Software-Support

Rimini Street verspricht halbe Kosten für die Softwarewartung

08.12.2016 von Karin Quack
Gebühren für den Software-Support sind für Anwender ein ständiges Ärgernis: Sie treiben die Software-Gesamtkosten auf ein Vielfaches der Lizenzgebühren. Der amerikanische Dienstleister Rimini Street verspricht Abhilfe - und findet damit auch in Europa immer mehr Kunden.

Erfolgreiche Unternehmen geben ihre Technikbudgets eher für Business Intelligence (BI) und Analytics als für Enterprise Resource Planning (ERP) aus, hat das Marktforschungs- und Beratungsunternehmen Gartner in seiner jährlichen Anwenderbefragung ermittelt. Demnach bezeichnen im laufenden Jahr gerade einmal acht Prozent der "Top-Performer" unter den Befragten das Thema ERP als Investitionspriorität Nummer eins.

Das sei auch gut so, meinen die Analysten. Denn die in ERP investierten Mittel fehlten am Ende für Projekte, die das Unternehmen wirklich voranbrächten. Das seien beispielsweise Advanced Analytics, Internet der Dinge, Digital Security, Business-Algorithmen, lernfähige Maschinen und Virtual Customer Assistants.

Aber viele Unternehmen haben nun einmal umfangreiche, komplexe und zumeist auch betagte "Systems of Record" zu pflegen. Und deren Wartung verschlingt pro Jahr einen Betrag, der im Durchschnitt etwa einem Fünftel der ehemals gezahlten Lizenzkosten entspricht. Das gilt zumindest dann, wenn das Unternehmen diesen Service dem ursprünglichen Softwarelieferanten anvertraut, wie es hierzulande immer noch die allermeisten Anwenderunternehmen tun.

Wartungskosten halbieren: Das verspricht Drittanbieter Rimini Street. Anwender müssten dafür keine Einbußen in Sachen Support-Qualität hinnehmen. Angaben des Unternehmens zufolge arbeiten über 800 hochqualifizierte Mitarbeiter im Kunden-Support. Das seien Experten mit langer Berufserfahrung, die den Anwendern wirklich weiterhelfen könnten.
Foto: Brasil Creativo / shutterstock.com

Software-Support-Kosten - ein Eisberg

Das in Las Vegas beheimatete Serviceunternehmen Rimini Street hingegen macht es für die Hälfte, so verpricht President Sebastian Grady. "Wir haben fürs Erste ein ganz einfaches Preismodell", erläutert er: "Egal, welchen Rabatt der Kunde ausgehandelt hat, wir berechnen ihm genau 50 Prozent dessen, was er dem Softwarelieferanten zahlt." Dieser Lieferant ist nicht immer, aber derzeit noch am häufigsten Oracle. Das in Europa vor allem mit Datenbanksoftware sowie mit zugekauften Customer-Relationship-Management-(CRM-) und Human-Resources-(HR-)Paketen bekannt gewordene Unternehmen hat in den USA eine große Kundenbasis für seine ERP-Systeme. Zunehmend gewinnt Rimini Street allerdings auch Anwender von SAP-Software für sein Dienstleistungsangebot.

Unter dem Strich stellt Grady seinen Kunden sogar eine noch viel höhere Ersparnis in Aussicht als die 50 Prozent Nachlass. Softwarewartung durch den ERP-, CRM- oder BI-Anbieter sei mit einem Eisberg vergleichbar (siehe Seite 34: "Die ,wahre` Wartungsrechnung"): Der sichtbare Teil, also die in vielen Fällen einfach notwendige Softwarepflege, mache nur etwa die Hälfte des Gesamtaufwands aus. Hinzu kämen "erzwungene Upgrades" in Form von "Support-Paketen", Unterstützung für individuelle Anpassungen ("Customization Support") und, nicht zu vergessen, Eigenleistungen des Anwenders ("Self Support"). Rimini Street hingegen zwinge seinen Kunden keine Upgrades auf, sondern empfehle sie nur, wenn das Anwenderunternehmen davon einen geschäftlichen Vorteil habe, beteuert der President. Customizing und maßgeschneiderter Support seien in der Wartungsgebühr enthalten. Und am Ende liege die tatsächliche Ersparnis für den Kunden bei 75 bis 90 Prozent.

