SAP-Experten bleiben Mangelware

30.11.2005 von Marc Voland
SAP-Experten werden weiterhin gesucht. Auch der Nachwuchs hat gute Chancen, denn Unternehmen legen Programme auf, um Absolventen inhouse auszubilden. Von Marc Voland *

Der Arbeitsmarkt bietet gute Chancen für SAP-Experten. Zwar verzeichnet das Internet-Stellenportal Jobpilot in den Monaten September und Oktober 2005 knapp 900 weniger Vakanzen als in den beiden Vormonaten, doch die Anzahl der offenen Stellen liegt weit über der des Vorjahres. Suchten im dritten Quartal 2004 nur 4000 Unternehmen einen Mitarbeiter, der sich mit SAP-Software auskennt, so sind es im vergleichbaren Zeitraum dieses Jahres mit 11 600 fast dreimal so viele. Die jüngste Analyse von Adecco - der Personaldienstleister wertet IT-Jobangebote in 40 Tageszeitungen und der COMPUTERWOCHE aus - kommt zu dem Ergebnis, dass die Zahl der freien IT-Stellen in den ersten zehn Monaten 2005 gegenüber dem Vorjahr von 13 700 auf 17 500 gestiegen ist. Fast ein Drittel der Angebote stammen dabei aus Beratungs- und Softwarehäusern.

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- wie sich der Arbeitsmarkt für SAP-Experten entwickelt;
- wie sich die Qualifikationen und Anforderungen verändern;
- wie die Unternehmen dem Mangel an qualifiziertem Nachwuchs begegnen wollen.

Peter Neisius, Cundus: "Auftraggeber schauen genau hin, wer in den Teams arbeitet."

Mittlerweile haben Firmen Schwierigkeiten, spezialisierte Experten zu finden. Engpässe gibt es vor allem bei ITlern, die Business Warehouse (BW) und Business Intelligence (BI) beherrschen. "Die Unternehmen brauchen diese Komponenten, da sie der Informationsflut nicht mehr Herr werden. Hinzu kommt, dass diese Techniken einen Reifegrad erreicht haben, der es erlaubt, sie problemlos einzusetzen", sagt Peter Neisius, Vorstandsvorsitzender des Duisburger IT-Beratungshauses Cundus AG. Der Trend macht sich auch auf dem Markt für Freiberufler bemerkbar. Beim Münchner Portal für IT-Projekte, Gulp, steht BW im Ranking der Module momentan an der Spitze. Aber auch Mitarbeiter, die sich mit Finanzmodulen auskennen, haben gute Karten. "Die internationalen Bilanzierungsregeln nach IFRS/IAS, die in den USA weit verbreitete Rechnungslegungsmethode US-GAAP oder die Anforderungen des Sarbanes-Oxley Act müssen in IT umgesetzt werden", sagt Christina Mankus, Geschäftsbereichsleiterin bei der Zeitarbeitsfirma DIS AG. Dafür benötigten die Arbeitgeber Mitarbeiter mit entsprechendem Wissen.

Vom Modul- zum Technikberater

Dabei gilt für alle SAP-Bereiche: Neben Soft-Skills und technischem Know-how sollten die Bewerber die Abläufe beim Anwender kennen. Branchenkenntnisse allein reichen nicht mehr aus. "Der Trend geht eindeutig weg vom reinen Modulberater hin zum Technikberater mit Prozess-Know-how", sagt Martin Daum, Personalleiter bei der Oldenburger BTC AG. Das liege unter anderem daran, dass die Konzerne ihre IT konsolidieren und mit weniger Programmen mehr Aufgaben bewältigen wollen. "Will man die Systeme verkleinern und flexibler gestalten, sind die Prozesse zu optimieren", weiß Daum. Das bedeutet gleichzeitig, dass Bewerber BWL-Kenntnisse mitbringen müssen, um die Abläufe nicht nur organisatorisch, sondern auch betriebswirtschaftlich verbessern zu können.

Steffen Jakob, Lynx Consulting: "Java- und SAP-Speztialisten sollten gemeinsam an einem Projekt arbeiten."

Auch das neue Paradigma der Service-orientierten-Architektur verlangt von SAP-Experten, dass sie sich mit Geschäftsprozessen auskennen. Anwendungen lassen sich mit der Plattform Netweaver aus modularen Services zusammensetzen. "Dazu muss ein Berater wissen, wie der genaue Ablauf aussieht, den er in eine IT-Lösung übertragen will", sagt Steffen Jakob, Vorstand des Bielefelder Beratungshauses Lynx Consulting AG. Zwar tasten sich die Anwender erst vorsichtig an Netweaver heran, wie eine Lynx-Umfrage zur Akzeptanz von neuen Technologien ergab. Doch das Thema wird deutlich an Fahrt gewinnen, so Vorstand Jakob. Für ihn ist deshalb wichtig, dass Entwickler neben der SAP-Sprache Abap auch in Java firm sind, um an Internet- und Web-Schnittstellen oder an hardwarenahen Aufgaben arbeiten zu können.

