Eigenbetrieb versus Outsourcing

Rechnet sich ERP-Hosting?

03.05.2010 von Timo Kopp
Optimal aufgestellte interne IT-Abteilungen können ERP-Systeme günstiger betreiben als externe Hosting-Anbieter.
Foto: Fotolia/Parazit

Der Köder muss bekanntlich dem Fisch schmecken und nicht dem Angler. Da ist es kaum verwunderlich, dass IT-Dienstleister ihre potenziellen Kunden stets mit dem Kostenargument locken, wenn es um die Auslagerung von Leistungen geht: "Reduzierung der IT-Betriebskosten um bis zu 50 Prozent möglich!" Auch die übrigen Vorteile für das Outsourcing und gegen den Eigenbetrieb leuchten auf den ersten Blick ein: Geringe Anfangsinvestitionen in Lizenzen und Hardware sind attraktiv; gerade diese beiden Posten waren für viele Mittelständler, die betriebswirtschaftliche Standardsoftware einführen wollten, angesichts der Kreditklemme ein Problem. Auch entfalle der Aufwand für Betrieb, Wartung und Support einer lokalen ERP-Installation, die auch für Lastspitzen ausgelegt sein müsse. Zudem lasse sich die Verantwortung für das Projekt, technische Neuerungen und Release-Wechsel einschließlich der Risiken vertraglich auf den Dienstleister übertragen. Das Hosting-Paket sorge für kalkulierbare Kosten und bessere Planung, versprechen die Anbieter.

Dem Kostenvergleich fehlt die Basis

Unterm Strich scheint der Anwender also voll auf seine Kosten zu kommen: Er zahlt weniger für mehr Leistung. Außerdem spart er sich Arbeit, kann Verantwortung delegieren und Ärger artikulieren - wer will das nicht? Doch das Kostenargument hat einen Haken, denn der Markt ist weder transparent noch preisstabil. Dies bezieht sich nicht nur auf ausgelagerte Services, sondern auch auf intern erbrachte IT-Leistungen - nicht alle mittelständischen IT-Abteilungen können detailliert über ihre Kostenstruktur Rechenschaft ablegen. Insofern sind pauschale Marketing-Aussagen, ERP-Hosting sei "bis zu 30 Prozent günstiger", mit Vorsicht zu genießen. Denn wer die eigenen Kosten nicht kennt, wird schwerlich gegen die Preise der Lieferanten verhandeln und fundierte Entscheidungen gegenüber seinem Management vertreten können.

Nur unter bestimmten Voraussetzungen kommt es zu den versprochenen Einsparungen. Plant der Anwender etwa eine neue ERP-Lösung "auf der grünen Wiese", können Dienstleister ihre Vorteile voll ausspielen, weil sie dem Kunden die Anfangsinvestitionen in Technik und Personal ersparen. Der Provider betreibt die Applikationen zudem auf standardisierten Systemen, die er aufgrund der Skaleneffekte günstiger als der Kunde betreiben kann. Auch im Vergleich mit unterdurchschnittlich effizienten ERP-Umgebungen in der Anwender-IT können Dienstleister durchaus finanzielle Vorteile bieten.

Provider und Anwender haben unterschiedliche Ziele

Anfänglich ist die Auslagerung der Leistungen günstiger, doch gleichen sich die Kosten mit den Jahren an. Während der Dienstleister versucht, sich durch relativ stabile Preise über die ganze Vertragsdauer hinweg zu finanzieren, sinken die Kosten der internen IT schneller ab, etwa weil Hardware virtualisiert, die IT standardisiert und Prozesse schlanker gestaltet werden.

Doch es gibt auch Unwägbarkeiten, die dazu führen können, dass sich ein Auslagerungsvorhaben nicht rechnet. Der Angebotspreis für ERP-Hosting erscheint auf dem Papier zumeist günstiger als die Kosten des Eigenbetriebs, da der Dienstleister seine in der Zukunft erwarteten finanziellen Vorteile (etwa durch den Preisverfall von Hardware) auf die Dauer der Vertragslaufzeit umlegt. Dafür versucht er im Gegenzug, die Laufzeit zu strecken und die jährliche Degression bei den monatlichen Abschlagszahlungen möglichst flach zu halten, um letztlich doch auf seinen Schnitt zu kommen. Dies resultiert darin, dass sich der finanzielle Aufwand für die Bereitstellungsmodelle mittelfristig angleicht (siehe Grafik).

