SAP-Beratung: Das Feld der alten Hasen

08.04.2004 von Magdalena Schupelius
SAP-Berater haben auch in Zeiten der Krise auf dem IT-Arbeitsmarkt einen guten Stand. Doch während noch vor wenigen Jahren derjenige das Rennen machte, der vor allem schnell, flexibel und innovativ war, haben Neueinsteiger es nun schwerer. Chancen hat nur, wer umfassendes Prozess- und Branchenwissen mitbringt, Erfahrungswissen also, das in Schulungen kaum vermittelt werden kann.

Es war ein kurzer Spaß! Nur wenige Jahre war es SAP-Beratern vergönnt, auf Wolken zu schweben, getragen vom SAP-Boom der 90er Jahre: traumhafte Honorare, scheinbar sichere Arbeitsplätze und keine Zukunftssorgen. Doch die Krise in der IT-Branche ist auch an diesen Spezialisten nicht ohne Spuren vorübergegangen.

Selbst große Konzerne haben in den vergangenen zwei Jahren die IT-Budgets gekürzt. Nach und nach drängen ausländische Konkurrenten insbesondere aus dem osteuropäischen Raum auf den deutschen Arbeitsmarkt - gut ausgebildete SAP-Consultants mit entschieden bescheideneren Honorarvorstellungen.

Große SAP-Einführungen sind selten

Horst Wehrenberg, Nord IT: "Ein rein modulorientiertes Beraterprofil hat keine Zukunft mehr."

"Der SAP-Beratermarkt hat sich in den letzten Jahren vom Angebots- zum Nachfragemarkt entwickelt", kommentiert Horst Wehrenberg, Geschäftsführer der Nord IT GmbH und zweiter Vorsitzender der Anwendergruppe DSAG. Dennoch, auch wenn der Wind sich gedreht hat - die Berater sind weich gefallen.

"SAP ist natürlich immer noch ein großes Thema", bestätigt Cathrin Cambensi von der CDI Deutsche Private Akademie für Wirtschaft GmbH in München. Sowohl die Nachfrage nach IT-Weiterbildungen als auch deren Förderung durch den Staat sei schon seit längerer Zeit rückläufig, die Nachfrage nach SAP-Qualifikationen aber relativ stabil.

Zwar sei, so ein Ergebnis der aktuellen CDI-Stellenmarktanalyse, die Zahl der im IT-Bereich ausgeschriebenen Stellen insgesamt gesunken, doch der Anteil der freien Jobs für SAP-Experten sei in Relation zum Gesamtmarkt weiter gestiegen. Am häufigsten gefragt: SAP-Berater, SAP-Projektleiter und Anwendungsentwickler. Insgesamt werden in einem Fünftel aller IT-Stellenanzeigen SAP-Spezialisten gesucht.

Doch innerhalb dieser Szene haben sich die Anforderungen verändert. "Der Markt konsolidiert sich derzeit", weiß Wehrenberg. "Die Struktur der Projekte hat sich verändert", erklärt Arne Friedrichs, Vorstand der Berliner Unternehmensberatung Alogis AG, "es gibt inzwischen mehr kleinere, aber anspruchsvolle Projekte, in denen schnelle und quantifizierbare Ergebnisse verlangt werden. Große Kompletteinführungen sind seltener geworden." Kleinere Projektteams sollen vor allem eines mitbringen: Prozess- und Branchenkenntnisse.

Björn Interthal, SAP: "SAP hat Profile entwickelt, in denen Anwendungs-, Technologie- und Entwicklungs-berater zusammenarbeiten."

Haico Harnack, IT-Leiter bei der Daimler-Chrysler AG in Berlin, meint: "Ohne gute und breite Prozesskenntnisse können wir SAP-Berater und Entwickler nicht effizient einsetzen." Prozesskenntnisse, so weit herrscht Einigkeit unter Beratern, Beratungskunden und Bildungsanbietern, erlangt man aber hauptsächlich durch viel Projekterfahrung.

