SAP knüpft sein Netz für ESA

28.09.2005 von Martin Bayer
Um seine Enterprise Services Architecture auszubauen, sucht SAP weitere Partner. Doch trotz aller Bemühungen um eine Community zögern die Anwendern noch, sich auf ESA einzulassen. Meist bleibt es bei Experimenten.

Hier lesen Sie ...

  • wie SAP seine Enterprise Services Architecture (ESA) weiterentwickeln will;

  • was Partner und Kunden zu ESA beitragen sollen;

  • welche Rolle eine ESA-Community künftig spielen soll.

Die Kunden fragen sich, wie sie das Konzept der Enterprise Services Architecture (ESA) in ihren IT-Alltag umsetzen können", beschreibt Shai Agassi, President Product and Technology Group der SAP, die derzeit meist gestellte Forderung an das deutsche Softwarehaus. Nach wie vor geben sich die SAP-Verantwortlichen zuversichtlich, ihre Klientel von den Vorteilen der neuen Softwarearchitektur überzeugen zu können. Immer mehr Kunden würden auf das ESA-Konzept und die dazugehörige Integrationsplattform Netweaver umschwenken, bilanzierte der SAP-Vorstand Agassi zu Beginn der Kundenveranstaltung Teched 05, die vom 21. bis 23. September in Wien stattfand. 1500 Netweaver-Referenzkunden gebe es bereits. "Täglich kommen fünf neue hinzu."

Seit nunmehr fast zweieinhalb Jahren propagieren die SAP-Verantwortlichen mittlerweile mit ESA ihre Interpretation einer Service-orientierten Architektur (SOA). Im Zentrum steht dabei die Business Process Platform (BPP), die sich im Wesentlichen aus der Integrationsplattform Netweaver und einem Repository für Enterprise Services zusammensetzt. Anwender sollen künftig einzelne Geschäftsprozesse, deren Definition als Enterprise Service im Repository hinterlegt ist, mit verschiedenen Softwaremodulen abbilden können. Die Entwicklung dieser Applikationskomponenten, die sich beliebig kombinieren lassen sollen, werde SAP zufolge zügiger und effizienter funktionieren. Angesichts der stetigen Veränderungen der Geschäftsprozesse benötigten die Unternehmen eine flexible IT-Infrastruktur, lautet die Begründung für den Umbau ihrer Softwarearchitektur.

Noch steckt SAP mitten in den Bauarbeiten. Zwar stehe das Gerüst einer SOA mit der entsprechenden Infrastruktur, erläutert Agassi. "Das ist aber nicht genug." Zusätzlich sei eine einheitliche Sprache notwendig, mit der Geschäftsprozesse in den Unternehmen definiert werden könnten. Agassi verglich die Situation mit dem weltweiten Telekommunikationsnetz. Auch hier funktioniere die Infrastruktur. Wenn jedoch der Teilnehmer am einen Ende der Leitung englisch spreche, sein Gesprächspartner aber chinesisch, nutze die beste Infrastruktur nichts, wenn sich beide nicht verstehen.

Geschäftsprozesse beschreiben

Dieses Problem will SAP mit einem Enterprise Service Repository lösen. Hier sollen Definitionen verschiedenster Geschäftsprozesse abgelegt werden, auf deren Basis später der Anbieter, Partner und Kunden Softwaremodule entwickeln könnten. Momentan lägen bereits 500 dieser Services vor, resümiert George Paolini, Executive Vice President für das Platform Ecosystem der SAP. Zunächst sollen vor allem horizontale, Abläufe definiert werden.

SAP schließt weitere Bündnisse



SAP hat auf der Kundenveranstaltung Teched in Wien eine Reihe weiterer Kooperationen angekündigt. Gemeinsam mit IBM schnüren die Walldorfer ein Analysepaket. Darin enthalten sind die "High-Perfomance-Analytics"-Tools aus SAPs Integrationsplattform Netweaver sowie IBM-Hardware, bestehend aus Blade-Servern und "Totalstorage"-Speichersystemen. Anwender sollen damit Unternehmensdaten effizienter auswerten können. Siemens will mit SAP eine Identity-Management-Lösung entwickeln. Demnach wird das Tool "Hi Path SI curity DirX Identity" an SAPs Netweaver-Plattform angepasst. Ausbauen will SAP zudem die Adaptive-Computing-Funktionen seiner Integrationsplattform. Im Rahmen dieser Initiative kooperieren die Walldorfer bereits mit Hardwareanbietern wie EMC, Network Appliance, Sun Microsystems und Unisys. Künftig sollen Anwender damit ihre Hardwareressourcen unter Netweaver effizienter nutzen können. Für das "Enterprise Services Architecture Adoption Program" hat SAP mit Atos Origin einen weiteren Service-Partner gewonnen. Mit dieser Initiative hilft SAP den Kunden beim Bau von Service-orientierten Architekturen (SOA).

