Sanfte Migration zu Wimax

03.11.2004 von Jürgen Hill
Noch sind keine Wimax-Produkte für den breitbandigen Datentransfer via Funk auf dem Markt erhältlich, da präsentieren Hersteller wie Proxim bereits erste Migrationsstrategien.

Spätestens im zweiten Quartal 2005 soll es so weit sein, dass erste Funkprodukte mit dem Wimax-Kompatibilitätslogo auf dem Markt erhältlich sind und eine Alternative zu klassischen Access-Technologien wie Glasfaser, DSL oder TV-Kabelnetzen bilden. Im ersten Schritt sieht die Industrie dabei das typische Einsatzszenario für Wimax in der gebäudeübergreifenden Vernetzung für Unternehmen sowie auf der letzten Meile, wo die Technik Service-Providern als Ersatz für die klassische Teilnehmeranschlussleitung des Telefonnetzes dient.

Wimax im Vergleich zu anderen Funktechniken.

Denkbar wäre unter anderem auch die Vernetzung von Überwachungskameras oder die mobile Datenübertragung in Fahrzeugen. Gerade Letzteres eröffnet Außendienstmitarbeitern, Speditionen oder Paketdiensten angesichts der breitbandigen Übertragung ein breites Feld an neuen Online-Applikationen.

Hinter dem populären Kürzel Wimax, das als Akronym für "Worldwide Interoperability for Microwave Access" gebraucht wird, steht der IEEE-Standard 802.16. Er definiert die breitbandige Funkübertragung (Broadband Wireless Access = BWA) mit Transferraten von bis zu 80 Mbit/s über Entfernungen bis zu 30 Meilen.

Im Gegensatz zum Wireless LAN, das in den Varianten 802.11b und g im überfüllten 2,4-Gigahertz-Band funkt, ist für Wimax der Frequenzbereich zwischen 2 und 11 Gigahertz vorgesehen. Analog zum Vorbild der Wifi-Alliance, die für WLAN-Equipment ein Interoperabilitäts-Logo vergibt, haben sich die an 802.16 interessierten Hersteller im Wimax-Forum zusammengeschlossen. Hierzu zählen neben Branchengrößen wie Intel, Cisco oder Nortel auch Hersteller wie Symbol und Proxim, um nur einige Namen zu nennen.

Auch wenn das Thema Wimax momentan sehr populär ist und besonders von Intel vorangetrieben wird, warnt Lynn Lucas, Vice President Business Development bei Proxim, davor, hier mit einem ähnlichen Hype wie beim WLAN zu rechnen. Weil das entsprechende Equipment anfangs noch teuer sein wird, geht die Managerin davon aus, dass der weltweite Markt langsam wächst und erst im Jahr 2008 ein Volumen von rund zwei Milliarden Dollar erreicht.

Auf Wimax vorbereiten

Unter Kostenaspekten könnten deshalb für Unternehmen oder Service-Provider klassische, propietäre Wireless-Access-Systeme, die im 5-Gigahertz-Band funken, noch eine ganze Zeit lang eine Option sein. Für eine entsprechende Basisstation, die Plattformen funken im Point-to-Multipoint-Verfahren, müssen Investitionskosten von 900 bis 1800 Dollar einkalkuliert werden, während Wimax-Produkte zu Beginn wohl deutlich über 10000 Dollar liegen dürften. Das Gegenstück, die Subscriber Station, schlägt dann nochmals mit 300 bis 1100 Dollar zu Buche, was angesichts von prognostizierten mehreren tausend Dollar für einen Wimax-Empfänger günstig erscheint.

Mit diesen heute erhältlichen Geräten wie etwa dem "Tsunami MP.11 5054-R" lassen sich Entfernungen von bis zu acht Kilometern überbrücken. Dabei werden Transferraten von bis zu 36 Mbit/s erreicht. Im günstigsten Fall entspricht dies einem Nettodatendurchsatz bis zu 24 Mbit/s. Diese im Vergleich zu klassischem WLAN-Equipment hohen Nutzraten werden dadurch erzielt, dass effizientere Protokolle zum Einsatz kommen, die nicht mit den Nachteilen des beim WLAN verwendeten Carrier Sense Multiple Access mit Collision Avoidance (CSMA/CA) zu kämpfen haben. Proxim setzt hier beispielsweise auf das Wireless Outdoor Routing Protocol (Worp).

