Reinhard Clemens, EDS: "Die Kunden fragen sich, ob Outsourcing das Richtige ist."

08.07.2005
Mit Reinhard Clemens, Geschäftsführer der EDS Deutschland GmbH, sprach CW-Redakteur Joachim Hackmann .

Reinhard Clemens: "Es gibt einige schwarze Schafe in der Industrie."

CW: Haben Sie in den vergangenen Monaten eine Zurückhaltung bei den deutschen Anwendern bemerkt, neue Auslagerungsverträge abzuschließen?

CLEMENS: Im ersten Quartal 2005 gab es eine spürbare Delle bei den Neuverträgen. Das hat sich in den vergangenen acht Wochen wieder geändert, in diesem Zeitraum hat sich die Pipeline, also die Zahl der Gespräche, die zum Vertragsabschluss führen können, mehr als verdoppelt. Es gibt aber keine großen Big-Bang-Deals mehr, in denen die gesamte IT ausgelagert wird. Vornehmlich handelt es sich um begrenzte Projekte etwa für Desktop-Services.

Die Anfragen sind wesentlich qualifizierter als in der Vergangenheit, als wir vornehmlich mit dem Ansatz "mess for less" konfrontiert wurden und einen ungeordneten IT-Betrieb nur günstiger betreiben sollten - ohne strategische Intention. Heute definieren die Kunden die Strategie und entscheiden sich für Outtasking-Verträge, lagern also nur spezielle Aufgaben aus.

CW: Worauf führen Sie die Zurückhaltung zurück?

CLEMENS: Die Unternehmen wollten nicht investieren, darunter hat die ganze Industrie gelitten. Im Outsourcing-Geschäft gab es kaum Neuverträge.

CW: Aber die Serviceindustrie hat über die allgemeine Wirtschaftsflaute hinaus gelitten, weil sehr viele negative Erfahrungen mit dem Auslagern gemacht wurden.

CLEMENS: Es gibt einige schwarze Schafe in der Industrie, die gerne viel versprechen, aber wenig halten. Das konnte man in der Vergangenheit an einigen Beispielen sehr schön sehen, in denen angeschlagene Firmen ihre Assets, ihre Rechenzentren, an Dienstleister verkauft haben. Die Abkommen geben für die Kunden unter strategischen Gesichtspunkten wenig Sinn. Diese Beispiele schaden der gesamten Industrie. Daher rührt die aufkommende Verunsicherung, die Kunden fragen sich, ob das Outsourcing das Richtige für sie ist.

CW: Outsourcing ist nicht neu, die Anbieter haben hinzugelernt, die Kunden auch. Was hat sich geändert?

CLEMENS: In der Vergangenheit gab es viele Joint Ventures von Anwendern und Anbietern, in denen den Kunden Einsparungen von 20 Prozent und mehr versprochen wurden. Nach einigen Jahren kam bei den Unternehmen häufig das Erwachen: Sie mussten erkennen, dass in den Servicezentren immer noch die gleichen Leute saßen. Der Dienstleister hat den IT-Betrieb zwar billiger gemacht, aber nicht besser. Das ist eine Erfahrung, mit der heutige Kunden auf Dienstleister zugehen.

Der neue Trend geht zur Auslagerung von Commodity-Diensten wie Web-Hosting, Desktop- und Rechenzentrumsbetrieb. Wenn Kunden dies auslagern, ist es ihnen egal, wie der Dienstleister die Services erbringt. Als Anbieter hat man viele Freiheiten und kann innovative Verfahren nutzen, um die Qualität zu verbessern und die Preise zu senken, etwa mit weltweiten Sourcing-Konzepten.

CW: Den Betrieb von Commodity-Diensten bieten viele an. Das Sahnehäubchen für die meisten Dienstleister - so scheint es derzeit - sind Aufträge für das Business Process Outsourcing (BPO). Mit diesen höherwertigen Diensten lassen sich bessere Margen erzielen.

CLEMENS: Das stimmt nicht. Im BPO-Umfeld gibt es auch viele Commodity-Dienste, etwa das Drucken und Verteilen der Gehaltsabrechnungen. Glauben Sie nicht, man könne mit Payroll-Services viel Geld verdienen. Gute Gewinnspannen gibt es im HR-Umfeld, wenn man verantwortungsvolle Dienste übernimmt. Die Bereiche Sozialleistungen, Vergütungsmanagement, Personalbeschaffung und Stellenbesetzung, Versetzungen, Personalverwaltung und Personalentwicklung zähle ich dazu. Hier sehen wir großes Potenzial. Daher ist EDS im März ein Joint Venture mit dem HR-Spezialisten Towers Perrin eingegangen.

CW: Welche Bedeutung hat BPO für die IT-Dienstleister?

CLEMENS: Der Hauptumsatz kommt nach wie vor aus dem IT-Umfeld, aber BPO entwickelt sich. Wir sehen gerade Ansätze eines Trends in der Finanzindustrie, BPO-Themen wie Wertpapierabwicklung, Card-Processing und Darlehensverwaltung spezialisierten Anbietern, so genannten Vertical-Business-Process-Outsourcer zu übergeben. Diese Dienstleister bauen für ihre Kunden Shared Service Center für industriespezifische Aufgaben auf.

CW: Andererseits betreiben große Konzerne zunehmend interne Shared Service Center. Siemens macht dies etwa im HR-Bereich. Die Unternehmen haben diese internen Servicezentralen offenbar als Alternative zum Outsourcing entdeckt.

CLEMENS: Diese Entwicklung muss man differenziert betrachten: Shared Service Center zu installieren ist der richtige Ansatz, weil er Kosten transparent darstellt. Nur wer Klarheit über seine Ausgaben und den Umfang seiner internen Dienstleistungen hat, kann ernsthaft über das Outsourcing diskutieren. Insofern halte ich die Einrichtung interner Servicezentralen für einen Schritt in die richtige Richtung. Sie liefern auch keinesfalls Hinweise auf einen Insourcing-Trend. Bislang haben wir nur wenige Fälle gesehen, in denen Firmen Outtasking-Dienste wieder zurückgeholt haben. Dagegen konnte man des Öfteren gescheiterte Outsourcing-Ansätze beobachten. Der Trend lautet meiner Meinung nach nicht: Ich hole alles wieder zurück. Er lautet eher: Ich gebe es nur noch qualifiziert nach draußen und behebe die Fehler der Vergangenheit.

CW: Häufig wird das Outsourcing-Thema auf Vorstandsebene angestoßen, weil die Manager die hohen IT-Kosten beklagen. Ist dort das Wissen um die Risiken und Chancen überhaupt vorhanden?

CLEMENS: Die Topmanager sind immer aufgeklärter, es gibt immer mehr Vorstände, die mit IT groß geworden sind. Die Diskussionen sind wesentlich qualifizierter und zunehmend werden wir mit Fragen konfrontiert, wie Service-Provider die Unternehmen auf IT-Ebene strategisch weiterbringen können. Immer mehr CIOs nutzen Outsourcing als Management-Instrument.