Was bedeutet das für die innerbetriebliche Fortbildung? "Klassische Java-Schulungen sind kaum förderlich", meint Jakob. Java-Entwickler sollten eine Grundausbildung im Abap-Workbench erhalten. Ansonsten beanspruche der Aufbau fundierten SAP-Wissens mehrere Jahre und lasse sich kaum über Crash-Kurse vermitteln. Deshalb ist es laut Jakob ratsam, SAP- und Java-Spezialisten im Rahmen kleiner gemeinsamer Projekte zusammenarbeiten zu lassen. Die Entwickler lernen sich gegenseitig kennen und verstehen, wie der Partner denkt. "Wissen die Entwickler, wie der andere tickt, klappt die Zusammenarbeit, und die Lernkurve steigt."

Der Markt zieht an

Um sich fit zu halten, sollten sich freilich auch SAP-Experten, ob arbeitssuchend oder in einem Arbeitsverhältnis stehend, aus eigenen Stücken weiterbilden, ständig ihre Ohren offen halten und die Bewegungen am Markt registrieren - und über entsprechende Praxis verfügen. Berufserfahrung ist nach wie vor das A und O im Markt und ihr Fehlen das größte Problem für Newcomer. "Auftraggeber schauen genau hin, wer in den Teams mitarbeitet", so Cundus-Vorstand Neisius. Er rät Absolventen, möglichst früh mit dem Thema SAP in Berührung zu kommen, etwa über eine Diplomarbeit oder ein Praktikum, auch wenn das häufig nicht bezahlt wird. "Die Erfahrung, die ein Bewerber dadurch erhält, ist nicht aufzuwiegen", so Neisius, der Absolventen zu einer Laufbahn als SAP-Experte rät. "Wer BWL- mit SAP-Wissen verbinden kann, sollte keine Probleme haben."

Christina Mankus, DIS: "Ab 2010 werden wir einen gravierenden Fachkräftemangel erleben."

Für den Nachwuchs spricht auch die demografische Entwicklung. Denn bereits in drei Jahren, so DIS-Managerin Mankus, werden die Uni-Absolventen die Nachfrage der Unternehmen nicht mehr abdecken können. "Und ab 2010 werden wir einen gravierenden Mangel an Fachkräften erleben." Schon heute reagieren Unternehmen darauf, dass SAP-Experten mit entsprechender Erfahrung und Wissen fehlen. So suchte beispielsweise das Beratungshaus Accenture in diesem Jahr 350 SAP-Berater - ein Drittel mit Berufserfahrung, ein Drittel Einsteiger, die direkt von der Hochschule kommen, ein Drittel Trainees. Einstellen konnte das Beratungshaus, das für 2006 etwa 500 SAP-Mitarbeiter haben möchte, jedoch nur 200 Leute. Simone Spacke, Leiterin Personal-Marketing: "Wir hätten gerne mehr bekommen, spüren aber, dass der Markt anzieht und andere Unternehmen ebenfalls zusätzliche Mitarbeiter benötigen."

Wie beispielsweise das Software- und Beratungshaus IDS Scheer AG. Weltweit hat der Spezialist für Geschäftsprozess-Management 500 Mitarbeiter in diesem Jahr angeheuert, in Deutschland davon allein 100 mit SAP-Know-how. Im kommenden Jahr soll wieder aufgestockt werden. Entgegen der Praxis der vergangenen zwei bis drei Jahren legt das Saarbrücker Unternehmen dabei wieder ein Youngster-Programm auf, um Einsteiger im eigenen Haus in SAP-Software auszubilden. "Die Absolventen müssen nicht unbedingt Informatik studiert haben. Wir freuen uns auch über Ingenieure oder Betriebswirtschaftler mit Affinität zur IT", so Rosemarie Clarner, Personalchefin bei IDS Scheer. Und auch die Oldenburger BTC denkt daran, ein Einsteigerprogramm anzubieten. "Der Norden ist kein IT-Ballungszentrum. Diesen kleinen Standortnachteil versuchen wir, auf diese Weise auszugleichen."

Hohe Lernbereitschaft

Weniger erfreulich sieht es für Umschüler, Quereinsteiger und Jobsuchende ohne akademischen Abschluss aus. Auch wenn Engpässe zu verzeichnen sind: Ohne entsprechende Qualifikation bleibt es schwer, einen Arbeitsplatz zu bekommen, zumal immer mehr IT-Aufgaben ins Ausland verlagert werden. Auf die Qualifikation kommt es eben an. So öffnet sich die Schere zwischen Bewerbern mit fehlender Qualifikation oder falscher Erfahrung und den heiß umkämpften, stark spezialisierten Experten. Aber auch sie müssen auf der Hut sein, eine hohe Lernbereitschaft mitbringen und ihr Wissen auf dem neuesten Stand halten. (hk)

Marc Voland ist freier Journalist in München.