zufolge testen die Walldorfer derzeit mit einigen wenigen ausgewählten Pilotanwendern, wie ein neues Softwareabrechnungssystem funktionieren könnte. Weitere Kreise scheinen diese Bemühungen bislang nicht gezogen zu haben. Die nach eigenen Angaben unabhängige Deutschsprachige SAP Anwendergruppe (DSAG) wollte keine Stellungnahme zu den aktuellen Plänen der Nachbarn in Walldorf abgeben.