Teure ERP-Wartung

SAP-Kunden überdenken Investitionen

24.09.2008 von Frank Niemann
Wie kaum ein anderes Thema hat der "Enterprise Support" die Gemüter der SAP-Nutzer erhitzt. Sie wollen den Softwarekonzern dazu bewegen, die bisherige Strategie zu ändern. Manche Kunden wollen geplante Projekte auf Eis legen, andere schauen sich nach Alternativen zu SAP um.

Geht es nach der SAP, dann bietet der Enterprise Support den ERP-Nutzern zahlreiche Vorteile. Eingesehen hat dies bislang aber noch keiner von ihnen. Was einige maßlos ärgert, ist, dass der Konzern ihnen Wartungs- und Supportdienste vorschreibt, die sie nicht brauchen (siehe auch: "SAP verteidigt teuren ERP-Support"). Zugleich wird für sie der SAP-Betrieb deutlich teurer: Innerhalb der nächsten vier Jahre soll die jährlich zu zahlende Wartungsgebühr von heute 17 auf 22 Prozent steigen.

Die Deutschsprachige SAP-Anwendergruppe (DSAG) hatte auf ihrer laufenden Jahrestagung SAP aufgefordert, die Pflicht zum Enterprise Support fallen zu lassen. Hatte die Anwendervereinigung bisher zumindest bei ihren öffentlichen Verlautbarungen eher behutsam agiert, macht sie nun ihre Forderungen gegenüber SAP sehr deutlich.

Diskussionen gehen trotz Abfuhr weiter

Genutzt hat es bislang nichts: Der Softwareanbieter erteilte den Kunden eine Abfuhr. Co-CEO Henning Kagermann kündigte den SAP-Nutzern auf der Leipziger Konferenz an, vom eingeschlagenen Weg nicht abzurücken. Resignieren will die DSAG indes nicht. "Das war nicht das letzte Gespräch zu diesem Thema, die Diskussionen fangen gerade erst an", so Karl Liebstückel, Vorstandsvorsitzender der DSAG. "Wir werden geeignete Maßnahmen ergreifen", ließ er durchblicken, ohne jedoch näher zu beschreiben, worum es sich dabei handeln könnte. "SAP wird so klug sein, auf ihre Kunden zu hören", sagt der Leiter der Anwendervertretung.

R/3-Migrationsprojekte werden verschoben

Die SAP-Strategie in Sachen Wartung hat bei den Kunden deutliche Spuren hinterlassen. Unternehmen, die in SAP bisher einen Partner sahen, sind enttäuscht. Da höhere Kosten auf sie zukommen, überdenken sie ihre IT-Pläne. Beispielsweise verschieben nach Angaben der DSAG einige Anwender die bereits geplante R/3-Ablösung. Ebenso legen Firmen den Erwerb zusätzlicher SAP-Softwarelizenzen auf Eis. Neukunden von SAP-Produkten sowie Nutzer, die weitere Lizenzen ordern, zahlen für diese Produkte sofort einen Wartungssatz von 22 Prozent.

Investitionen bei SAP-Konkurrenten

Nach Angaben von DSAG-Chef Liebstückel überlegen einige Unternehmen zudem, ob sie überhaupt noch weitere SAP-Produkte erwerben. "Langfristige Re- und Neuinvestitionen gehen eher in Richtung von Drittlösungen", so Liebstückel.

Für Großfirmen könnte sich der Support verschlechtern, fürchtet der stellvertretende DSAG-Vorstandsvorsitzende Andreas Oczko.
Foto: Oczko

Vor allem der Mittelstand ist von der Wartungserhöhung betroffen. Wer mehr als fünf Millionen Euro an Wartungsgebühren im Jahr zahlt, ist davon ausgenommen. Das heißt aber nicht, dass die Konzerne fein raus sind, meint die DSAG. "Auch Großfirmen, die von Enterprise Support nicht betroffen sind, stellen das Konzept in Frage", erläutert Liebstückels Stellvertreter Andreas Oczko. Die Konzerne befürchten, dass sich ihr Support verschlechtern wird.

Mehraufwand für die ERP-Anwender

Enterprise Support bedeutet aus Sicht der Nutzer jedoch nicht nur mehr Kosten für Leistungen, die sie nicht benötigen. Zusätzlich verlangt das neue Supportkonzept vom Kunden Vorleistungen. Dazu zählt, dem Support-Center des Softwarekonzerns eine detaillierte Prozessbeschreibung der eigenen IT-Landschaft abzuliefern, und zwar auf Englisch. "Das ist mitunter sehr aufwändig und geht nur in Zusammenarbeit mit den Fachbereichen", gibt Gunther Reinhard zu bedenken, der in der DSAG den Mittelstand vertritt (siehe auch "Interview mit Gunther Reinhard"). Diese Dokumentation ist für den SAP-Support erforderlich, um die Prozesse des Kunden im Störungsfall besser verstehen und Lösungen rascher finden zu können. Als technische Plattform benötigen die Firmen zudem das System-Management-Tool "Solution Manager". Das obligatorische SAP-Programm wurde um Module für den Enterprise Support erweitert, die der Kunde einführen und aktivieren muss.