Andreas Resch, Bayer

Resch - nicht rasch

29.11.2006 von Horst Ellermann
"Wenn du es eilig hast, gehe langsam", lautet ein alter Management-Spruch. Noch besser: Verbringe dreieinhalb Stunden mit dem CIO der Bayer AG.

8.30 Uhr, Flughafen München: Alles startklar für den ersten Film über Andreas Resch, den Chef von Bayer Business Services (BBS). "Wir machen sechs Statements und ein längeres Stück über sein Lieblingsprojekt", erklärt der Regisseur. Der Kameramann nickt. Er wird dreieinhalb Stunden haben, mehr will Resch nicht von seinem Urlaubstag abknapsen.

Erfolgsbausteine

- Positionierung der BBS im Wettbewerbsumfeld

- internationale Produktkataloge

- strikte Bedarfsorientierung

- globale Kooperation mit DHL

- Entwicklungspartnerschaft mit Microsoft für electronic signature

- Engagement in CIO-Netzwerken

10.45 Uhr, A 3: Nur dreieinhalb Stunden und jetzt Stau. Was für ein absurder Plan, in einer Stunde von Köln nach Leverkusen fahren zu wollen. Die Zeit fürs "Location Scouting" schmilzt ab. Der Kameramann trommelt unruhig auf dem Lenkrad.

11.30 Uhr, Hauptgebäude der BBS: Resch hat einen Pressereferenten, der früher selbst Kameramann war. Er hat eine Vorauswahl der "Locations" getroffen, vor denen der Chef sprechen könnte. Egal, was Resch jetzt sagen wird, die Hintergründe stimmen schon mal. Der Zeitplan passt wieder.

12.55 Uhr, Präsentationshalle der Bayer AG: Resch betritt den Raum. Fünf Minuten zu früh. Er schüttelt allen Anwesenden die Hand, auch dem Tontechniker.

Für einen Komminikationsprofi wie Bayer-CIO Andreas Resch sind aussagekräftige, aber dennoch kurze Statements für die Kamera kein Problem.

13.00 Uhr, Showroom der Bayer Crop Science: Resch beginnt pünktlich mit seinem ersten Statement: "Outsourcing hatte früher für uns eine eigenständige Bedeutung. Da haben wir uns um Strategien für das Outsourcing bemüht. Das hat sich gedreht: Für uns ist Outsourcing Mittel zum Zweck geworden. Wir überlegen uns in der ersten Instanz, was können wir an unseren Standorten in Deutschland herstellen und was an den Bayer-Standorten zum Beispiel in Indien oder in Lateinamerika..."

13.10 Uhr, gleiche Location: Leider ist im Hintergrund die falsche Präsentation angesprungen. Alle Bilder sind unbrauchbar. Resch reagiert gelassen. Er fängt noch einmal von vorne an und ergänzt: "... die Teile, die wir nicht mehr unter Ausnutzung unserer verschiedenen Standorte wettbewerbsfähig herstellen können, die rutschen ins Visier des Outsourcing. Und dieses Outsourcing ist dann auf einmal etwas, was wir nicht mehr eigenständig formulieren, sondern es ist nur noch ein Mittel für die Wettbewerbsfähigkeit."

13.25 Uhr, Showroom der Bayer Material Science: Nase pudern. Nächstes Statement: "Bei der Standardisierung kommen wir mit einer einzelnen Bewertung nicht aus. Auf der einen Seite standardisieren wir rigoros. Das betrifft Software für ERP-Systeme, Systemkomponenten und andere Dinge. Auf der anderen Seite haben wir Bereiche, wo die Firma sich sehr spezielle Gebiete erschließt. Bio-Informatics, Abfall-Informationssysteme und Ähnliches. Da gehen wir genau den entgegengesetzten Weg und sagen: Es muss Best of Breed sein. Standard spielt dort keine Rolle. Insgesamt versuchen wir, möglichst wenig im Mittelfeld zu haben. Entweder rigoros standardisieren oder ganz klar Best of Breed."

Andreas Resch bleibt auch dann Gelassen, wenn die Dreharbeiten nicht so rund laufen.

14.05 Uhr, auf dem Weg zum übergroßen Herz-Kreislauf-Modell: "Sie müssen sagen, wenn ich zu viel rede", sagt Resch zum Regisseur. Der verneint. Passt alles wunderbar. Resch hat en passant noch seine Position zu ERP, zu Risiko-Management und zu Enterprise Content Management erläutert - ein Statement mehr, als eigentlich geplant war.

