IT in Versicherungen/Kostenvorteile und einfachere IT-Strukturen

R+V: Produktvertrieb über das Extranet

07.02.2003
Die R+V Versicherung verbessert den Vertrieb ihrer Produkte über die Volks- und Raiffeisenbanken auf einer transaktionsorientierten Web-Plattform. Das Projekt startete in einem Pilotfeld von zwölf Volks- und Raiffeisenbanken mit einer Anwendung zum Vertrieb der Riester-Rente und soll künftig auf alle 1500 Banken mit weiteren Produkten ausgedehnt werden. Von Frank Bechtoldt und Lutz Eichler*

Die R+V Versicherung vertreibt ihre Produkte in Zusammenarbeit mit den Volks- und Raiffeisenbanken. Um ihre rund fünf Millionen Kunden umfassend beraten und Anträge sowie Policen zeitnah versenden zu können, verbessert das Unternehmen seine Integration mit den Vertriebsstellen. Hierzu hat der Versicherer eine umfangreiche Web-Strategie entwickelt, die zunächst auf den Aufbau eines leistungsfähigen Extranets abzielt. Die transaktionsorientierte Plattform sollte über ein Frontend eine abschließende Bearbeitung der Geschäftsvorfälle im Backend ermöglichen. Dazu mussten die auf Hosts betriebenen, umfangreichen Funktionen und Komponenten der Bestandsführungssysteme angebunden werden.

Eine Riester-Anwendung ist bereits verfügbar

Das Web-Enabling-Programm beinhaltet Projekte im Inter-, Intra- und Extranet. Die Umsetzung soll auf der Basis einer aus Großrechner, Server und Thin Clients bestehenden "konzeptionellen Mehrschichtarchitektur" sukzessive erfolgen. Am Anfang des Projekts stand ein frühzeitig den Vertriebspartnern mitgeteilter Termin, den es zu erfüllen galt: Pünktlich zum Jahrestag des R+V Internet-Relaunchs musste die Riester-Anwendung im Pilotfeld verfügbar sein. Der geplante Einführungstermin wurde tatsächlich eingehalten, 250 Bankangestellte haben inzwischen Zugriff auf das neue System. Sie können während des Beratungsgesprächs direkt auf Bestandsdaten der R+V Versicherung zugreifen und Tarife, Konditionen und Laufzeiten der Riester-Rente berechnen. Dank durchgängiger Systeme ist es über das Frontend möglich, Daten einzugeben und im Backend einen Antrag oder eine Police maschinell erstellen zu lassen. Auch der Postversand ist automatisch aktivierbar. Die komplette Bearbeitung der Geschäftsvorfälle vom Frontend aus spart Zeit und Verwaltungskosten.

Mit der Riester-Anwendung hat die R+V Versicherung den Grundstein gelegt sowie die Machbarkeit ihrer Web-Strategie nachgewiesen. Es war jedoch von Anfang an geplant, weitere Produkte in das System zu integrieren und allen 1500 Volks- und Raiffeisenbanken Zugang zu verschaffen.

Bereits bei der Auswahl einer geeigneten IT-Infrastruktur für die Riester-Anwendung musste insgesamt von bis zu 100000 potenziellen Anwendern und Bestandsdaten von rund fünf Millionen Kunden ausgegangen werden. Die Anforderungen an den Applikations-Server sind dementsprechend hoch. Schließlich laufen über diese zentrale Drehscheibe alle Anfragen aus dem Frontend an das Backend. Skalierbarkeit, hohe Leistungsfähigkeit und Ausfallsicherheit waren somit die wichtigsten Auswahlkriterien. Außerdem sollte der Applikations-Server folgende Anforderungen erfüllen:

- Moderne Technologie mit offenen Internet-Standards,

- Integrierbarkeit in die bestehende IT und in eine professionelle System-Management- und Sicherheitsarchitektur,

- vergleichbare Referenzanwendungen sowie

- Herkunft aus einem zukunftsfähigen Anbieterunternehmen.

Das enge Zeitfenster von neun Monaten ließ keine ausgiebigen Testphasen zu. Bei der Umsetzung musste praktisch jeder Griff auf Anhieb sitzen. Aufgrund technischer Daten und vergleichbarer Referenzanwendungen in einem anderen Verbundunternehmen entschied sich die R+V im August 2001 für den "Weblogic Server 6.0" von Bea Systems. Dieses Produkt versprach am ehesten, den gewünschten Erfolg innerhalb des begrenzten Zeitrahmens zu gewährleisten. Zusätzlich überzeugte das Supportangebot von Bea.

