Radio Frequency Identification

RFID schöpft wirtschaftliche Potenziale kaum aus

24.07.2008 von Karin Quack
Die Radio Frequency Identification, kurz RFD, ist derzeit noch eine Spielwiese für Technologiebegeisterte. Zu diesem Schluss kommt eine Studie unter der Federführung des Fraunhofer IPT.

Theoretisch verspricht der Einsatz der RFID-Technik einen höheren Automatisierungsgrad der Prozesse, denn er ermöglicht die direkte Verknüpfung von Daten-, Material- und Geldströmen. Ausgehend von dieser Erkenntnis haben das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie (IPT) und die P3 Ingenieursgesellschaft mbH, beide in Aachen ansässig, Ende vergangenen Jahres eine Markt- und Technikstudie gestartet. Die Ergebnisse liegen seit kurzem vor.

Seit kurzem liegen die Ergebnisse einer RFID-Studie vor, die das Fraunhofer IPT und die P3 Ingenieursgesellschaft initiiert haben.
Foto: xyz xyz

Zum einen befragten IPT und P3 rund 100 Unternehmen, größtenteils aus den RFID-affinen Branchen Maschinen- und Automobilbau sowie Logistik, nach ihren Erfahrungen und Einschätzungen zum Thema RFID. Zum anderen wurde die Technik selbst auf ihr Einsatzpotenzial abgeklopft. Den Auftrag hierfür erhielt das Institut für Distributions- und Handelslogistik (IDH), Dortmund. Ziel der Studie war es, Antworten auf folgende Fragen zu erhalten: Welche Technik passt zu welcher Anwendung? Sind die Systeme ausgereift? Welche Prozesse lassen sich integriert optimieren? Vor allem aber: Ist die Einführung auch wirtschaftlich und strategisch sinnvoll?

Die Hälfte der Befragten ist enttäuscht

Das Fazit der Anwenderbefragung fällt ernüchternd aus: Obwohl RFID eine bereits seit Jahrzehnten existierende Technologie sei, stecke die Erschließung ihrer wahren Potenziale noch in den Kinderschuhen, so der Tenor. In jedem zweiten der befragten Unternehmen hat die RFID-Einführung nicht zu den erwarteten Ergebnissen geführt. 32 Prozent der Unternehmen erzielten immerhin einen Teilerfolg, aber nur 18 Prozent sahen ihre Erwartungen wirklich erfüllt - oder sogar übererfüllt (vier Prozent).

Allenfalls die Hälfte der RFID-Einführungen erfüllte die Erwartungen der Anwender.
Foto: Fraunhofer IPT, P3

Ein Viertel der Umfrageteilnehmer äußerte die Ansicht, RFID sei technisch noch unausgereift, weshalb von einer Anwendung abzusehen sei. Die technische Vergleichsstudie bestätigt das zum Teil. Beispielsweise ist die Funktechnik noch extrem störanfällig. So treten vor allem bei den Ultrakurzwellen-Systemen häufig Interferenzen auf, die ein Auslesen der RFID-Chips unmöglich machen.

Mit den vor allem auf kurze Distanzen als robuster geltenden Kurzwellen-Installationen verbindet sich ein anderes Problem. Im Gegensatz zum mittlerweile verbindlich standardisierten UHF-Bereich (siehe "Die Zukunft der Funktechnik heißt Gen2") wurden hier zwar ISO-Normen formuliert, aber sie haben sich nie wirklich durchgesetzt, berichtet Karsten Oltersdorf vom IDH. Viele Anbieter von Chips und Lesegeräten hätten die Standards für ihre Zwecke angepasst oder erweitert, weshalb die Installationen nur innerhalb der geschlossenen Herstellerwelt funktionierten.

Erschwerend für den Anwender komme hinzu, dass im Rahmen eines Gesamtsystems unzählige Standards zu beachten seien, so Oltersdorf weiter. Es gebe quasi für jede Teilkomponente eine separate Norm.

Deshalb empfiehlt die Studie, jede Implementierung durch umfangreiche Tests zu begleiten. Denn, darin sind sich die Autoren mit vielen RFID-Kennern einig, ein "RFID von der Stange" gibt es nicht - nicht einmal für alltägliche Anwendungen.

