Red Hat Enterprise Linux 4 freigegeben

15.02.2005

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Red Hat macht mit Enterprise Linux 4 (RHEL 4) einen bedeutenden Schritt in Richtung Rechenzentren und geschäftskritische Anwendungen. Die Verbesserungen von RHEL drehen sich im Wesentlichen um die Punkte Performance, Sicherheit und Anwendbarkeit auf Desktops.

Der Distributor verwendet erstmals den Kernel 2.6, genau genommen die Version 2.6.9, der allein schon höheren Durchsatz ermöglicht. Hinzu kommen ein Block-I/O-Subsystem, das durchsatzhungrigen Anwendungen wie Datenbanken entgegenkommt, Verbesserungen des virtuellen Speichers und die Unterstützung der Non-Uniform Memory Architecture (Numa). Die File-Systeme können jetzt 8 TB - statt bisher 1 TB - groß sein. Erweiterungen des Dateisystems EXT3 bringen bessere Performance bei voluminösen Verzeichnissen und Anwendungen mit großen Dateien.

Neben höhere Performance bringt das neue System NFS 4 auch mehr Sicherheit für Client-Zugriffe auf die Server. Der wichtigste Sicherheitsaspekt aber ist die Integration von Security Enhanced Linux (SELinux), einer seit 2000 vom US-Geheimdienst NSA vorangetriebenen Entwicklung. SELinux schützt Systemprozesse, indem es Administratoren keine generellen Eingriffrechte einräumt, sondern diese nach vordefinierten Policies und Profilen limitiert.

In Sachen Desktop bietet RHEL 4 Interoperabilität zu Active Directory und Exchange. Endanwender werden besonders von einem Hardware Abstraction Layer profitieren: Der erkennt automatisch USB-Devices, so dass man sich nicht mehr grundsätzlich um Treiber bemühen muss. Zur Basisausstattung der Distribution gehören der Browser "Firefox", das Büropaket "Open Office" und der E-Mail-Client "Evolution". Hinzu kommen (aus lizenzrechtlichen Gründen als Binaries) "Realplayer 10", "Helixplayer", "Acrobat", "Macromedia Flash", "Citrix" und "RDesktop".

RHEL 4 eignet sich für sieben Prozessortypen: 32-Bit-x86, Intels Xeon EM64T, Itanium, AMD-64 (Athlon und Opteron), IBMs Power sowie die Mainframes Z-Series und S/390. Das Betriebssystem unterstützt Hyperthreading- und Multicore-CPUs. Das System unterstützt bis zu 32 CPUs. Red Hat bietet die einheitliche Codebasis wie bisher in den Varianten "Advanced Server" (AS) für große Umgebungen, "Entry-Mid-Server" (ES), "Workstation" (WS) und als Grundlage des "Red Hat Desktop" an. Die ersten drei Varianten sind ebenfalls unverändert mit einem Update- und Patch-Service auf Subskriptionsbasis verbunden. Diesen gibt es in verschiedenen Leistungsstufen zu Preisen von 179 bis 2499 Dollar.

Red Hat garantiert, RHEL 4 über sieben Jahre zu unterstützen. In den kommenden Monaten sollen die über 1000 Applikationen für die Distribution zertifiziert werden. Für RHEL 2.1 und 3 entwickelte Applikationen benötigen in der neuen Umgebung ein Update oder so genannte Compatibility Libraries.

Die Freigabe von RHEL 4 hat der Distributor mit einem massiven Angriff auf Sun verbunden. Das neue Betriebssystem "wird Solaris verdrängen", verkündete der für die Region Europa, Naher Osten und Afrika zuständige Marketing-Chef Paul Salazar. Es gebe nun "keinen Grund mehr, bei Solaris zu bleiben".

Damit ist ein neuer Höhepunkt in der Beziehungskrise der einst engen Partner erreicht. Zuvor hatten leitende Sun-Manager Red Hat mit abfälligen Bemerkungen bedacht. Hintergrund der Auseinandersetzungen ist, dass Red Hat durchaus Erfolge bei Finanzinstituten und Telekommunikationsunternehmen vorzuweisen hat, zwei Branchen, aus denen die wichtigsten Sun-Kunden kommen. Linux befindet sich im Verdrängungswettbewerb mit Unix.

Es fällt auf, dass Red Hat die einst übliche scharfe Rethorik gegen den Konkurrenten Novell-Suse aufgegeben hat. Salazar betont, sein Unternehmen strebe keine Marktdominanz wie Microsoft an. Die IT-Industrie habe zwar kein Interesse an Dutzenden Linux-Varianten, wolle aber mindestens zwei leistungsfähige konkurrierende Anbieter. (ls)