"Die Kunden verlangen, dass die Berater ihre Geschäftsprozesse verstehen", sagt Björn Interthal, Leiter des SAP-eigenen Bildungsbereichs "Consultant Education" in Walldorf. SAP-Berater seien dadurch doppelt gefordert, und "das für einen Prozess relevante und aktuelle Produktwissen wird dabei selbstverständlich vorausgesetzt".

Hohe Weiterbildungsbereitschaft notwendig

Nebenbei aber erlangt ein Berater das vorausgesetzte Grundlagenwissen der SAP-Technologie nicht. Consultants wie Anwender im Umfeld von SAP müssen eine hohe Weiterbildungsbereitschaft mitbringen. "Das Walldorfer Softwarehaus diktiert analog zur Weiterentwicklung der Produkte die Qualifikationen, die am Arbeitsmarkt verlangt werden", so CDI-Frau Cambensi. Die Trainingslehrpläne werden in Walldorf laufend überarbeitet. Sie sind Maßstab für die Curricula externer Anbieter.

Gerade weil die Bezeichnung SAP-Berater nach wie vor keine geschützte Berufsbezeichnung ist, dienen die strengen Anforderungen an eine SAP-Zertifizierung vor allem der Qualitätssicherung in einem unübersichtlichen Bildungsmarkt. Und gerade weil Qualifikationswege und Anforderungsprofil unklar umrissen und ständig im Wandel sind, haben die Beraterzertifikate ein nach wie vor hohes Gewicht am Arbeitsmarkt.

Interthal: "Die Consultant Certification dokumentiert und verifiziert das erforderliche Wissen von SAP-Beratern und weist sie als qualifizierte Know-how-Träger aus. Das international anerkannte Zertifikat soll auch im Wettbewerb um Kundenprojekte zur Leistungsdifferenzierung dienen."

Kein Exklusivwissen mehr

Doch auch die zertifizierten Qualifikationsprofile mussten den Marktanforderungen angepasst werden. Die Bedeutung von lösungs- und prozessorientiertem Wissen ist gestiegen. Hier mithalten zu können sichert SAP-Beratern das Überleben. Ihr reines SAP-Wissen nämlich hat an Exklusivität verloren. Konzerne wie Daimler-Chrysler etwa können die einstigen Kernaufgaben der SAP-Beratertätigkeit inzwischen im eigenen Hause abdecken - ob mit oder ohne Zertifizierung, spielt dabei keine Rolle.

Harnack: "Das SAP-Wissen ist in den Unternehmen angekommen. Konzeptionelle Tätigkeiten werden von unseren Mitarbeitern selbst übernommen." Das nötige Know-how wurde nur zu geringen Teilen in Schulungen vermittelt, entscheidend sei, so Harnack, "das gewachsene Wissen". Doch das bedeutet zwangsläufig nicht das Aus für externe Berater. Wer jetzt günstig im Rennen liegt, hat auch weiterhin gute Chancen, denn die Beraterbeziehungen der meisten Unternehmen sind relativ langfristig. Harnack etwa kooperiert mit einigen Beraterfirmen schon seit vier Jahren. Wissen wurde gemeinsam erarbeitet.

Auch große Gemeinschaftsentwicklungen wie etwa die Bankensoftware von SAP AG und Postbank bieten projektinterne Qualifikationspotenziale - für externe und interne Berater sowie Anwender. Ein vorgefertigtes Profil existiert dabei selten. David Thyssen, bei der Postbank zuständig für die Anwenderschulungen, erklärt: " Die Profile ergeben sich aus den internen Anforderungen."

Die Beraterzertifizierung nach klassischen Modulen zu unterteilen scheint inzwischen überlebt. Wehrenberg: "Ein rein modulorientiertes Beraterprofil hat keine Zukunft mehr." SAP-Projektleiter müssen ohnehin schon lange in der Lage sein, modulübergreifend zu denken und zu arbeiten. Und: Je weniger Modulexperten für ein Implementierungsprojekt benötigt werden, umso geringer sind die Kosten.