Provider und Anwender verfolgen daher unterschiedliche Interessen: Der Dienstleister möchte den Kunden möglichst lange mit vielen Services an sich binden. Die Kunden wollen Flexibilität und sinkende Kosten. Sie bevorzugen daher kurz laufende Verträge, etwa über zwei Jahre, um mit Neuverträgen von fallenden Preisen zu profitieren. Ein guter Kompromiss zwischen diesen Polen bestimmt den Erfolg des Vorhabens für beide Seiten.

Die Zusatzdienste finanzieren günstige Basisservices

In den Ausschreibungen bieten die Dienstleister oft günstig an, um einen Fuß in die Tür zu bekommen. Erhält ein Provider den Zuschlag, versprechen ihm die nicht im Vertrag erfassten Zusatzleistungen, die der Kunde im Lauf des Vertrags benötigt, Mehreinnahmen. Für Diskussionsbedarf sorgt häufig die Frage nach dem ursprünglichen Umfang der Ausschreibung, dem Scope. Der Aufwand für diese Extradienste ist für die finanzielle Bewertung eines Auslagerungsvorhabens wesentlich, denn durch teure Services schwinden die Kostenvorteile, die der externe Anbieter gegenüber dem Eigenbetrieb aufweist. Allerdings kann auch eine interne IT-Abteilung nicht in allen Segmenten nur Spitzenleistungen bieten, Stärken und Schwächen wechseln sich ab. Daher ist eine Analyse der eigenen Leistung nicht unwesentlich für die Frage, welche Bereiche überhaupt außer Haus gegeben werden sollen.

Hohe Management-Kosten machen Outsourcing teuer

Einen zusätzlichen Kostenblock, der in den viel versprechenden Kostenargumenten der Provider nicht auftaucht, bildet die Retained-Organisation, die nach der Auslagerung den Dienstleister steuert. Erfahrungsgemäß müssen Anwender mit einem Aufschlag von rund sieben Prozent des Vertragsvolumens auf die Gesamtkosten kalkulieren. Diese Summe kann sich noch erhöhen, denn ab einem gewissen Umfang des Abkommens benötigen Projekte oft zusätzliche Spezialisten. Dann können sich die Kosten für die Provider-Steuerung auf bis zu zehn Prozent addieren. Was zunächst als "guter Deal" erschien, kann so schnell zu einem Minusgeschäft werden. Auch gilt es, die Kosten für Migrationsprojekte zu beachten, wenn etwa eine vorhandene ERP-Umgebung dem externen Provider übergeben werden soll oder nach der Laufzeit ein Anbieterwechsel ansteht.

Neben dem administrativen Overhead verändern sich auch die Prozesse im Unternehmen. Der "kleine Dienstweg" bei Problemen ist im Outsourcing verbaut, und die "gelebten Service-Level-Agreements" (SLAs) sind hinfällig. "Gelebt" bezieht sich hier auf eine Dienstgüte, die vom Fachbereich einfach erwartet wird, weil es sie schon immer gegeben hat. Sieht der interne Service-Level eine Erreichbarkeit des Supports von 8 bis 17 Uhr vor, sind dessen Mitarbeiter häufig auch davor und danach ansprechbar. Bei einem externen Provider muss dagegen jede Abstufung eines Leistungsscheins extra bezahlt werden. In der Praxis zeigen sich die Unterschiede, wenn ein Kollege aus dem Haus sich mit einem Problem beschäftigt oder ein Mitarbeiter im Call-Center an einem Offshore-Standort beauftragt wird.

Gute interne Abteilungen müssen sich nicht verstecken

Outsourcing-Interessenten müssen viele Faktoren einberechnen. Vor allem muss die Vergleichsbasis einheitlich sein. Benchmarking-Daten zeigen, dass ein ERP-Outsourcing in der Regel günstiger ist als der Eigenbetrieb auf Standardniveau. Sobald Anwenderunternehmen aber eine gut gepflegte ERP-Umgebung betreiben, die auf Effizienz getrimmt wurde und sich zu den "Best-in-Class" zählen darf, muss die interne IT den finanziellen Wettbewerb mit externen Providern nicht scheuen. Dafür ist es jedoch auch nötig, permanent an der Infrastruktur zu arbeiten und sie zu modernisieren. Dies gilt allerdings genauso für ausgelagerte ERP-Installationen. (jha)

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