Robotics

Robotics: RPA ist erst der Anfang

18.12.2018 von Rainer Zierhofer
Immer mehr Unternehmen lassen standardisierte Prozesse von Softwarerobotern erledigen. Intelligente Prozessautomation führt allerdings noch drei Stufen weiter.
Die intelligente Prozessautomation beginnt mit Softwarerobotern, führt allerdings noch drei Stufen weiter.
Foto: Olena Yakobchuk - shutterstock.com

Dass Computer Prozesse automatisiert verarbeiten können, ist nicht neu. Vergleichsweise jung ist jedoch die Möglichkeit, auch menschliche Arbeitsprozesse von scheinbar intelligenter Software erledigen zu lassen. Die „Roboter“ übernehmen standardisierte Prozesse auf Basis großer strukturierter Datenmengen, auch systemübergreifend. Klassischerweise bedienen sich die Roboter beispielsweise aus Excel, ERP-Systemen oder Datenbanken.

In vier Schritten zur intelligenten Prozessautomation: Von der Einstiegstechnologie RPA bis zu den Autonomous Agents als Zukunftsperspektive.
Foto: Horváth & Partners Studie Next Generation Process Automation, 2018

RPA - die fleißigen Helfer

Mit RPA können zum Beispiel Anträge, Kaufverträge, Bewerbungen oder Bestellvorgänge und andere wiederkehrende Aufgaben bearbeitet werden, die bestimmten Regeln folgen. Die dahinter liegende Technologie, genannt Robotic Process Automation (RPA), entwickelt sich zum „Must have“ der Wirtschaft. Bereits drei Viertel der von uns befragten Unternehmen aus zwölf Branchen innerhalb der DACH-Region haben RPA bereits im Einsatz oder üben sich in Pilotprojekten darin – mit großem Erfolg: 90 Prozent der befragten Entscheider äußern sich sehr zufrieden mit den Ergebnissen. Ihre mit dem Einsatz von RPA verbundenen Effizienzziele wurden entweder voll erreicht oder sogar übertroffen.

Hat künstliche Intelligenz also schon flächendeckenden Eingang in die Betriebe gefunden? Läuft bereits alles, was möglich ist, automatisiert ab? Haben die Unternehmen bei der Digitalisierung die Ziellinie womöglich fast erreicht? Die Antwort ist: Nein, denn bei genauer Betrachtung kann man bei RPA noch gar nicht von künstlicher Intelligenz sprechen. Wahre künstliche Intelligenz ist in der Lage, sich aus komplexen Daten verschiedener Quellen selbstständig ein Bild zu machen, um eine Entscheidung zu treffen und eine Aktion auszulösen.

Im Vier-Stufen-Modell von Horváth & Partners zur intelligenten Prozessautomation werden solche Lösungen aufgrund ihrer Selbstständigkeit „Autonomous Agents“ genannt. Sie machen die vierte und letzte Stufe aus. Bisher haben gerade einmal zwei Prozent der Unternehmen ausgereifte autonome Agenten mit „echter“ KI im Einsatz. Doch der Reihe nach – denn auf RPA folgen zunächst zweite weitere Stufen.

Cognitive Automation - die Detektive

Eine weiterentwickelte Form der Prozessautomation ist die sogenannte „Cognitive Automation“. Dahinter verbirgt sich eine Software, die auch komplexere Prozesse automatisieren kann. Im Gegensatz zu RPA ist sie in der Lage, auch auf Basis kleiner und unstrukturierter Datenmengen aus verschiedensten Quellen zu arbeiten, zum Beispiel gescannten Dokumenten, Social-Media-Einträgen oder Bildern. Zum Einsatz kommt Cognitive Automation etwa bei der Diagnosestellung, im Qualitätsmanagement, bei der Betrugserkennung und in Kundenempfehlungssystemen.

Basis dieser Technologie ist Machine Learning. Historische Daten und getroffene Entscheidungen werden von Algorithmen auf Muster analysiert. Nach diesen Mustern trainiert sich der Algorithmus und verbessert sich selbstständig. Immerhin ein Drittel der Unternehmen wenden Cognitive Automation schon mindestens in Pilotprojekten an. Der Anteil wird 2019 rapide steigen, denn 88 Prozent der von Horváth & Partners befragten Unternehmen planen, diese Stufe der Prozessautomation kurz- bis mittelfristig einzuführen beziehungsweise auszuweiten.