Später würden auch verstärkt vertikale, branchenspezifische Services einfließen. Am Ende könnten alle Beteiligten aus einem Reservoir von bis zu 10000 Prozessbeschreibungen schöpfen. Bedenken wegen der hohen Zahl hat der SAP-Manager nicht. Mit Zertifizierungen und klaren Regeln, wer Services ablegen dürfe und wie diese zu nutzen seien, sorge SAP dafür, dass dieses Servicelager handhabbar bleibe.

Um den Prozess weiter voranzutreiben, wollen die Walldorfer verstärkt Partner und Kunden einbinden. Mit Hilfe einer Community rund um ESA soll die Entwicklung beschleunigt sowie die Unterstützung für die eigene Plattform gesichert werden. Seit dem Frühjahr 2005 arbeitet SAP an dem Partnernetz rund um ESA. Auf der Kundenveranstaltung Sapphire in Kopenhagen hatte das Softwarehaus zahlreiche Kooperationen mit IT-Anbietern wie Adobe, Cisco, EMC, Intel, Microsoft und Symantec angekündigt. Agassi zufolge haben bereits 172 Partner Netweaver-Technik lizenziert. Bis Ende 2006 soll sich die Zahl der Hersteller, die das Logo "Powered by SAP Netweaver" beziehungsweise "ES ready" (Enterprise Services) auf ihre Produkte kleben dürfen, auf 1000 erhöhen.

"Science Fiction" im Bauchladen In einem Punkt seien die Teilnehmer der Teched klüger als diejenigen, die zur parallel stattfindenden Oracle-Veranstaltung Open World nach San Francisco gereist seien (siehe Seite 5), begrüßte SAP-Vorstand Shai Agassi sein Publikum in Wien. "Sie glauben nicht an Science Fiction." Die Nachbeben des jüngsten Oracle-Deals - die Übernahme von Siebel - waren auch in der österreichischen Hauptstadt noch zu spüren. Oracle kaufe alle Anbieter, die nicht schnell genug auf den Baum kämen, beschreibt SAP-Marketier Peter Graf die Strategie des Konkurrenten. An eine effiziente Integration des von Oracle zusammengekauften Bauchladens glaubt er indes nicht. Mit größerem Respekt spricht Graf dagegen vom Wettbewerber Microsoft. Man müsse ernst nehmen, was aus der Microsoft-Zentrale in Redmond dringe. Die erneut aufkeimenden Spekulationen über einen Merger von SAP und Microsoft wollte Graf nicht kommentieren. "SAP hat zu diesem Thema alles gesagt, was zu sagen ist." Im vergangenen Jahr war durchgesickert, dass beide Softwareanbieter über eine Fusion verhandelt hatten. Die Gespräche waren jedoch ergebnislos beendet worden.

SAP werde seine Plattform mit anderen IT-Anbietern entwickeln und teilen, verspricht Paolini, der innerhalb der SAP für den Ausbau der Community verantwortlich zeichnet. Das sei zwar eine riskante Strategie, räumt er ein. Er habe aber noch kein Unternehmen gesehen, das so überzeugt von seiner Vision sei, gibt sich der ehemalige Sun-Manager optimistisch, der noch bis März des Jahres maßgeblich am Aufbau der Java-Community beteiligt gewesen war.

Ökoysteme statt Software

"Konkurrenz ist völlig normal", trotzt auch Peter Graf, Executive Vice President Solution Marketing von SAP, dem drohenden Wettbewerb. Es werde Softwarepartner geben, die bestimmte Dinge besser machen als SAP. "Das ist in Ordnung." Künftig würden tausende von Anbietern Prozesse und Software für die SAP-Plattform liefern. Anwender würden künftig nicht mehr eine Software auswählen, sondern müssten sich für ein Ökosystem entscheiden, glaubt Graf.

Die SAP-Klientel zögert jedoch auf ihrem Weg zu ESA. Die meisten stünden noch am Anfang, gibt auch SAP-Vorstand Agassi zu. Vor einer ESA-Implemen- tierung sei zudem eine Reihe von Hausaufgaben zu erledigen. Agassi präsentierte den Kunden zur Teched eine Checkliste. Beispielsweise müssten zunächst Geschäft und Prozesse exakt analysiert und neu definiert sowie Hardware, Software und Daten konsolidiert werden. Insgesamt umfasst die Liste 22 Punkte.

Als Rolf Schumann, als Director Advisory Office für das ESA-Adoption-Program von SAP verantwortlich, sein Publikum auf der Teched fragte, wer die Checkliste bereits in Angriff genommen hätte, meldete sich niemand. Schumann betreut im Rahmen dieser Initiative die ersten ESA-Implementierungen und bemüht sich, die Erfahrungen daraus zu sammeln.

"Wir haben den Anwendern den Weg gezeigt", gibt sich Agassi dennoch zuversichtlich. Die Geschwindigkeit bestimmten allerdings die Kunden selbst. Nach wie vor gebe es Firmen, die noch mit dem SAP-Produkt R/2 arbeiten, berichtet der SAP-Manager. "Sie sind zufrieden damit. Es ist ihr Geschäft, nicht das unsere."