Support und Wartung machen bei SAP und Oracle rund die Hälfte der Gesamteinnahmen aus:

Geschäftsjahr

2016

2015

2014

2013

2012

2011

2010

2009

Oracle

Lizenzen

7,276

8,535

9,416

10,321

9,906

9,235

7,533

7,123

Updates/Support

18,861

18,847

18,206

17,142

16,210

14,796

13,092

11,754

Gesamtumsatz

37,047

38,226

38,275

37,180

37,121

35,622

26,820

23,252

SAP

Lizenzen

-

4,835

4,399

4,516

4,658

3,971

3,265

2,607

Updates/Support

-

10,093

9,368

8,738

8,237

6,967

6,133

5,285

Gesamtumsatz

-

20,793

17,560

16,815

16,223

14,233

12,464

10,672

Oracle: Angaben in Milliarden Dollar; SAP: Angaben in Milliarden Euro; Quelle: Geschäftsberichte

Außerdem will Grady nicht nur mit besseren Preisen, sondern auch mit mehr Servicequalität punkten. Derzeit arbeiteten mehr als 830 zumeist hoch qualifizierte Menschen für Rimini Street, sagt er: "Wir heuern Leute an, die 150.000 bis 200.000 Dollar im Jahr verdienen. Das sind keine Berufsanfänger für einen Level-1- oder Level-2-Support. Das sind Experten, die 20 Jahre Erfahrung haben und den Kunden wirklich weiterhelfen können." Ein Service-Verantwortlicher betreue bei Rimini Street auch nur vier Kunden, so Grady. Die Service-Level-Agreements sagten für den Notfall eine Reaktionszeit von 15 Minuten zu. "Außerdem fixen wir sofort und verweisen nicht auf ein nächstes Release."

Kontinuierliches Umsatzwachstum

In den USA ist Rimini Street mit diesem Angebot bereits ziemlich erfolgreich: Eigenen Angaben zufolge verzeichnete das Unternehmen zum Ende des dritten Quartals (30. September 2016) mehr als 1600 Kunden. Der weltweite Umsatz lag im vergangenen Jahr bei 118 Millionen Dollar - und wurde in den ersten neun Monaten des laufenden Geschäftsjahrs schon um etwa elf Millionen Dollar übertroffen.

Eigenen Angaben zufolge wächst Rimini Street seit nunmehr 43 Quartalen kontinuierlich, in den vergangenen dreieinhalb Jahren sogar um durchschnittlich 38 Prozent im Jahr. 43 Quartale - das sind fast elf Jahre. Etwa genauso alt ist das Unternehmen.

Rimini Street wurde im September 2005 gegründet. Zufall oder nicht - im selben Jahr übernahm Oracle den HR-Spezialisten Peoplesoft. Letzterer erwies sich häufig als Reservoir für Unternehmer- und Management-Talente. So ließen sich beispielsweise Peoplesoft-Gründer Dave Duffield und seine rechte Hand Aneel Bhusri nach der Akquisition auszahlen und riefen den Human-Capital-Management-(HCM-)Spezialisten Workday ins Leben. Wodurch sie zu Mitbewerbern für Oracle wurden.

Die „wahre“ Wartungsrechnung Rimini Street zufolge macht offizielle Wartung nur einen Teil des Support-Aufwands aus. Hinzu kämen erzwungene Upgrades sowie Customization- und Self-Support der Anwender.
Foto: Biff Tenon / shutterstock.com

Third-Party-Maintenance für Software

Auch durch den ehemaligen Peoplesoft-Vertriebschef Seth Ravin erwuchs Oracle ein Konkurrent - wenn auch auf einem ganz anderen Gebiet. Ravin hatte Peoplesoft schon zwei Jahre vor der Übernahme verlassen und war bei der Suche nach einer neuen Herausforderung auf den Dienstleister TomorrowNow gestoßen. Das 1998 gegründete Unternehmen übertrug erstmals das Third-Party-Maintenance-Konzept vom Hardware- auf den Standardsoftwaremarkt. 2002 stieg Ravin dort als President ein.

