SAP geht mit ESA auf die Zielgerade

30.05.2006 von Martin Bayer
Im Endspurt zu einer Service-orientierten Architektur (SOA) gilt es für das Softwareunternehmen, Partner um sich zu scharen und endlich die Kunden zu überzeugen.

Einmal mehr sang SAP-Chef Henning Kagermann in Orlando, Florida, auf der Kundenveranstaltung Sapphire das Hohelied der Service-orientierten Architekturen (SOA). In einem Jahr will der größte europäische Softwarekonzern die Entwicklung seiner Enterprise Services Architecture (ESA) abgeschlossen haben. Damit hätte Kagermann seinen vor zwei Jahren veröffentlichten Zeitplan eingehalten.

SAP-Chef Henning Kagermann: ESA-Entwicklung läuft nach Plan.

Der Softwarehersteller gab in Orlando die Übernahme von Frictionless Commerce Inc. bekannt. Der US-amerikanische Anbieter offeriert eine On-Demand-Lösung für das Supplier-Relationship-Management (SRM). Damit ergänzt SAP seine eigene "Mysap-SRM"-Lösung, die sich ausschließlich inhouse nutzen lässt, um eine Mietvariante. Finanzielle Details nannte SAP nicht. Ferner gaben die SAP-Verantwortlichen eine Kooperation mit dem chinesischen Softwareanbieter Neusoft bekannt, die die Präsenz im Reich der Mitte stärken soll. Beide Firmen wollen in Sachen Vertrieb, Entwicklung und Schulung enger zusammenarbeiten.

Die großen Produktankündigungen in Sachen ESA heben sich die SAP-Verantwortlichen für das kommende Jahr auf. Dann soll das voll ESA-fähige Release "Mysap ERP 2007" herauskommen. Ferner sind neue Versionen von Netweaver und der Business Process Platform geplant. Mit diesen Produkten will SAP endgültig in das künftige Service-orientierte Softwarezeitalter starten. Kagermanns Ziele sind ehrgeizig. Bis 2010 möchte der gebürtige Braunschweiger die komplette SAP-Kundenbasis auf ESA migriert haben.

Ist Kagermann zu ehrgeizig?

Analysten zweifeln indes, ob das ambitionierte Vorhaben gelingt. Die Marktforscher von Forrester Research gehen davon aus, dass es zunächst einmal etwa zwei bis drei Jahre dauern dürfte, ehe sich die große Mehrheit der SAP-Klientel mit der neuen Architektur überhaupt ernsthaft auseinander setzt.

SAP wird noch viel Überzeugungsarbeit leisten müssen, um seine Anwender von den Vorzügen der neuen Architektur zu überzeugen. Trotz großer Marketing-Anstrengungen ist es dem Konzern noch nicht gelungen, alle Zweifel auszuräumen. "Ich weiß nicht, was Netweaver für einen R/3-Kunden bedeutet", gab Stanley Ezzell, Vice President des im US-amerikanischen Ashland, Alabama, beheimateten Möbelherstellers Wellborn Cabinet Inc., unumwunden zu. Sein Unternehmen habe schon Millionen für SAP-Programme ausgegeben. Müsste er jetzt von seinem Vorstand weitere Millionen für die nächste Generation einfordern, könnte er sich einen neuen Job suchen.

Plattner sorgt für Wirbel

Um Unruhe zu schüren, muss SAP nicht unbedingt die Konkurrenz bemühen. Das eigene Management schafft es auch allein, Verwirrung zu stiften. So hatte SAP-Mitbegründer Hasso Plattner in einem Interview mit der "Financial Times" durchblicken lassen, ein Verkauf beziehungsweise eine Fusion seien durchaus vorstellbare Optionen für die Zukunft. Im Falle eines interessanten Angebots werde das Unternehmen sein Votum einzig vom wirtschaftlichen Sinn abhängig machen. Als mögliche potente Käufer nannte Plattner IBM, Microsoft und Google. Derzeit gebe es jedoch keine konkreten Verhandlungen. Auch die SAP-Zentrale beeilte sich in der Folge zu versichern, alle Vermutungen über einen Verkauf seien pure Spekulation.

