Rekordverlust von 250 Millionen Dollar im vierten Quartal

Rekordverlust von 250 Millionen Dollar im vierten Quartal Hat Baan die Talsohle erreicht?

29.01.1999
MÜNCHEN (IDG/bs) - Das niederländische Softwarehaus Baan Comp. schließt das vierte Quartal 1998 mit einem Rekordverlust von rund 250 Millionen Dollar ab. Umstrukturierungen und Finanzspritzen sollen aus der Misere führen.

Nach Bekanntwerden der Ergebnisse gab der Wert der Aktie prompt um sieben Prozent nach. Derzeit tendiert das Papier bei zehn Dollar. Peter Hasler, Finanzanalyst bei der Hypo-Vereinsbank in München, empfiehlt Kunden, die Aktie zu verkaufen. Er erwartet eine unterdurchschnittliche Kursentwicklung. Seine Devise: "Investiere niemals in Software-Unternehmen mit sinkendem Marktanteil." Baans Probleme seien noch lange nicht ausgestanden, auch wenn ein Investmenthaus wie Flechter International 75 Millionen Dollar als erste Finanzspritze bereitstelle (siehe CW 3/99, Seite 15).

Im vierten Quartal 1998 sank der Umsatz der Softwerker im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 35 Prozent auf nur noch 142 Millionen Dollar. Der Verlust für diese Periode summiert sich auf 250 Millionen Dollar. Darin enthalten seien 40 Millionen Dollar Minus aus dem operativen Geschäft sowie 160 Millionen für Umstrukturierungsmaßnahmen - 50 Millionen mehr als ursprünglich geplant. Zudem habe man für 50 Millionen Dollar Lizenzen aus den Vertriebskanälen, also von Partnern zurückgekauft, teilte das Unternehmen mit.

Damit jedoch nicht genug: Auch der Verlust für das dritte Quartal 1998 sei höher als die zunächst angegebenen 31,7 Millionen Dollar. Der im letzten Herbst erfolgte Zukauf von Caps Logistics, einem Anbieter von Supply-Chain-Management-Software, müsse anders bilanziert werden. Dadurch ergebe sich ein weiterer Fehlbetrag von 16 Millionen Dollar. Der Verlust für das gesamte Geschäftsjahr 1998 werde sich auf rund 280 Millionen Dollar belaufen. Die endgültigen Jahresergebnisse sollen Anfang Februar bekanntgegeben werden.

Seit Anfang 1998 kämpfen die Softwerker mit hausgemachten Problemen: Verluste im operativen Geschäft, undurchsichtige Buchungspraktiken und irreführende Angaben über die Finanzlage des Unternehmens führten im Mai zu einem starken Kursverfall der Aktien. Aber nicht nur die Anleger kehrten Baan den Rücken zu. Auch viele Anwender, verunsichert über die Finanzkraft des Unternehmens, entschieden sich für andere Lösungen. Sogar eine Reihe von Baan-Bestandskunden stoppten laufende Projekte und setzen auf ein anderes ERP-Paket - sehr zur Freude der SAP.

Finanzfachleute bemängelten überdies die undurchsichtigen Strukturen und Beteiligungen von Baan. Umsätze wurden zwischen Tochterunternehmen hin- und hergeschoben, um die Gesamteinnahmen der Company aufzublähen: "Baan hat durch Lizenzverkäufe an seine Vertriebspartner immer eine Unternehmensgröße vergegaukelt, die jeder tatsächlichen Grundlage entbehrt", gibt Hasler zu Protokoll. Die Lizenzen seien großteils nie bei Kunden angekommen, wie Insider berichten. Ein Beweis dafür sei der jetzt bekanntgegebene Rückkauf von Lizenzen in Höhe von 50 Millionen Dollar, die bei Partnern "geparkt" waren.

Eine tragende Rolle bei den Finanztransaktionen kam laut Insidern auch der Baan Investment zu. Das Unternehmen wurde im Sommer 1998 kurzerhand in Vanenburg Ventures BV umfirmiert, um den Anlegern die Unabhängigkeit der Investment-Gesellschaft vom Softwaregeschäft vor Augen zu führen. Für Laurent Lachal, ERP- Consultant von Ovum Ltd., waren diese Maßnahmen jedoch nur Schönheitskorrekturen. Erst die neuerlichen Umstrukturierungen weisen seiner Meinung nach in die richtige Richtung.

Die Zahl der Mitarbeiter wurde weltweit nun um 1250 auf 4975 reduziert, zusätzlich schloß man 50 Büros. Überdies veräußerten die Softwerker 14 Geschäftsbereiche. Hierzulande trennte sich Baan beispielsweise vom Tochterunternehmen Q.4 IBS und damit vom Comet- Geschäft, sowie von den Bereichen Personalzeiterfassung und Utilities. Auch das Segment Handel wird von Baan nicht mehr als strategisch angesehen, wie die Aufkündigung einer Kooperation mit JDA Software Inc., einem Retail-Spezialisten, beweist.

In puncto undurchsichtige Beteiligungen möchte die Company ebenfalls einen Schlußstrich ziehen: Ziel sei es, mit Beginn des ersten Quartals 1999 keine Lizenzumsätze mehr über Unternehmen der Vanenburg-Ventures-Gruppe zu erwirtschaften. Zusätzlich werde der Name Baan künftig bei keinen Aktivitäten von Vanenburg mehr benutzt, versprach das Unternehmen.