Unter Ravins Leitung wandelte sich TomorrowNow von einem kleinen "Boutique"-Anbieter für technische Beratungs- und Serviceleistungen zu einem unabhängigen Support-Anbieter für Peoplesoft-Produkte. Das Unternehmen offerierte die Pflege der Standardsoftware gegen ein - im Vergleich zum Softwarelieferanten - moderates Entgelt. 2004 weitete es sein Angebot auf Produkte von JD Edwards aus. Der Spezialist für mittelständische ERP-Lösungen firmierte damals im Zuge von Akquisitionen ebenfalls unter dem Firmendach von Oracle.

Infolgedessen dürfte der Vorstoß des Wartungsdienstleisters Oracle gar nicht geschmeckt haben, denn die kontinuierliche Pflege älterer Softwareprodukte wirft für die großen Anbieter unter dem Strich etwa genauso viel ab wie der Verkauf von Lizenzen.

Schneller als Oracle reagierte jedoch die zunächst gar nicht bedrohte SAP. Auf der Jagd nach wechselwilligen US-Kunden beschloss der deutsche Softwarekonzern kurzerhand, TomorrowNow zu akquirieren. Anfang 2005 meldeten die Medien Vollzug.

SAP verkalkuliert sich - Oracle klagt

Nach der Übernahme blieb Ravin nur drei Monate an Bord. Doch hatte er in den drei Jahren zuvor einen Marktbedarf festgestellt, den er nun auf eigene Faust befriedigen wollte. Im Herbst desselben Jahres gründete er Rimini Street als Support-Dienstleister für Siebel-Produkte - ebenfalls von Oracle aufgekauft. Im Jahr darauf kamen Serviceangebote für Peoplesoft und JD Edwards hinzu. Andere Oracle-Produkte folgten. Und seit 2008 wendet sich Rimini Street auch an die SAP-Kunden.

SAP hingegen wurde mit seiner Akquisition nicht glücklich. Oracle verklagte den Mitbewerber auf Schadenersatz wegen unberechtigter Nutzung seiner Software. Und dieser Rechtsstreit sollte länger dauern als das ganze Engagement der SAP in Sachen TomorrowNow.

2008 verabschiedete sich der deutsche Softwareprimus wieder vom Thema Fremdwartung - im selben Jahr, in dem sich Rimini Street der SAP-Software zuwandte. Presseberichten zufolge war es SAP nicht gelungen, mehr als ein knappes Viertel der TomorrowNow-Kunden von der Oracle-Software auf die eigene Produktlinie zu konvertieren.

Das endgültige Urteil über die Causa Oracle versus TomorrowNow wurde erst 2014 gesprochen. Am Ende zahlte SAP dem Erzrivalen rund 360 Millionen Dollar - und schickte den überwiegenden Teil der TomorrowNow-Kunden zu ihm zurück.

Geistiges Eigentum von Peoplesoft verletzt

Eine ähnliche Strategie wie gegen SAP verfolgte Oracle auch in Sachen Rimini Street. Gegen den Emporkömmling strengte der Anbieter von ERP-, CRM- und HCM-Software 2010 mehrere Klagen an. Stattgegeben wurde allerdings nur einer davon: Nach Ansicht des Gerichts hatte Rimini Street Oracles "geistiges Eigentum" verletzt, als es Peoplesoft-Installationen der Kunden auf eigene Server herunterlud.

"Wir haben das nicht mit Absicht getan", beteuert President Grady, übrigens auch ein Manager mit Peoplesoft-Vergangenheit: "Uns war nicht klar, dass es eine Klausel in den Verträgen unserer Kunden gab, die das ausdrücklich verbot." Laut Grady hat Rimini Street die Software sofort von den eigenen Servern gelöscht, nachdem Oracle das forderte. Doch das bewahrte den Dienstleister nicht vor einer Schadenersatzklage. Nach langem Hin und Her einigten sich die Kontrahenten vor wenigen Wochen auf die Zahlung von 106 Millionen Euro. Die notwendigen Finanzmittel beschaffte sich Rimini Street durch einen 125-Millionen-Dollar-Kredit, den Colbeck Capital Management vermittelte.