SAP selbst hat sein Ausbildungsprogramm für Berater von der modulorientierten zu einer lösungs- und beraterorientierten Ausbildung geändert. Die SAP-Ausbildungsinitiative "Pace" ( Process Aligned Competence Excellence) definiert nun die Qualifikationsziele neu. "SAP Consulting hat Beraterprofile für Bereiche entwickelt, in denen Anwendungs-, Technologie- und Entwicklungsberater innerhalb einer Lösung der Mysap Business Suite zusammenarbeiten", erläutert Interthal.

In den Pace-Profilen werden Produkt- und Prozesswissen miteinander kombiniert. Die Profile sollen typische betriebswirtschaftliche Prozesse widerspiegeln und enden nicht innerhalb einzelner Module. Interthal: "Prozesse beinhalten Themen, die systemtechnisch verschiedene SAP-Module oder Komponenten betreffen. Ein Berater muss diese Themen alle beherrschen, wenn er den Kundenanforderungen gerecht werden will."

Pace orientiert sich damit direkt an der Marktentwicklung und versieht eine Kompetenzbündelung mit Brief und Siegel, die SAP-Berater in der Praxis schon längere Zeit vorzuweisen haben. Sie müssen technische Entwicklungen und Innovationen in ihrem jeweiligen Bereich beherrschen und gleichzeitig fortlaufend Wissen und Erfahrung bezüglich "ihrer" Prozesse anhäufen.

Mit der generischen "Profile Map" von SAP gibt es nun eine Übersicht über alle zertifizierbaren Beraterprofile. Es bleibt dennoch offensichtlich, dass die Weiterbildungsregelungen und Zertifizierungen im SAP-Bereich weiter im Fluss sind. Zwar existieren auch außerhalb des Unternehmens fortlaufend Bemühungen, etwa vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB), die Tätigkeiten und Qualifikationen von IT-Spezialisten zu klassifizieren und Qualifikationsebenen abzugrenzen. Doch der gesamte Markt entwickelt sich so dynamisch, dass keine Definition lange hält.

Unklare Qualifikationsprofile machen Neueinsteigern das Leben schwer. Die neuen, auf breiterer Basis stehenden Beraterprofile können diese Problematik nicht entschärfen. Dass nicht nur SAP selbst, sondern auch die meisten externen Bildungsanbieter rein modulorientierte Weiterbildungen gar nicht mehr anbieten, verändert auch die öffentlich geförderte Weiterbildung, die lange von solchen Kursen geprägt war.

Martina Barton-Ziemann von der Zentrale der Bundesagentur für Arbeit sagt: "Für SAP-Qualifizierungen werden deutlich weniger Bildungsgutscheine ausgegeben." Zwar hat sich die Ausbildungsdauer durch die neue Ausrichtung des Softwarehauses nicht geändert, aber infolge der breit angelegten Anforderungen ist die Luft für Seiteneinsteiger inzwischen dünn geworden. Barton-Ziemann: "Im Bereich SAP ist die Nachfrage deutlich zurückgegangen, die Eingliederungserfolge bei den öffentlich geförderten Weiterbildungen sind deutlich niedriger als noch vor zwei oder drei Jahren."

Die Stellenmarktanalyse des CDI bestätigt das: Arbeitgeber stellen überdurchschnittlich hohe Anforderungen an die Qualifikation der SAP-Experten. So wird in 63 Prozent aller Anzeigen ein Studium erwartet. Zudem sollen Bewerber je nach offener Stelle nicht nur über SAP-Know-how, sondern auch über Kenntnisse in Java, Datenbanken, Betriebssystemen, Data Warehouse und im Customer-Relationship-Management verfügen. Prozesskenntnisse werden vorausgesetzt.

Wer also bleibt? Klare Sieger sind die alten Hasen mit dem richtigen Gespür für das Neue!

*Magdalena Schupelius ist freie Journalistin in Hamburg.