Ratgeber: Weltweite Content-Pflege

25.01.2006 von Nikolai Bauer und Peter Mandl
Wie Unternehmen ihre Web-Auftritte und ihr Inhalte-Management internationalisieren und dabei Tochterfirmen und Niederlassungen einbeziehen können.

Handelsunternehmen mit Töchtern in mehreren Ländern oder Unternehmen, die in andere Länder expandieren wollen, haben schnell damit zu kämpfen, dass die Content-Pflege der verschiedenen Internet-Auftritte ihrer Tochterunternehmen sehr aufwändig wird. Dann ist die Einführung neuer oder die Erweiterung bestehender Content-Management-Systeme (CMS) erforderlich. Eine gründliche Analyse der aktuellen Situation sollte den Entscheidungen vorangehen.

Hier lesen Sie ...

  • wie Firmen vorgehen können, wenn sie mit ihrem Internet-Auftritt in andere Länder expandieren wollen;

  • wann der Content zentral und wann er dezentral verwaltet werden sollte;

  • welche Erfahrungen Unternehmen dabei sammeln.

Am Einstellen eines neuen Produkts sind mehrere Personen beteiligt.

Häufig stoßen Unternehmen, die in ihrem Heimatmarkt bereits erfolgreiches E-Business betreiben, an die Grenzen ihres Content-Management-Konzepts, wenn sie ihre Lösung auch in Märkte von Tochter- oder Partnerunternehmen anwenden wollen.

Kernaspekt ist dabei einerseits die Umstellung auf ein mandantenfähiges System, andererseits die internationale Organisation und Koordination der Content-Pflege. Gelingt die Umsetzung, ergeben sich viele Vorteile: Große Teile des Produktsortiments eines Landes können für andere Länder übernommen, sofern notwendig in andere Sprachen übersetzt und um landesspezifische Details angereichert werden.

Anforderungen an Software

Die Herausforderungen, die sich dabei dem Unternehmen und insbesondere dem IT-Manager stellen, sind vielfältig. Er muss unter anderem die mehrsprachige Pflege realisieren, die Verantwortung für den Content mit den Auslandstöchtern diskutieren sowie die Skalierbarkeit des Gesamtsystems abschätzen.

Oft stellt sich die Frage, ob die Anforderungen mit einem Content-Management-Produkt abgedeckt werden können oder ob eine Individualentwicklung erforderlich ist.

Als Erstes empfiehlt sich wie bei jedem größeren Projekt eine Analyse der Ist-Situation. Dabei ist für das Content-Management eines Handelsunternehmens vor allem das Produkt-Management wichtig. Es umfasst ein Team aus Mitarbeitern der Abteilungen Einkauf, Produktmanagement, Vertrieb und Marketing. Jedes neue Produkt, das in das Sortiment aufgenommen wird, durchläuft diese Stellen: Der Einkauf und das Produkt-Management liefern meist die Beschreibung und technischen Details, der Vertrieb die Preis- und Verkaufsinformationen und das Marketing die Werbetexte, Slogans und Bilder. Darüber hinaus existiert in jedem größeren Handelsunternehmen mittlerweile in der Regel eine E-Business-Abteilung, welche die Aufbereitung der Informationen für den Internet-Shop und meist auch die Pflege des Web-Contents koordiniert.

Redundanzen vermeiden

Dieser Prozess ist häufig komplex und oft auch sehr individuell. Ihn auf international verteilte Instanzen (oft auch als Mandanten bezeichnet) zu erweitern, stellt eine Herausforderung dar. Abteilungen der Auslandstöchter müssen integriert und dabei Redundanzen vermieden werden.

Um das Produkt-Management auf international verteilte Mandanten auszuweiten, müssen Aspekte beleuchtet werden:

Zentral oder dezentral

Ein Unternehmen muss sich festlegen, ob es eine zentrale oder dezentrale Pflege des Contents anstrebt. Eigenständige Töchter oder Vertriebspartner mit individuellem Produktsortiment sollten die Inhalteverwaltung besser selbst in die Hand nehmen. In diesem Fall muss über Subscribe-Mechanismen gewährleistet werden, dass der Content von anderen Mandanten wiederverwendet werden kann. Unterscheiden sich die Inhalte der einzelnen Gesellschaften, von der Sprache einmal abgesehen, nur wenig, so empfiehlt sich eine zentrale Pflege, bei der eine Instanz immer die Hoheit über den gesamten Content hat.

Für die weltweite Pflege von Inhalten eignet sich ein zentrales mandantenfähiges Content-Management.

Basis für diese Entscheidung sind in der Regel die in der bestehenden E-Business-Lösung bereits verwendeten Techniken, sofern das System nicht vollständig neu aufgesetzt wird. Man muss sich jedoch bewusst sein, dass ein mandantenfähiges, international genutztes System wesentlich höhere Anforderungen an Skalierbarkeit, Ausfallsicherheit und Konfigurierbarkeit stellt als eines, das nur einen Mandanten bedient. Man sollte daher in jedem Falle auf die inzwischen bewährten Konzepte heutiger Applikations-Server und die damit verbundenen Produkte und Frameworks setzen.

Ausfallsicherheit

Ein mandantenfähiges und international eingesetztes CMS stellt hohe Anforderungen an die Infrastruktur. Sie muss sich von verschiedenen Standorten aus nutzen lassen und eine ausfallsichere Verwaltung großer Datenmengen ermöglichen. Darüber hinaus muss sie in der Lage sein, neue Mandanten aufzunehmen, um eine stufenweise Einführung zu gewährleisten. Hierbei ist zu entscheiden, ob die Lösung im eigenen Rechenzentrum oder bei einem Dienstleister laufen soll.

