Risk-Manager: Ein Frühwarnsystem aufbauen

09.03.2001 von Helga Ballauf
Das Scheitern eines IT-Auftrags kann viele Gründe haben: Ein schwer ersetzbarer Mitarbeiter wird plötzlich krank. Die Zulieferfirma steht vor dem Konkurs. Kurz vor Torschluss zeigt sich, dass das Softwareprojekt nicht zum vereinbarten Termin fertig wird. Die topaktuelle Branchenlösung, für die sich der Kunde entschieden hat, ist von vorne bis hinten unausgereift: All diese Hindernisse zu umschiffen ist die Aufgabe von Risk-Managern.

Kritische Projekte sind ihre Spezialität: Christiane Feder-Andres übernimmt meist solche Softwareaufträge, “die sich anders entwickeln, als anfangs gedacht”. Die promovierte Informatikerin arbeitet bei der sd&m AG, einem Entwickler von Anwendungssoftware in München.

Christiane Feder-Andres

“Risiko-Management ist ein oft vernachlässigter Aspekt im Projekt-Management”, erklärt Feder-Andres. Es geht darum, Schwachstellen eines Softwareprojekts frühzeitig zu erkennen, Lösungswege aufzuzeigen und dabei eine “angemessene Balance zwischen tolerierbarem Projektrisiko und akzeptablen Kosten zu halten”.

Es können technische Risiken auftreten, etwa dann, wenn ein neues Betriebssystem nur als Beta-Release verfügbar ist. Häufig aber stürzen Projekte aus anderen Gründen ab, zum Beispiel dann, wenn die Fachabteilung eines Unternehmens sich gegen die Einführung eines neuen DV-Systems sperrt, weil sie bei der Planung nicht einbezogen war.

Idealerweise greift der Risk-Manager ein, bevor die Situation eskaliert. “Erstaunlicherweise ist das bei Softwareprojekten aber selten der Fall”, sagt Fachfrau Feder-Andres und erklärt dies so: “Der Schritt zum planerischen, systematischen und ingenieurmäßigen Handeln ist in der IT-Branche noch nicht vollzogen. Solche Methoden werden leicht als bürokratisch abgetan.” Jedes Teammitglied müsse das Zeug und den Mut haben, rechtzeitig auf Schwachstellen in Projektplanung und -realisierung aufmerksam zu machen, sagt Feder-Andres. Denn allein auf sich gestellt könne der beste Risk-Manager kein funktionierendes Frühwarnsystem aufbauen. Dazu gehört eine realistische Zeitplanung - durchaus keine Selbstverständlichkeit, wie die Expertin weiß. “Da wird bei Schätzungen immer der günstigste Fall angenommen.

Es wird übersehen, dass das korrekte Ergebnis selten in einem Wurf gelingt. Kommunikationszeiten für Abstimmungen im Team und mit dem Kunden werden ignoriert.” Risk-Manager machen sich manchmal unbeliebt, wenn sie Schätzungen der Mitarbeiter hinterfragen und immer wieder auf einen Abgleich zwischen Projektauftrag und vorläufigem Ergebnis dringen. Oder wenn sie einem Kunden deutlich machen, dass der Rückgriff auf eine ältere, aber bewährte Software empfehlenswerter wäre als der Start mit dem gerade erst entwickelten System, dessen Schwachstellen noch niemand kennt. “Eine schwierige Rolle”, sagt Feder-Andres. “Der Auftraggeber hat das letzte Wort. Aber er muss im Detail erfahren, worauf er sich einlässt, und muss bereit zum Risiko sein.”

Technische Erfahrung sei das eine, was ein Risk-Manager braucht, dazu kämen soziale, betriebswirtschaftliche und arbeitsorganisatorische Kompetenzen. Bei Profis, die kritisch gewordene Projekte vor dem Scheitern retten, überwögen die nichttechnischen Anforderungen: Kommunikations- und Moderationsfähigkeit, Mitarbeiterführung, Erfahrung im Umgang mit Krisensituationen. Feder-Andres: “Das ist nicht immer einfach, da braucht man privaten Rückhalt und muss mit der Zeit gelassener werden. Ein jahrelanger Lernprozess.