Digital Assistants - die kommunikationsfreudigen Assistenten

Nicht nur unstrukturiert, sondern hochgradig individuell und vieldeutig, ist die menschliche Sprache. Es gibt aber bereits Software, die in der Lage ist, Sprache nicht nur zu erkennen, sondern auch menschliche Intentionen aus dem Gesagten oder Geschriebenen herauszulesen. Die Technologie dahinter ist das so genannt Natural Language Processing (NLP). Zum Einsatz kommt sie zum Beispiel bei Google Duplex, dem persönlichen Assistenten, der für seinen Nutzer Friseurtermine vereinbart oder einen Tisch fürs Abendessen reserviert.

Verbreiteter sind allerdings Chatbots, vor allem im Kundenservice. Die „Digital Assistants“ machen die dritte Entwicklungsstufe der Prozessautomation aus und dienen als Informations- und Kommunikationsmittel für Mitarbeiter, Kunden oder Dienstleister. 29 Prozent der in der Horváth & Partners befragten Studie geben an, bereits Erfahrungen mit digitalen Assistenten gemacht zu haben. 75 Prozent wollen sie demnächst testen oder noch breiter einsetzen. Sowohl Cognitive Automation als auch Digital Assistants stehen also kurz vor dem Durchbruch.

Autonomous Agents - die allwissenden Unterstützer

Prozessautomation, bei der künstliche Intelligenz in – Stand heute – höchstentwickelter Form zum Einsatz kommt, sind die „Autonomous Agents“. Dabei handelt es sich nicht um eine Software, sondern komplexe Softwaresysteme, die über so genannte Deep-Learning-Mechanismen selbstständig Entscheidungen treffen und auf dieser Basis Prozesse initiieren können. Die autonomen Agenten sind in der Lage, Dinge zu tun, die tiefgreifendes Urteilsvermögen erfordern, das das Menschliche in Wissen, Genauigkeit und Schnelligkeit sogar übertreffen kann. Sie greifen dafür auf riesige Big-Data-Mengen aus verschiedensten Quellen zu. Sie führen in Sekundenschnelle Berechnungen auf Basis hochkomplexer mathematischer Modelle durch.

Autonomous Agents können beispielsweise als virtuelle Fahrer eines Autos unvorhergesehene Hindernisse umfahren, mit Kamera und Greifarm Operationen durchführen oder Verkaufspreise auf Basis von Marktentwicklungsvorhersagen optimieren. Ohne den ausführenden Teil sprechen wir bei den Vorhersagen von „Predictive Analytics“. Diese Technologie unterstützt Unternehmen auch im Risikomanagement oder bei der Früherkennung von Trends. Branchenübergreifend sind die wirklich intelligenten Roboter, die Autonomous Agents, gerade einmal in zwei Prozent der Unternehmen im erprobten Einsatz, weitere drei Prozent befinden sich in einer Testphase.

Automation als mehrspurige Autobahn

Der Weg zur intelligenten Prozessautomation ist nicht als Einbahnstraße zu verstehen, die einzelnen Stufen lösen sich nicht nacheinander ab. Prozessautomation ist eher eine mehrspurige Autobahn. So wie manche Fahrzeuge gar keine Schnellspur benötigen – etwa Lkws, die sensible Waren transportieren – wird bei vielen Prozessen gar keine „echte“ KI benötigt. Es geht nicht darum, wer am schnellsten sein ganzes Unternehmen automatisiert oder die höchstentwickelte KI im Einsatz hat.

Ziel sollte sein, für jeden Anwendungsbereich, in dem Effizienz oder Qualität gesteigert werden soll, eine passende Lösung mit einem sinnvollen Automatisierungsgrad zu finden. Die Roboter müssen sich den individuellen Bedarfen und Gegebenheiten in den Unternehmen anpassen, nicht umgekehrt. Dennoch lohnt sich wie bei allen Möglichkeiten der Digitalisierung die Frage: Was könnte mein Unternehmen mit Unterstützung von Robotern zukünftig tun oder anbieten, das mich vom Wettbewerb unterscheidet? Wie könnte ich mittels intelligenter Prozessautomation - auch in Kombination mit anderen Technologien - mein Geschäftsmodell weiterentwickeln?