Die Definition von Content Marketing steht sogar im Meedia-Artikel von Hans-Peter Siebenhaar, Journalist und Buchautor, und klingt auf den ersten Blick harmlos: "Content Marketing sucht nach Inhalten, was die Leser interessiert und den Produkten nutzt". Zitiert wird hier Rainer Burkhardt, einer der Geschäftsleiter der Medien- und Digitalagentur C3 Creative Code und Content.
Content Marketing ist also eine neue Ausrichtung des Marktings, um dem Kunden Produkte und Angebote schmackhaft zu machen und zwar nicht durch produktzentrierte Marktschreier-Werbung, sondern durch Inhalte, die sich direkt an der Lebenswelt des Kunden orientieren. Das ist erst einmal eine feine Sache, denn ich werde nicht mehr als anonymer Konsument behandelt, sondern bekomme von Unternehmen Informationen, die mir tatsächlich neben dem werblichen Charakter einen Mehrwert bieten.
Content Marketing als Konzept ist also eine reine kundenzentrierte und lösungsorientierte Ausrichtung von Marketing-Inhalten, die in vielen verschiedenen Formen präsentiert werden kann: vom Whitepaper zum How-to-Video hin zur Infografik, unterhaltsamen Werbeclips oder dem sogenannten "Native Advertising" in Magazinen, also Anzeigen, die klassischen journalistischen Beitragsformen ähneln. Und genau hier liegt der Hase im Pfeffer.
Native Advertising wird zum Journalismus-Problem
Siebenhaars Kritik am Content Marketing und sein dringender Wunsch, diese unsägliche Praxis zugunsten des Journalismus abzusägen, liegt in einem reinen Begriffsverständnis. Nicht das Content Marketing wird hier kritisiert, sondern eine Form des Content Marketings. Das wäre also in etwa so, als würde ich Restaurants abschaffen wollen, weil mir Fast Food-Ketten wie McDonalds nicht gefallen.
Zugegeben, die Verwirrung rund um die Essenz des Content Marketing hat insbesondere im letzten Jahr dafür gesorgt, dass Themen wie Native Advertising und dubiose Testimonials durch You Tube-Promis ohne klare Anzeigenkennzeichnung zu viel Aufmerksamkeit erhalten haben. Eine aktuelle Studie, die darlegt, dass Jugendliche Schwierigkeiten haben, echte Nachrichten von werblichen Inhalten zu unterscheiden, sollte nicht nur ein Warnhinweis an die Verlage sein, ihre Werbe-Partner transparenter ins Licht zu setzen, sondern auch an Unternehmen, Transparenz und Vertrauen zugunsten von Reichweite aufzugeben.
Ich kann Ihnen nämlich sagen, was Content Marketing nicht ist:
- Content Marketing ist nicht der Versuch, den (potenziellen) Kunden hinters Licht zu führen.
- Content Marketing ist kein Mittel, um Werbung in journalistischen Beiträgen zu verstecken.
- Content Marketing ist keine Umgehung von Auflagen für werbliche Inhalte.
Unternehmen und Verlage tun gut daran, werbliche Inhalte klar zu kennzeichnen, denn ein Kunde, der nicht weiß, dass er einen Beitrag mit werblichem Charakter liest und später darauf aufmerksam wird, fühlt sich hintergangen und verliert sein Vertrauen sowohl an das Medium als auch an das werbende Unternehmen.
Die Journalismus-Krise ist hausgemacht
Um Siebenhaars Kritik noch einmal aufzunehmen: Sobald Content Marketing als Ausrede verwendet wird, werbliche Inhalte zu verstecken und dem Kunden den Eindruck zu vermitteln, er würde eine neutrale Berichterstattung lesen, ist sein Einwand völlig berechtigt, dass die Integrität des Journalismus dadurch beeinträchtigt wird.
Doch die Verlage tragen dabei Mitschuld, immerhin sind sie es, die den Unternehmen den Platz in ihren Publikationen geben, ohne auf den werblichen Charakter hinzuweisen beziehungsweise ohne eine ausreichende Qualitätskontrolle durchzuführen.
Wenn Siebenhaar zusätzlich bemängelt, dass Unternehmen mittlerweile mehr Redakteure anstellen als die Verlage, stellt sich auch hier die Frage, warum das so ist. Unternehmen sind nicht Schuld daran, dass "viele Redaktionen von Zeitungen, Magazinen, aber auch Hörfunk- und Fernsehsendern ausgedünnt werden." Ebenso wenig, wie sie Schuld daran sind, dass es aktuell einen Vertrauensverlust in die Medien gibt. Mit Verlaub, es entbehrt jeder Vernunft zu behaupten, dass Native Advertising der Grund ist, warum "Populisten von rechts und links in Europa" vom Misstrauen in die Medien profitieren.
Ein Plädoyer für Content Marketing
"Content is King" wird seit einigen Jahren deklariert und es stimmt. Im Informationszeitalter wächst auch das Verlangen nach Inhalten, die relevant, vielfältig und gerade passend für mich als Leserin sind. Wenn ich dann ein Weihnachtsvideo von der Supermarktkette Penny sehe, das mich berührt, dann bin ich mir bewusst, dass es nicht aus reiner Menschenliebe gedreht wurde, ich schaue es mir dennoch gerne an.
Wenn ich ein Whitepaper herunterlade oder mich bei einem Newsletter eines Online-Shops anmelde, bin ich mir bewusst, dass diese Dinge einen klaren Zweck haben (den Verkauf eines Produktes/Angebots), aber ich lese die Inhalte dennoch.
Content Marketing ist ein sehr freundlicher Kompromiss zwischen Kunde und Unternehmen: ich schenke ihm meine Aufmerksamkeit und erwäge einen Kauf und das Unternehmen liefert mir dafür Inhalte, die mich tatsächlich in meiner Lebenswelt interessieren.
Über "versteckte" Werbung wie Native Advertising und You Tube-Testimonials lässt sich reden und lassen sich auch Standards zwischen Verlagen und Unternehmen etablieren, die sicherstellen, dass der Leser/Rezipient jederzeit den Unterschied zwischen Journalismus und Marketing erkennt. Doch dazu ist keine Abschaffung des Content Marketing nötig.