Standardsoftware

Standardprodukte eignen sich vor allem dort, wo sich Prozesse nicht so oft ändern. Je dynamischer Abläufe werden, desto individueller fällt die Softwarelösung aus. Dies gilt jedoch nur, wenn die Anpassungen nicht zu umfangreich sind. Standardlösungen für branchenspezifische Anforderungen, wie sie die beispielsweise die Hersteller Interwoven und Vignette liefern, können im Einzelfall wiederum mit so viel Anpassungsaufwand verbunden sein, dass eine eigens auf das Geschäftsmodell zugeschnittene Individualentwicklung wirtschaftlicher erscheint.

Die Praxis zeigt, dass in der Regel noch viele Detailfragen geklärt werden müssen, sobald die ersten konkreten Funktionen des CMS zur Verfügung stehen. Es empfiehlt sich, genügend Zeit für die Einführung einzuplanen, auch ein Pilotbetrieb ist ratsam.

Sorgfältig planen sollte das Projektteam auch die Migration, in der die bestehende E-Commerce- und Content-Management-Software in das neue System überführt werden. Hier ist in jedem Fall ein schrittweises Vorgehen zu empfehlen, das einen Umstieg einzelner Mandanten erlaubt. Auf diese Weise sind die Datenmigration sowie der Aufbau einer stabilen Infrastruktur leichter zu bewältigen.

Nach dieser Migration gilt es, den Produktivbetrieb zu organisieren, der ebenfalls nicht unterschätzt werden sollte. Da das Content-Management-System nun wesentlich mehr Benutzer hat, die weltweit verteilt sind und ihre individuellen Anforderungen haben, gerät die für das CMS verantwortliche Abteilung schnell in die Rolle eines Dienstleisters, der Support, Softwareverteilung sowie einen 24-Stunden-Betrieb bewerkstelligen muss.

Worauf Sie achten sollten

  • Betroffene Prozesse genau analysieren;

  • eine stufenweise Migration planen;

  • auf eine hohe Flexibilität der Lösung achten;

  • sorgfältig zwischen den zur Verfügung stehenden Techniken, Produkten und Individualentwicklungen abwägen;

  • skalierbare Architektur wählen, zum Beispiel J2EE, einer eigenständigen Datenbank sowie einem Cluster von Applikations-Servern;

  • die internationale Content-Pflege intern gut und rechtzeitig organisieren.

Beispiel 1: Zentrale Lösung

Die auf IT- und TK-Zubehör spezialisierte Firma Hama in Monheim hat sich entschlossen, ihr E-Business auf eine Individuallösung auf Basis ihres bereits vorhandenen Shop- und Content-Management-Systems auszudehnen. Nach intensiver Planung fiel die Entscheidung für eine zentrale Pflege des Contents. Mittelpunkt der konzipierten Lösung bildet ein zentrales Content-Management-System, das für alle Mandanten zur Verfügung steht und ihnen so die Möglichkeit gibt, die vorhandenen Produktinformationen des umfangreichen und vielseitigen Sortiments zu nutzen. Die ERP-Systeme der Tochterunternehmen werden über standardisierte Schnittstellen an das zentrale CMS-System angebunden.

Laut Anton Bühlmeier, Leiter E-Business bei Hama, stellt der Umstieg eine große Herausforderung dar, da er ein großes Potenzial sowohl für die Verkaufskanäle als auch für die technische Infrastruktur bietet. Das Ziel sei der Aufbau einer Plattform, die einerseits Geschäftsprozesse vereinheitliche, andererseits dennoch genügend Spielraum für die individuellen und länderspezifischen Anforderungen biete.

Beispiel 2: Lieber dezentral

Nicht jedes Unternehmen kommt zum gleichen Ergebnis. Ein vergleichbares Unternehmen hat einen dezentralen Ansatz gewählt, der besser in die Gesamtstruktur passt. Die Entscheidung fiel auch hier für eine Individuallösung auf Basis eines E-Business-Frameworks, da sich zum einen eigene Systeme besser anbinden ließen und zum anderen die verkaufsunterstützenden Prozesse sehr dynamisch sind.

Der hier gewählte Ansatz setzt auf eine dezentrale Pflege des Contents mit Subscriber-Mechanismen: Ein ausländischer Mandant kann dabei selbst bestimmen, welche Informationen des Produktsortiments er von welchen Mandanten automatisch oder manuell übernimmt. Die Anbindung an das bereits mandantenfähige ERP-System erfolgt zentral.

Hauptargument für den Inhouse-Betrieb war die Sensibilität der Kundendaten, vor allem der im System hinterlegten Adressinformationen.

Fazit

Der hier vorgestellte Leitfaden zur "Internationalisierung" des Internet-Geschäfts von Handelsunternehmen kann nur einige wichtige Frage aufzeigen. Jedes Unternehmen muss eingehend seine individuelle Situation analysieren.

Der wesentliche Punkt ist, ob eine dezentrale oder eine zentrale Lösung favorisiert wird.

Handelsunternehmen unterliegen von jeher einer hohen Dynamik und müssen, wenn sich der Verkauf ändert, schnell die Software anpassen. Individuelle Lösungen sind daher meist die bessere Variante.