Urteil oder Vorurteil

"SAP kostet auf jeden Fall zu viel"

09.10.2008
SAP ist das bekannteste Softwareunternehmen für betriebswirtschaftliche Standardsoftware. Dies gilt auch im Segment der Non-SAP-Kunden im deutschen Mittelstand, wie eine Befragung von RAAD im deutschen Mittelstand bei über 2000 IT-Verantwortlichen in Non-SAP-Unternehmen mit einer Größe von 100 bis 2000 Mitarbeitern ergab.

Die Markenbekanntheit der SAP liegt hier bei 100 Prozent, was zwar ein erwartungsgemäßes, aber doch erstaunlich gutes Ergebnis ist. Und vielleicht eine gute Ausgangslage für ein erfolgreiches Geschäft der SAP im Mittelstand. Nun ist aber bekanntlich Quantität nicht immer auch gleich Qualität und nicht jeder IT-Leiter der SAP kennt, mag die SAP. Deshalb hat RAAD auch die Qualität untersucht, also die Urteile und Vorurteile über SAP hinsichtlich Preis, Branchen- und Mittelstandseignung.

SAP-Preise: bekannt vs. gefühlt
Foto: Computerwoche/RAAD

Nahezu unabhängig von der Frage, ob sich die Unternehmen bereits einmal mit SAP beschäftigt haben, ist der Preis ein Hauptaspekt und ein großes Hemmnis im Umgang mit SAP. 61 Prozent der befragten Non-SAP-Unternehmen bewerten SAP als sehr teuer, dabei geben nur 15 Prozent an, die SAP-Preismodelle gut zu kennen. In den meisten Fällen wird der Preis daher eher gefühlt bewertet, nach dem Motto: "Ich habe keine Ahnung wie viel SAP kostet, aber es ist auf jeden Fall zuviel." Sicherlich muss hier noch Überzeugungsarbeit geleistet werden, denn einigen, auch wenn sie SAP als teuer bewerten, scheint es den Preis wert zu sein.

Aber auch in anderen Bereichen gibt es noch Vorurteile. So erachtet die Hälfte der Unternehmen SAP als nicht geeignet für die eigene Branche. Allerdings gibt es hier noch Unterschiede zwischen den Branchen und immerhin bewerten 23 Prozent der Befragten die Brancheneignung wiederum als geeignet bis sehr geeignet.

Die Mittelstandskompetenz ist ebenfalls ein Punkt, an dem die SAP bezüglich ihres Images noch arbeiten muss. Über die Branchen hinweg eher einig sind sich die Unternehmen in der Bewertung, über 55 Prozent sehen den Kompetenzbeweis hier nicht erbracht und trauen der SAP keine oder nur geringe Mittelstandskompetenz zu. Ein Fünftel ist dagegen positiv der SAP-Mittelstandeignung gegenüber eingestellt.

Eignung von SAP
Foto: Computerwoche/RAAD

Insgesamt zeigt sich, wie differenziert man den Mittelstandsmarkt mit seinen Herausforderungen tatsächlich bewerten muss und gerade für große Unternehmen, die aktuell noch mit einem mittelstandsfernen Image kämpfen, müssen sich nunmehr neu positionieren. Denn klar ist, dass diese Unternehmen beileibe keine white spots in Bezug auf die IT sind. Jahrelang waren es vor allem kleine regionale oder stark branchenorientierte Anbieter, die insbesondere im unteren Mittelstandssegment Geschäft gemacht haben (im Rahmen der Befragung Ende 2007 wurden weit mehr als 100 unterschiedliche Hersteller von den IT-Leitern genannt). Im gehobenen Mittelstand dagegen tummelten sich schon seit Jahren die mittelgroßen Anbieter mit generischen Lösungen über mehrere Branchen, aber immer noch mit einer stärkeren regionalen Fokussierung.

Um sich hier zu positionieren, müssen sehr mittelstandsspezifische Aspekte berücksichtigt werden. Mittelständische Unternehmen können allein aus Budgetgründen nur selten eine so aufwändige Produktrecherche betreiben wie große Unternehmen. Auch ist das interne IT-Know-how zumeist deutlich stärker im operativen Tagesgeschäft gebunden, eine stark strategische Ausrichtung der IT-Abteilung ist hier noch selten zu beobachten. Zumeist ist in diesem Segment die Geschäftsführung Entscheidungsträger in Bezug auf IT-Investitionen, aber nur selten spricht die Geschäftsführung "IT". Es gilt in der Konsequenz: der Softwareanbieter bzw. Dienstleister sollte in diesem Segment noch stärker selbst den Übersetzer von Businessanforderungen und Technik spielen.

Skepsis gegenüber Beratern

Informationen müssen einfach aufbereitet sein und Funktionen klar beschreiben, um zu ermöglichen, dass die kundeninterne Checkliste schnell mit "kann die Software" abgehakt werden kann. Erst dann wird sich der Kunde näher mit der Software auseinandersetzen und Vertriebsberater einladen wollen. Schließlich kennt das Unternehmen die eigenen Bedürfnisse am Besten und insbesondere im Mittelstand ist die Skepsis gegenüber den Beratern, die ohne zuzuhören dem Geschäftsführer erklären wollen, wie sein Business zu funktionieren hat, deutlich ausgeprägt. Geschäft im Mittelstand ist viel stärker als bei größeren Unternehmen "people business".

Wenn in Großunternehmen eine Projektgruppe den standardisierten Richtlinien bei Investitionsentscheidungen folgt, hat die persönliche Beziehung zum Dienstleister oder Anbieter sicherlich einen geringeren Einfluss als in einem mittelständischen Betrieb. Ein in diesem Zusammenhang ebenfalls wichtiger Aspekt ist die Lokalität des Anbieters bzw. der Dienstleister. SAP und den Partnern wird dieses auch heute noch teilweise abgesprochen. Ein Mittelständler, auch wenn er selbst im Zuge der Globalisierung international operiert, will dennoch einen kompetenten Partner vor Ort, dem auch die regionalen Umstände, unter denen das Unternehmen agiert, bekannt sind. So wird auch ein kleines Unternehmen zum Key-Account mit allen Vorteilen! (RAAD Research/ lex)

RAAD Research GmbH

Beratungsschwerpunkt: RAAD Research erstellt Marktstudien und Analysen im Umfeld von betriebswirtschaftlicher Standardsoftware. Die relevanten Markttrends in Bezug auf Softwaresysteme, Infrastruktur und IT-Dienstleistungen werden durch empirische Marktforschung auf wissenschaftlich fundierter Basis ermittelt, analysiert und verständlich aufbereitet.