Fachkräftemangel

Recruiting über soziale Medien ist die Ausnahme

11.10.2012
Nirgends ist der Fachkräftemangel ausgeprägter als in der IT. Dennoch trauen sich Firmen an Blogs und Foren kaum heran, ergab eine Kienbaum-Befragung.

Knapp drei Viertel der etwa 170 befragten Personalentscheider haben einen hohen Bedarf an Fachkräften und Spezialisten, 31 Prozent spüren den Fachkräftemangel deutlich. Mehr als die Hälfte der Befragten erhält auf ausgeschriebene Stellen wesentlich weniger Bewerbungen als in der Vergangenheit, die obendrein oft von minderer Qualität sind.

Besonders schwierig stellt sich laut Kienbaum das Recruiting von IT-Profis dar. 46 Prozent der Befragten haben eigenen Angaben zufolge Schwierigkeiten bei der Besetzung von IT-Positionen, dahinter folgen die Ingenieure mit 38 Prozent sowie die Vertriebler und Kundenbetreuer mit je 31 Prozent.

Beliebte Jobbörse

Soziale Medien spielen beim Recruiting derzeit noch keine große Rolle.
Foto: fotodo_Fotolia.com

Das beliebteste Instrument zur Rekrutierung passender Bewerber ist die Jobbörse. 57 Prozent verwenden diesen Kommunikationskanal immer und 37 Prozent regelmäßig, um die gewünschten Zielgruppen anzusprechen. Ähnlich häufig nutzen Unternehmen die eigene Karriere-Website für ihre Personalsuche.

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Ein glasklares Anforderungsprofil formulieren:
Der erste Schritt ist, wie stets, wenn eine vakante Stelle zu besetzen ist: Das Unternehmen sollte ein Anforderungsprofil an den künftigen Stelleninhaber formulieren. Doch leider fehlt den Anforderungsprofilen für die gesuchten Spezialisten häufig die nötige Konkretion und Präzision - vor allem, weil die Personalabteilung und die Fachabteilung zu wenig miteinander kommunizieren. Das ist aber nötig.
Keine vorschnellen Antworten akzeptieren:
Werden die Anforderungen an den künftigen Stelleninhaber nicht glasklar formuliert, dann können sie auch nicht in die Stellenausschreibung einfließen. Die Folge: Es bewerben sich, wenn überhaupt, die falschen Kandidaten. Deshalb sollten Unternehmen einen Personalberater als Unterstützer beim Definieren des Anforderungsprofils hinzuzuziehen - und zwar einen Berater, der ebenfalls spezialisiert ist.
Die Anforderungen gewichten:
Sind die Anforderungen definiert, gilt es diese zu gewichten. Das heißt, nun sollten sich die Verantwortlichen fragen:
Ein attraktives Angebot schnüren:
Wenn das Anforderungsprofil steht, sollte das Unternehmen sich überlegen: Was können und wollen wir den Wunschkandidaten eigentlich bieten? Auch das fragen sich Firmen oft nicht in ausreichendem Maße. Häufig denken sie: Hauptsache, wir bieten den Leuten ein ordentliches Gehalt und die üblichen Sozialleistungen, dann kommen sie schon. Doch ein gutes Gehalt erhalten hoch qualifizierte Spezialisten auch bei anderen Unternehmen und deren Sozialleistungen sind auch nicht ohne. Warum sollte ein Spezialist, der eine gute Stelle hat, diese wechseln, wenn ihm nicht mehr geboten wird?
Das Vorgehen bei der Mitarbeitersuche definieren:
Ist neben dem Anforderungsprofil das Angebot an den potenziellen Mitarbeiter formuliert, kann der Weg definiert werden, über den die Wunschkandidaten gesucht werden. Zuweilen ist das Schalten von Anzeigen in Fachzeitschriften und Branchenmagazinen erfolgversprechend. Je spezieller das Profil des neuen Mitarbeiters ist und je rarer die potenziellen Kandidaten sind, um so seltener führt jedoch dieser Weg zum Ziel. Also bleibt nur die Direktansprache - beispielsweise über soziale Netzwerke.
Die Namen der potenziellen Kandidaten ermitteln
Sind die Zielfirmen definiert, gilt es, die Namen der Personen zu ermitteln, die in ihnen die betreffende Funktion innehaben. Dieser Prozess gleicht einer Detektivarbeit. Denn wenig zielführend ist es, wenn ein Firmenvertreter bei besagten Unternehmen anruft und sagt: "Guten Tag, unser Betrieb sucht einen Spezialisten für ... Arbeitet ein solcher bei Ihnen?" Also müssen beim Ermitteln der Zielpersonen meist zeitintensive Umwege gegangen werden.
Die Fachabteilung zur Kandidatenkür hinzuziehen
Sind die Kandidaten mit ernsthaftem Interesse ermittelt, beginnt ein normales Personalauswahlverfahren. In dieses sollte das suchende Unternehmen Experten aus der betreffenden Fachabteilung integrieren, denn die Kandidaten haben meist auch fachliche Fragen. Zuweilen empfiehlt es sich auch, wenn möglich, den bisherigen Stelleninhaber in das Auswahlverfahren einzubeziehen. Denn er kann oft am besten einschätzen, ob der Kandidat über die erforderliche Kompetenz verfügt.