14.45 Uhr, vor einer Weltkarte mit allen Bayer-Standorten. Das Licht stimmt überhaupt nicht. Aber die Karte passt prima zu dem, was Resch über Zentralisierung sagen will. Also improvisiert der Kameramann - auch wenn die Drehzeit im Präsentationszentrum gerade abläuft. Wenn sich Resch nicht verhaspelt, passt alles noch in den Plan. Und bis jetzt hat er sich kein einziges Mal verhaspelt.

14.55 Uhr, Weltkarte, 1500 Watt mehr: "Bayer ist sehr dem Konzept der Shared Service Center verpflichtet. Die Funktionsbereiche sind für uns weltweit an einem Punkt fokussiert. Auf der anderen Seite sind wir natürlich regional sehr verteilt." Resch schwenkt den rechten Arm zur Karte: "Leverkusen ist bekannt. Global Data Center in Singapur, Know-how-Bereich in Hongkong, große Fabriken in Shanghai. Aber genauso auf der anderen Seite..." Schwenk nach links: "...das zweite große Data Center in Pittsburgh, viele Ressourcen in Lateinamerika und genauso in Europa: Barcelona mit einem eigenen Shared Service Center und auch einem Delivery Center. Das heißt also räumlich sehr verteilt. Von der Logik her, von der Frage, wie steuern wir, aber sehr zentralisiert."

Zur Person

  • Seit 2004 CIO der Bayer AG und Vorsitzender der Geschäftsführung der Bayer Business Services GmbH;

  • 2000 bis 2003 Geschäftsführer und CIO der Fiege-Gruppe, Greven;

  • 1993 bis 2000 kaufmännischer Leiter der Herlitz AG, Berlin; seit 1997 Vorstand für Logistik und Informationstechnologie;

  • 1988 bis 1993 Leiter Organisation und Datenverabeitung Francotyp-Postalia, Berlin;

  • Studium der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften.

15.00 Uhr, Lobby: Die Leiterin des Präsentationszentrums zickt. Die nächste Besuchergruppe soll jetzt rein. Der Regisseur möchte aber noch ein paar Szenen drehen. Natürlich hat Resch auch der Leiterin zuvor die Hand geschüttelt. Sie lässt sich beschwichtigen.

15.35 Uhr, Vereinzelungs-Schleuse zum Rechenzentrum: Alle Beteiligten füllen artig ihre Eintrittsausweise aus, auch Resch selbst. Jetzt wird es doch wieder knapp. Resch muss in 55 Minuten sein Vorzeigeprojekt erklären. Und natürlich stimmt das Licht wieder nicht.

15.55 Uhr, Kontrollzentrale im Rechenzentrum: Resch schüttelt schon wieder allen Mitarbeitern die Hand. Er flüstert, um so wenig wie möglich zu stören: "Was wir hier steuern, das sind weltweite Dienste für zigtausende Anwender. Sie könnten sagen, dafür haben die aber ein relativ großes Budget, um das alles zu fahren. Das ist aber nicht entscheidend. Entscheidend ist, was haben diese Dienste letztes Jahr gekostet? Können wir zeigen, dass wir in diesem Jahr schon günstiger sind? Und werden wir im nächsten Jahr noch mal fünf oder zehn Prozent günstiger werden? Das ist nicht mehr budgetgetrieben, das ist performancegetrieben. Und dieser Mentalitätswechsel - von der Budget-Orientierung hin zur Performance-Orientierung - das ist das Projekt, an dem wir seit zwei Jahren arbeiten."

16.15 Uhr, Büro des Vorsitzenden der BBS-Geschäftsführung: Eigentlich ist Resch ja im Urlaub, aber ein Mitarbeiter will ihn dringend sprechen. Die Integration der Schering-IT klemmt. Resch wird bald nicht mehr 4400 Mitarbeiter haben, sondern womöglich 5200. Das Problem fordert fünf Minuten Aufmerksamkeit. Zeit für die Besucher, das Bücherregal zu studieren. SAP-Chef Henning Kagermanns neuestes Werk ist noch eingeschweißt. Daneben steht "Life of Pi", zu deutsch: "Schiffbruch mit Tiger". "Sollten Sie unbedingt mal lesen", sagt Resch, als er mit den zwei Cappuccino zurück in sein Büro schreitet.

Buchtipp

Schätzing, Frank: Lautlos.