Um nun später eine problemlose Migration von heutigen BWA-Produkten auf Wimax zu ermöglichen, hat Proxim die Tsunami BWA-Softwareplattform entwickelt. Sie soll Anwender in die Lage versetzen, bereits heute Wimax-Applikationen mit den klassichen Funktechnologien zu verwenden, oder wie es Vice President Lucas formuliert: "Es ändert sich dann nur der Funkteil auf den unteren Schichten, während auf den oberen Netzebenen bei einer Migration zu Wimax keine Veränderungen erforderlich sind." Dazu unterstützt die Softwareplattform beispielsweise das für Wimax vorgesehene Advanced Bandwidth Provisioning, das beispielsweise Service-Providern eine flexible Bandbreiten-Bereitstellung und schichtweise organisierte Dienste wie DSL, T1 oder Ethernet ermöglicht. Gleichzeitig ist dieses Feature aber auch für Unternehmen interessant, da so

etwa Bandbreiten dediziert einzelnen Standorten oder Applikationen zugewiesen werden können. Ferner ist die Tsunami-Plattform in der Lage, sich an wechselnde Systemlasten anzupassen, um unnötige Übertragungswiederholungen, wie sie beim WLAN auftreten, zu vermeiden.

Zugleich kann die Größe der übermittelten Datenpakete angepasst werden, um eine optimale Leistung zu erzielen. Das gerade bei drahtlosen Datenübertragungen besonders wichtige Thema Sicherheit adressiert Proxim unter dem Stichwort "Advanced Security with Privacy Protection". Hierbei setzt der Hersteller unter anderem auf eine AES-Verschlüsselung der Daten sowie mit dem "Intracell Blocking" auf Mechanismen zur Verhinderung der Kommunikation mit nicht authentisierten Subscriber Stations oder von Man-of-the-Middle-Attacken. Ferner, so zeigt man sich bei Proxim überzeugt, ist das verwendete Worp mit heute gängigen Entschlüsselungs-Tools nicht zu hacken. In Sachen Mobilität unterstützt das System "Mobile Roaming", so dass sich die Subscriber Units zwischen verschiedenen Basisstationen bewegen können und damit für den Einsatz in Fahrzeugen geeignet sind.

Ausgefeiltes Roaming

Gegenüber den bei WLANS verwendeten Roaming-Mechanismen hat das Wimax-konforme Mobile Roaming laut Proxim-Managerin Lucas etliche Vorteile, "denn eine Übergabe zwischen den einzelnen Funkzellen ist selbst bei Geschwindigkeiten von bis zu 200 Kilometern noch möglich".

Eine sanfte Migration zu Wimax verspricht Proxim Anwendern, die bereits heute Wireless Systeme wie die Tsunami MP.11 einsetzen.

Allerdings dämpft die Vizepräsidentin gleichzeitig die Erwartungen der Anwender in Sachen Mobilität, "denn mit Wimax in Endgeräten wie PDAs oder Telefonen ist kurzfristig nicht zu rechnen". Die hierzu erforderliche Standarderweiterung 802.16e wird wohl erst im Laufe des ersten Halbjahres 2005 ratifiziert, so dass Wimax-fähige mobile Endgeräte im ersten Halbjahr 2006 auf den Markt kommen dürften.

Wimax-Telefon erst ab 2006

Da auch bei Wimax wie bei allen Funktechnologien nicht der Radioteil, sondern der Energieverbrauch das eigentliche Problem ist, wird das neue Übertragungsverfahren zuerst in mobilen Rechnern wie Notebooks zu finden sein und erst dann bei PDAs und mobilen Telefonen Einzug halten. "Dennoch wird die Entwicklung im Vergleich zum WLAN schneller verlaufen, denn dort kamen 1999 bereits erste Produkte auf den Markt, ein WLAN-Telefon war aber erst 2004 verfügbar", blickt Lucas zuversichtlich in die Zukunft. Zumal Wimax gegenüber der WLAN-Technologie noch einen entscheidenden Vorteil hat: Im Standard 802.16 wurden von Beginn an Features wie Quality of Services oder Security integriert, so dass für VoIP im Wimax-Funknetz keine Klimmzüge wie bei WLAN erforderlich sind.

Unklar ist dagegen ob Wimax wirklich der breitbandige Funk-Access der Zukunft ist, denn mit Flash-OFDM existiert eine alternative BWA-Technologie.