Nur ein Fünftel verlässt sich auf TV- und Radiospots, um Bewerber auf sich aufmerksam zu machen. Eine noch geringere Rolle spielen soziale Medien: "Viele Unternehmen scheuen sich davor, moderne Kommunikationsformen wie Blogs und Foren oder das Videoportal YouTube zu nutzen, um sich als attraktiver Arbeitgeber zu präsentieren", beobachtet Walter Jochmann, Vorsitzender der Geschäftsführung von Kienbaum Management Consultants. "Dabei bieten diese Kanäle die Möglichkeit, insbesondere die jüngeren Bewerberzielgruppen zu erreichen."

Veränderte Prioritäten

Als oberste Priorität bei der Personalarbeit nennt ein Drittel der Befragten die Steigerung der Führungs- und Management-Qualitäten, 30 Prozent die Rekrutierung von Personal und 28 Prozent das Feilen an der Attraktivität als Arbeitgeber. Die letzten beiden Punkte verweisen zusammen betrachtet durchaus darauf, dass sich der Fachkräftemangel verschärft hat.

Im vergangenen Jahr fielen die Antworten indes noch anders aus. Häufig genannt wurden damals die Besetzung von Schlüsselpositionen, strategische Personalplanung und die demografische Herausforderung. Allesamt haben diese Themen an Bedeutung verloren und werden höchsten noch von jedem vierten Unternehmen als vorrangig angeführt.

Auf dem vorletzten Platz der Prioritätenliste rangiert überraschend das Thema Diversity. Mehr als 70 Prozent der befragten Unternehmen geben zu, dass sie keine explizite Diversity-Strategie besitzen. 85 Prozent der Personalverantwortlichen lehnen außerdem eine gesetzliche Frauenquote ab, mehr als die Hälfte aber erwartet, dass es in den kommenden Jahren zu einer solchen Regelung kommt.

Kienbaum kritisiert die Zurückhaltung der Firmen: "Obwohl das Thema Diversity in aller Munde ist, hat die politische Diskussion nicht dazu geführt, dass die Unternehmen hieran strategisch arbeiten", kommentiert Jochmann. "Häufig ist das Diversity-Management in den Unternehmen eher Stückwerk als planvolles Handeln."

Frauen noch im Nachteil

Gut ein Drittel der Studienteilnehmer strebt einen Frauenanteil von mehr als 40 Prozent in den Talent-Pools an. Für den Aufsichtsrat und die Geschäftsführung plant hingegen knapp die Hälfte der befragten Personalverantwortlichen, den Frauenanteil lediglich auf bis zu 20 Prozent zu erhöhen. "Spitzenpositionen sind für Frauen nach wie vor schwierig zu erreichen", so Jochmann. Die Zusammensetzung des Topmanagements werde sich erst in einigen Jahren signifikant ändern, wenn sich die jetzt einsteigenden Frauen in Spitzenpositionen hochgearbeitet haben.

Optimistische Personaler

Für die nahe Zukunft sind die Befragten bei der wirtschaftlichen Großwetterlage weithin optimistisch. 34 Prozent prognostizieren, dass die Mitarbeiteranzahl um bis zu fünf Prozent steigt. Sechs Prozent gehen sogar davon aus, dass ihre Belegschaft in den kommenden Jahren um mehr als zehn Prozent aufgestockt wird. 41 Prozent erwarten eine konstante Mitarbeiteranzahl, 19 Prozent rechnen dagegen mit einem Personalabbau.