SAP wird also weiterhin für seine ESA-Strategie trommeln müssen. Die wichtigste Initiative in diesem Zusammenhang beschäftigt sich mit dem Aufbau eines Ökosystems aus Partnern und Kunden. Auch in Florida wurde das SAP-Management nicht müde, die Fortschritte im Platform Ecosystem anzupreisen. Mehr als 1000 Independent Software Vendors (ISVs) würden bereits auf Basis von ESA entwickeln. Heute gebe es schon über 1500 "Powered by SAP Netweaver-Lösungen", heißt es in einer offiziellen Mitteilung. Damit hätte der Konzern seine Zielvorgaben aus dem vergangenen Jahr bereits mehr als erfüllt. Ursprünglich wollte SAP bis Ende 2006 auf 1000 Netweaver-Lösungen der Partner kommen.

Ankündigungen auf der Sapphire

Die SAP-Verantwortlichen gaben in Orlando die weltweite Verfügbarkeit ihrer Kernapplikation "Mysap ERP 2005" bekannt. Die bereits auf Netweaver aufbauende Suite bietet rund 300 Erweiterungen.

Mit dem gemeinsam mit Intel und Hewlett-Packard entwickelten "Business Intelligence Accelerator" sollen Anwender große Datenmengen zügiger nach bestimmten Informationen durchsuchen können.

Die kommende Kunden-Management-Lösung SAP CRM 2006 wird laut SAP neue Funktionen wie die Verwaltung von Versicherungsverträgen sowie zusätzliche Module für Vertrieb und Marketing bieten. Das Release soll es sowohl als On-Demand-Variante wie auch in einer herkömmlichen Inhouse-Version geben.

Ende Juni sollen unter dem Namen "Duet" erste Ergebnisse des vor gut einem Jahr gemeinsam mit Microsoft gestarteten Projekts "Mendocino" vorliegen. Ziel ist eine stärkere Verzahnung von Microsofts Front-Office-Applikationen mit dem SAP-Backend.

SAP arbeitet auch an seiner eigenen Frontend-Technik. Unter dem "Project Muse" soll ein neues benutzerfreundlicheres User Interface für die eigenen Business-Applikationen entstehen.

SAP lobt 125 Millionen Euro aus

Trotz dieser Entwicklung sehen die SAP-Verantwortlichen offenbar Potenzial, diese Entwicklung noch zu beschleunigen. Treibstoff dafür soll ein Netweaver-Fonds mit einem Volumen von 125 Millionen Dollar sein. Mit dem Geld wollen die Walldorfer Entwicklern helfen, weitere Lösungen und Composite Applications auf Basis der SAP-Plattform zu bauen.

Während SAP mit der Entwicklung der Community Fortschritte macht, scheint es an anderer Stelle zu haken. Eine wichtige Aufgabe, die SAP gemeinsam mit den Partnern und Kunden aus dem ESA-Ökosystem angehen wollte, war das Füllen des Service Repository. Gerade an dieser Stelle sind die Walldorfer auf das Know-how der Kunden und die Branchenkenntnisse der Partner angewiesen. Allerdings stagniert die Zahl der Prozessbeschreibungen. Aktuell seien rund 500 Services im Repository abgelegt, hieß es in Orlando. Die gleiche Zahl hatten die SAP-Verantwortlichen bereits vor etwa einem halben Jahr gemeldet. Berücksichtigt man ferner, dass das Service-Silo in seiner Endausbaustufe laut George Paolini, der bis vor kurzem die Community-Entwicklung bei SAP verantwortet hatte, bis zu 10 000 Prozessbeschreibungen enthalten könnte, liegt noch eine Menge Arbeit vor den Walldorfern.