Eine Plattform für Makler und Kreditversicherung

Von Mai bis Oktober 2002 wurde das Bankportal um die Bestandssysteme der Bereiche Leben, Kfz und Komposit, also Sachversicherungen wie Haftpflicht oder Hausrat, erweitert. Parallel dazu führte man auf der im Extranet erprobten IT-Basis zum 1. Juli ein Intranet ein. Das Content-Management-System stammte vom Partner Interwoven. Wegen der guten Erfahrungen wird in der ersten Jahreshälfte 2003 nun auch der Content des Bankenportals auf Interwoven-Software migriert. Ferner sind in der Endstufe des Web-Enabling-Programms die Implementierung einer ähnlichen Plattform für Makler sowie die Kreditversicherung über das offene Internet geplant. Rund 3000 Makler und zirka 40000 Mitarbeiter von R+V-Kunden haben dann Zugriff auf geschützte Bereiche der Website. Dabei werden die von Weblogic bereitgestellten Funktionen zur Personalisierung an Bedeutung gewinnen. Denn im Internet können Netztypologien und der Verbund der Rechenzentralen untereinander nicht mehr für einen "Trusted User" garantieren. Im Extranet genügt es hingegen, die auf dem Backend hinterlegten Profile sowie eine Identifizierung anhand einer User-ID und eines Passworts vorzunehmen.

Es entsteht eine überschaubare IT-Landschaft

Aus technischer Sicht liegt der große Vorteil der neuen Web-Plattform vor allem darin, dass sich dezentrale Systeme einfach zusammenfassen und in transparente Strukturen überführen lassen. Durch die schrittweise Anbindung heterogener Altsysteme entsteht eine überschaubarere IT-Landschaft, die sich deutlich besser und effizienter nutzen lässt. Dank des J2EE-Standards und der relativ unkomplizierten Optimierungen auf den Backend-Systemen ist es möglich, Anwendungen zentral zu programmieren und bereitzustellen. Daraus ergeben sich Produktivitätsgewinne bei der Weiterentwicklung des Systems sowie eine Reduktion der laufenden Betriebskosten, beispielsweise indem die bislang notwendige Softwareverteilung entfällt. R+V hat sich deshalb zum Ziel gesetzt, die neue Technologie möglichst schnell flächendeckend anzubieten. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die benötigten Übertragungsraten und Bandbreiten in den Netzen verfügbar sind. Bis Mitte 2003 sollen die Anwendungen bereits knapp ein Drittel der Volks- und Raiffeisenbanken erreichen.

Weiterer wesentlicher Fokus des Web-Enabling Frameworks ist die Integration von R+V-Funktionalität in die Anwendungen der Geschäftspartner, vor allem der Raiffeisen und Volksbanken. Über Web-Services oder die verbundspezifische Ausprägung von VR-Services können Zugriffe auf R+V-Systeme aus Bankanwendungen heraus erfolgen, ohne dass der Nutzer seine Anwendung wechseln muss. Die gewählte Vorgehensweise entspricht damit auch den Zukunftsszenarien der genossenschaftlichen Rechenzentralen. (bi)

*Frank Bechtoldt ist Vorhaben-Manager und Dr. Lutz Eichler Abteilungsleiter Informations-Management bei der R+V Versicherung in Wiesbaden.

Mit kleinem Pilotfeld gestartet

Aufgrund der guten Erfahrungen aus dem "Web-Enabling-Programm" hat R+V Mitte November 2002 ein Forschungsprojekt zur Integration von Unternehmensapplikationen mit dem Weblogic Server und einem EAI-Produkt aufgesetzt. Hierbei stehen die Möglichkeiten der IT-Integration in anderen Bereichen des Unternehmens sowie Schnittstellen zwischen dem Server und dem Host im Fokus. Detaillierte Ergebnisse werden bis Ende Januar 2003 erwartet.

Gut ein Jahr nach Projektstart hat sich das Web-Enabling-Programm als Königsweg erwiesen. Dank der Strategie, mit einem kleineren Pilotfeld zu beginnen und dieses sukzessive auszubauen, ließ sich das Investitionsrisiko gut begrenzen.

Die bisherigen Ergebnisse veranlassen zu Optimismus, und es ist anzunehmen, dass auch die übrigen Projekte aus dem Web-Enabling-Programm planmäßig abgeschlossen werden können.