Techniknahe Bereiche geben den Anstoß

Mindestens so gravierend wie die technischen Probleme ist den Studienergebnissen zufolge jedoch die Tatsache, dass RFID weder aus prozessualer noch aus wirtschaftlicher Sicht konsequent genug eingeführt werde. Immerhin verfolgten 72 Prozent der befragten Unternehmen mit der RFID-Einführung das konkrete Ziel, ihre Prozesse zu verbessern, also die Kosten zu senken und die Fehleranfälligkeit zu mindern. Doch nur wenigen dieser Entscheidungen liege ein detaillierter Business-Case zugrunde.

In sieben von zehn Fällen geben IT oder Logistik den Anstoß für die RFID-Einführung.
Foto: Fraunhofer IPT, P3

Wie die Ergebnisse ausweisen, sind die wertschöpfenden Unternehmensbereiche an der Konzeption von RFID-Systemen kaum beteiligt. Der Anstoß für den RFID-Einsatz komme offenbar überwiegend (zu 69 Prozent) aus den techniknahen Abteilungen, also aus der IT oder der Logistik. Von Entwicklung, Produktion und Einkauf gehe der Impuls eher selten aus. Damit sind auch die Projekte in den meisten Fällen technikorientiert. Zudem würden komplexe Prozesse nur in Ausnahmefällen integriert und automatisiert, ergänzt die Studie. Auf diese Weise ist es dann wenig wahrscheinlich, dass die durchaus vorhandenen wirtschaftlichen Potenziale des RFID-Einsatzes ausgeschöpft werden.

Das Fazit der Untersuchung lautet deshalb: Derzeit ist RFD tatsächlich noch eine Spielweise für Technologiebegeisterte, und die wirtschaftliche Nutzung der Technik steht erst am Anfang.

Integration der Wertschöpfungskette

Eine erfolgreiche RFID-Implementierung muss vier Aspekte abdecken.
Foto: P3

Um die Vorteile der Funkidentifikation besser ausnutzen zu können, müssen die RFID-Anwendungen die automatische Datenerfassung per RFID mit lokalisierenden und historischen Produktdaten sowie mit Informationen über die Geldflüsse kombinieren, so die Empfehlung der Studie. Voraussetzung dafür sei die vollständige Integration der Wertschöpfungskette. Und dazu müssten die Einführungsprojekte folgende Aufgaben erfüllen:

Nur wenn alle vier Aspekte abgedeckt sind, kann das einführende Unternehmen nicht nur von den technischen, sondern auch von den wirtschaftlichen Vorteilen der RFID-Technik profitieren.

Vor allem innerhalb des Unternehmens

Positive Beispiele für die ökonomisch sinnvolle Nutzung dürften letztlich auch dafür sorgen, dass die Zahl der neuen Anwendungen sprunghaft steigt. Und das erzeugt einen Masseneffekt, der weitere Möglichkeiten des RFID-Einsatzes eröffnet. (Siehe dazu auch Elgar Fleisch von der Hochschule St. Gallen in "Was vom Hype übrigblieb".)

Die meisten RFID-Anwendungen bleiben innerhalb der Unternehmensgrenzen.
Foto: Fraunhofer IPT, P3

Der Studie zufolge nutzen die meisten Anwendungen (66 Prozent) die Funkidentifikation derzeit lediglich für die innerbetriebliche Prozessintegration. Nur zwei von fünf RFID-Anwendungen überschreiten die Unternehmensgrenzen. 60 Prozent davon, sprich: 25 Prozent aller untersuchten Applikationen, wirken branchenübergreifend. Da gibt es also noch viel Raum für eine kooperative Techniknutzung. Aber wenn die wirtschaftlichen Vorteile der Anwendungen erst einmal evident sind, werden sich auf dieser Basis, davon sind die Autoren der RFID-Studie überzeugt, neue Prozesse und Organisationsformen entwickeln. Und die würden dann Kostenersparnisse ermöglichen, an die heute noch niemand denke.

Wer sich für die Studie im Detail interessiert, kann sie bei Mario Isermann vom Fraunhofer IPT anfordern - unter mario.isermann@ipt.fraunhofer.de. Sie kostet 199 Euro.