Sales- und Marketing-Controlling bei Dole: ganzjährig frische Bananen

07.08.2003 von Torsten Spill
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Es ist nicht mehr ungewöhnlich, das ganze Jahr über Bananen, Ananas oder Trauben kaufen zu können. Unternehmen wie die Dole Fresh Fruit sorgen dafür. Ihre Verantwortlichen in Hamburg, zuständig für Vermarktung und Vertrieb in Nordeuropa, standen vor dem Problem, bei über 3.200 Artikeln Schwankungen des Angebots und Bedarfs ausgleichen zu müssen und prompte Lieferungen zu garantieren.

Strategische Zielgruppe der Dole Company ist der organisierte Lebensmittel-Einzelhandel. Zu den Kunden zählen alle großen Ketten wie Edeka, Tengelmann und Metro, Coop in der Schweiz oder Spar in Österreich, aber auch Großhandelsunternehmen, die zum Teil die Ware noch veredeln und zum Beispiel das Reifen der Bananen übernehmen.

Fotos: Dole Fresh Fruit

Bis vor einigen Jahren agierte Dole schwerpunktmäßig als Importeur mit dem Hafen als Endpunkt der Vermarktung. Die Großhandelsorganisationen haben die Vertriebs- und Distributionsaufgaben durchgeführt. Dies hat sich aber aufgrund der Bündelung der Nachfrage durch den Einzelhandel geändert. Daher agiert Dole heute als Vermarktungsunternehmen und liefert die Produkte - Dole unterhält weltweit die größte Kühlschiff-Flotte - über die Eingangshäfen Antwerpen, Rotterdam oder Hamburg bis zum jeweiligen Distributionszentrum des Einzelhandels. Von dort übernehmen die Kunden die Weiterverteilung in die Supermärkte und Geschäfte.

Aufgrund dieser Strukturveränderung des Marktes setzt Dole weltweit das ERP-System "World" von J.D. Edwards ein, das Anfang 2001 auch in Hamburg erfolgreich eingeführt wurde.

Von der Natur abhängiges Spot Market Business

Die Anforderung, darüber hinaus noch in spezielle Software zu investieren, ergab sich aus den Bedingungen des Obst- und Gemüsemarktes - ein Spot Market Business, bei dem naturabhängig stark steigende beziehungsweise fallende Preise sowie die nicht immer kalkulierbaren Angebotsmengen in den Griff zu bekommen sind.

Vom Importeur zum Distributor: Die Dole Food Company mit Sitz in Westlake, Kalifornien, ist weltweit führend in Produktion, Transport und Vermarktung eines breiten Sortiments von frischen Früchten und Gemüse. Erzeugt werden sie teils auf eigenen Plantagen, teils von unabhängigen Produzenten. Zu den mit rund 55 Prozent des Geschäftsvolumens bedeutendsten Dole-Produkten gehören Bananen, die vor allem in Costa Rica, Honduras, Ecuador und Kolumbien angebaut werden. Die Dole Fresh Fruit Europe Ltd & Co, Hamburg, ist als Regional-Organisation der europäischen Dole-Zentrale mit Sitz in Paris zuständig für Vermarktung und Vertrieb von Frischobst im nordeuropäischen Markt, zu dem Deutschland, die Schweiz, Österreich, Skandinavien und große Teile von Osteuropa zählen. Dole Fresh Fruit Hamburg erzielte im Jahr 2002 mit 70 Mitarbeitern einen Umsatz von rund

270 Millionen Euro. Jährlich werden zirka 25 Millionen Kartons bewegt.

Auch die rund 400 Kunden mit ihren knapp 1000 Lieferstellen stellten besondere Anforderungen: von kurzfristigen Anfragen nach Verfügbarkeit der Ware heute oder zu einem späteren Zeitpunkt bis zu langfristigen Geschäften mit einzelnen Artikeln, bei denen Dole eine Jahresverpflichtung an Liefermenge hat. Das System muss also das gesamte Spektrum der Handelsanforderungen abbilden und handhaben können: Eine auf Basis der Jahreskontrakte geplante und abzuwickelnde Menge ebenso wie das Tagesgeschäft mit großen und kleinen Mengen wie Einzelpaletten oder gar Einzelkartons.

Die kurzfristige Lieferfähigkeit ist für Dole essenzieller Wettbewerbsvorteil. Die Unternehmens-DV war jedoch diesen speziellen logistischen Planungsanforderungen nicht gewachsen. Die Planung der Distribution war über Excel-Spreadsheets sehr aufwändig und zeitintensiv, ein verlässlicher Planungsinput war nur sehr schwer zu generieren. Die Mitarbeiter mussten die für ihre tägliche Arbeit wichtigen Informationen daher erst langwierig aufbereiten. Dies war natürlich sehr fehlerintensiv - zudem waren die Informationen häufig nicht aktuell, teilweise redundant und nicht homogen. Für die gesamte rollierende Absatzplanung war ein zu hoher manueller Aufwand erforderlich. Diese Informationsverarbeitung erhöhte zudem die Prozesskosten und führte zu sehr langen Reaktionszeiten auf Marktveränderungen. Um dem ein Ende zu bereiten und die Entscheidungssicherheit im Warengeschäft zu gewährleisten, wurde ein grundlegend neues Planungskonzept

initiiert, das sämtliche Dole-Spezifika berücksichtigte.

Die ganze Bandbreite der Handelsanforderungen ist abzuwickeln

Die Verantwortlichen bei Dole suchten daher im Herbst 2001 nach einem System, das ihre umfangreichen Anforderungen ohne Einschränkung widerspiegeln musste, unter anderem

Reduzierung des Zeitbedarfs,

Verbesserung der Datensicherheit aufgrund einheitlicher Datenverwaltung,

Verbesserung der Steuerung und vor allem Perfektionierung des Vorhersageprozesses,

Kompatibilität zur vorhandenen IT-Landschaft.