Börsengang im kommenden Jahr?

Sollte Oracle gehofft haben, Rimini Street damit aus dem Geschäft zu drängen, ging der Schuss nach hinten los. Das (noch) nicht börsennotierte Unternehmen ist nach wie vor auf Wachstum gepolt. Möglicherweise auch mit Hilfe eines Börsengangs. Früheren Verlautbarungen zufolge ist der für das kommende Jahr geplant. Mit Rücksicht auf die strengen Regulierungen der amerikanischen Börsenaufsicht will das Unternehmen derzeit nicht mit einer Bestätigung herausrücken - geschweige denn, irgendwelche Details verraten.

Rimini Street hatte, das immerhin leugnen die Entscheidungsträger nicht, schon vor vier Jahren das Initial Public Offering (IPO) in die Wege leiten wollen. Wegen der gerichtlichen Auseinandersetzungen mit Oracle war das Klima damals aber nicht optimal für einen solchen Schritt. Dieses Hindernis ist nun aus dem Weg geräumt. Mit anderen Worten: Einem neuen Anlauf stünde theoretisch nichts im Weg.

Starkes Wachstum in Europa

Der weitaus größte Teil der Rimini-Street-Klientel ist derzeit in den USA heimisch. Nach europäischen Vorzeigeunternehmen gefragt, sieht sich Jill Harrison, als Managing Director für den alten Kontinent verantwortlich, zu einer Erklärung genötigt. Derzeit belaufe sich die originär europäische Kundenbasis nur auf 60 bis 70 Unternehmen. Aber die europäischen Niederlassungen internationaler Konzerne seien in dieser Zahl nicht enthalten. In Deutschland, dem SAP-Heimatmarkt, sei die Kundenakquise naturgemäß besonders schwierig.

Nichtsdestoweniger legte der in Europa erzielte Umsatz in den vergangenen vier Quartalen, sprich: vom 1. Oktober 2015 bis zum 30. September 2016, überdurchschnittlich zu, bekräftigt Rimini Street in seiner jüngsten Mitteilung. Das Wachstum für den europäischen Markt wird darin mit 67 Prozent beziffert. Absolute Zahlen nennt das Unternehmen nicht. Muss es ja auch nicht, solange es nicht "public" ist.

Und die Voraussetzungen für weiteres Wachstum scheinen nicht schlecht. Kürzlich hat die Deutsche Oracle-Anwendergruppe (DOAG) die Ergebnisse ihrer jüngsten Support-Umfrage veröffentlicht - und die fielen für Oracle wieder einmal wenig schmeichelhaft aus (siehe Seite 8). Mehr als die Hälfte der über 200 befragten Anwenderunternehmen kritisierte die Support-Leistungen ihres Softwarelieferanten als nicht ausreichend. Die Konsequenz: Gut jeder zweite denkt darüber nach, den Support für seine Oracle-Systeme einem Drittanbieter anzuvertrauen.

Run simple? - Zu früh für viele Kunden

Weitere Störmanöver von Seiten der Softwarelieferanten erwartet Grady offenbar nicht mehr. Aus seiner Sicht haben die eigentlich auch keinen Grund, sich zu grämen: "Unsere Kunden installieren immer noch Software von Oracle und SAP. Und genau genommen sind wir doch ein Segen für diese Anbieter. Viele Kunden wären vielleicht längst abgesprungen, wenn wir nicht die Cost of Ownership im erträglichen Rahmen hielten."

Dass Cloud-Angebote wie S/4HANA von SAP (Werbeslogan: "Run Simple") dem Support-Dienstleister mittelfristig das Wasser abgraben könnten, bestreitet Grady: "Es gibt keinen Business-Case für ein Upgrade auf S/4HANA, das belegen mehrere Studien", konstatiert er. "Das ist ja eigentlich auch kein Upgrade, sondern eine Lösung, die völlig neu implementiert werden muss. Und dafür haben die Unternehmen aus unserer Sicht noch fünf bis zehn Jahre Zeit." (ba)