Verschiedene ERP-Anbieter wie J.D. Edwards oder Cognos offerierten zwar Ansätze zur Lösung dieser Probleme - die Planungs-Tools in diesen Standardpaketen waren für das Hamburger Unternehmen aber zu komplex und unflexibel.

Nach einem intensiven Auswahlprozess fiel Ende 2001 die Entscheidung zugunsten der Systemlösung Sales and Marketing Controlling (SMC) von MACS Software in Rottweil. Sie basiert auf einer integrierten Datenbank, die es ohne Programmierung erlaubt, Planungsdaten zu verwalten, zu analysieren und darzustellen. Die Kosten für die Ausbildung der Mitarbeiter und die Wartung der Anwendung waren gering.

In sechs Wochen implementiert

Das breite Angebotsspektrum mit einer enormen Anzahl von planungsrelevanten Artikeln und Artikelgruppen sowie die leichte Verderblichkeit der Ware stellten zahlreiche Anforderungen an das Planungsmodell. Der Planungsprozess ist dabei so gestaltet, dass aufgrund strategischer Vorgaben (Top-down der Lieferverpflichtungen) ein Abgleich mit den Einschätzungen der Fruchthändler (Bottom-up der erwarteten Erntemengen) vorgenommen werden kann. Man kann auf jeder Hierarchiestufe Plandaten eingeben oder Auswertungen (Reports) abrufen. Bei der Bottom-up-Planung kann es beispielsweise erforderlich sein, für bestimmte Produkte auf der untersten Ebene die Preise und Mengen zu kalkulieren.

Durch Aufbereiten der Stamm- und Bewegungsdaten der vergangenen Jahre konnte die Kernforderung, Vergangenheitswissen nutzbar zu machen, erfüllt werden. Mit Hilfe der intelligenten Kopierfunktion kann ein "Planungs-Rohling" erstellt werden, in dessen Planmaske die Vorjahresdaten kopiert werden können. Diese Ist-Daten werden so als Basis für die analytische Planung herangezogen. Auf die gleiche Art können auch beliebig viele Ergebnis-Simulationen erstellt werden, so zum Beispiel auch bei unerwarteten Ernteausfällen durch Klimaeinflüsse (führt zu Preiserhöhungen) oder umgekehrt, wenn die Ernte überreich ausgefallen ist (führt zu Preisnachlässen für Sonderaktionen des Handels). Bei der Planwerterfassung oder -änderungen werden die Werte automatisch in den Hierarchien nach oben verdichtet und nach unten

verteilt. Beispiel:

nur Orangen

nur Orangen, Sorte Valencia

nur Orangen, Sorte Valencia, Größe 88

nur Orangen, Sorte Valencia, Größe 88, verpackt

etc.

So wird sichergestellt, dass alle Unternehmens-Plandaten zu jedem Zeitpunkt aktuell und vor allem korrekt sind. Die Implementierung wurde nach sechs Wochen mit dem "Go-live" am 1. April 2002 abgeschlossen.

Wöchentliches Update der Planungen

Bei Dole wird auf Basis der Vorjahreserfahrungen wöchentlich ein Planungsdurchlauf gestartet und die Ernteschätzungen der verschiedenen Produktionsstandorte in Übersee in den nächsten sechs bis acht Wochen sowie die normale Verschiffungszeit von zirka zwölf bis 18 Tagen mengenbezogen auf die Kunden heruntergebrochen. Diese Planinformationen werden täglich an die Disposition übergeben und ermöglichen dem Fruchthändler, einen tagesgenauen Auslieferungsplan zu erstellen. Das Planungsmodell SMC führt zu einer bisher nicht vorhandenen Transparenz über die Liefer- und Absatzentwicklung und ermöglicht, Markttrends rechtzeitig zu erkennen und auf Verursacher in Ländern und Regionen zu analysieren.

Gegenüber den traditionell mit Tabellenkalkulationsprogrammen vorgenommenen Planungen wurde die Planung mit SMC in vielen Punkten verbessert, wie zum Beispiel

beliebige Kombinationen und Zuordnungen zwischen allen Ebenen der Vertriebs- und Produkthierarchie,

beliebig viele Varianten eines Planwerkes für Szenariobetrachtungen,

hohe kundenindividuelle Konfigurations- und Gestaltungsmöglichkeiten,

keine Restriktion der Datenmenge,

Möglichkeit der Verarbeitung von Massendaten,

Stabilität des gesamten Planungssystems durch eine leistungsfähige Datenbank (Oracle/Informix/SQL-Server etc.).

Schon bald nach Einführung von SMC war erkennbar, dass es allein durch die Zeitersparnis für Aufbereitung und Verteilung der Lieferdaten sowie die Bewertung der Absatzprognosen und die Simulation von Veränderungen und Risiken einen positiven Return-on-Investment geben wird. Heute verfügen die Fruchthändler des Unternehmens über kurzfristige Übersichten über die geplante zukünftige Bestandssituation. Außerdem lässt sich die Distribution vorplanen und dem Kunden zuordnen, der frühzeitig informiert werden kann, wann welche Waren eintreffen.

Die Projektkosten haben sich amortisiert - dabei wurde der qualitative Aspekt in der Kundenbetreuung noch gar nicht bewertet: Die Integration der bislang voneinander losgelösten Planungen in einem Planungsmodell bringt Planungssicherheit, Schnelligkeit und mehr Effizienz und damit auch größere Kundenzufriedenheit.