Die Private Cloud erfordert neues IT-Know-how

Querdenker machen den besseren Job

23.04.2012 von Klaus Manhart
Mit der Einführung einer Private Cloud im Unternehmen entstehen für die IT-Mitarbeiter neue Rollen, die es im traditionellen, projektgetriebenen und CAPEX-orientierten IT-Geschäft nicht gibt. Herkömmliches IT-Wissen ist hier weniger gefragt. Statt auf Technologieorientierung zu setzen, empfehlen sich bei Cloud-Projekten Mitarbeiter, die sich durch Querdenken, Ideenreichtum und Wissensorientierung auszeichnen.
Mit der Einführung von Private Clouds entstehen in der Unternehmens-IT neue Rollen, die sich in der traditionellen IT nicht finden.
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Mit Cloud Computing kommt nicht nur ein neues Modell in die Unternehmen, wie IT-Services bereit gestellt werden. Es verändert auch die Anforderungen an die Mitarbeiter. Was in der traditionellen Unternehmens-IT von Spezialisten gesteuert wurde, wird heute in der unternehmenseigenen Private Cloud häufig automatisch erledigt. Damit gerät aber auch das historisch gewachsene Personalgefüge in Bedrängnis.

Weniger interne IT-Infrastruktur bedeutet in der Regel auch weniger interne IT-Mitarbeiter. Datenbank- und IT-Administratoren, Systemprogrammierer oder Support-Spezialisten werden kaum mehr gebraucht. Für den Analysten Ted Schadler von Forrester Research stellt Cloud Computing eine direkte Bedrohung für alle Blue-Collar-ITler dar. Gemeint sind damit Administratoren und andere Mitarbeiter, die "lediglich" die IT-Infrastruktur in Gang halten.

Das klassische IT-Know-how vom Installieren, Konfigurieren und Verwalten reicht in Cloud-Umgebungen nicht mehr aus - stattdessen sind spezielle Cloud- und Service-Kenntnisse erforderlich. Das heißt nicht, dass auf das bestehende IT-Personal verzichtet werden muss. Erforderlich sind in Private-Cloud-Umgebungen jedoch neue Rollen, die sich in der traditionellen IT nicht finden.

Der Service-Designer

Cloud-Projeke müssen gut geplant sein und erfordern spezielle Qualifikationen.
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Welche Rollen das sind, zeigt der Vergleich von traditioneller mit Cloud-basierter IT. In einem Cloud-Delivery-Modell einer internen IT-Organisation werden die Dienste reduziert, spezialisiert und automatisiert: Reduziert, weil die Services standardisiert sind und damit in geringerer Varianz zur Verfügung stehen. Gleichzeitig stehen diese reduzierten Services den Unternehmensabteilungen jedoch auf den unterstützenden Businessprozess spezialisiert und automatisiert zur Verfügung.

Die Grundforderung an die Unternehmens-IT ist also zunächst, ein Verständnis dafür zu entwickeln, welche Services in welcher Form überhaupt gebraucht werden. "Diese Rolle übernimmt der Service-Designer", erklärt Christian Reichenbach, Pursuit Solution Architect bei HP. "Er kennt sich in den Business-Prozessen der Anforderer aus und antizipiert, welche Services notwendig sind".

Wenn der Service-Designer die Konzeption abgeschlossen hat, identifiziert er Sourcing-Alternativen und entscheidet schlussendlich über das am besten geeignete Delivery Modell - also Private-, Managed- oder Public Cloud. Im Falle der Private Cloud überwacht er die technische Umsetzung bis hin zur Freischaltung im Cloud-Portal des Unternehmens. Anschließend erfolgt die Übergabe an den Service Owner, der die Verantwortung über den Lebenszyklus des Services innehat.

Der Kapazitäts- und Demand-Manager

Kapazitäts- und Demand-Manager progonstizieren Service-Nachfragen und planen Kapazitäten.
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Die klassische IT fängt - plakativ formuliert - zu arbeiten an, wenn das Geld da ist. Sie ist anforderungs-, projekt- und budgetgetrieben. Ganz anders laufen Cloud-Projekte ab. Hier müssen die Dienste sofort bereit stehen, für langwierige Hardware- oder Softwarebeschaffung bleibt keine Zeit. Entsprechend müssen die Services durch die IT-Organisation schon vorinvestiert sein - auch wenn noch keine konkrete Business-Anfrage vorliegt.

Benötigt werden deshalb Mitarbeiter, die die Nachfrage von ihren Business-Kollegen prognostizieren und in eine Kapazitätsplanung umsetzen können. Diesen Job erledigen Kapazitäts- und Demand-Manager. Der Demand-Manager liefert die Prognosen für die zu erwartenden Service-Nachfragen, der Kapazitäts-Manager setzt die Prognosen konkret in Infrastruktur-, Lizenz- oder Storage-Bedarf um.

"Der Kapazitäts-Manager muss Entscheidungsvorlagen erarbeiten und sein Budget planen", erklärt HP-Experte Reichenbach. "Hat ihm der Demand-Manager mitgeteilt, dass eine Business-Unit in drei Monaten eine Marketing-Kampagne ausrollt und 250 zusätzliche Server braucht, muss der Kapazitäts-Manager dafür sorgen, dass diese Dienste dann auch bereit stehen."

Der Service-Level-Manager

Leistungsmerkmale und Garantien dafür werden in der traditionellen, projektbezogenen IT für jedes Projekt neu verhandelt. Welche Leistungen die IT garantiert, ist immer individuell und wird manchmal, aber nicht immer, schriftlich fixiert. Im Cloud-Delivery-Modell sind stattdessen hochstandardisierte Dienste mit klaren Service-Beschreibungen und SLAs üblich.

Die Sicherstellung der Dienstequalität erfordert einen Service-Level-Manager. Dieser ist ganzheitlich verantwortlich für die Cloud-Dienste und muss die Kompetenz und Machtbefugnis haben, Service-Veränderungen durchzusetzen.

"Werden beispielsweise in einem Report Performance-Schwierigkeiten in einem Bereich festgestellt und können damit Zusagen nicht eingehalten werden, sollte er diese Probleme in seiner Rolle als Service-Level-Manager beheben können", erklärt Reichenbach. Der Service-Level-Manager sollte deshalb organisatorisch eine Stabsstelle einnehmen. Weil er Verbesserungsinitiativen auslösen muss, muss er auch über Budget verfügen.

So führen Sie Cloud-Dienste erfolgreich ein

Mit der Einführung von Private-Cloud-Services sollten die neuen Rollen sukzessive etabliert werden. Hilfreich sind hierbei die Methoden des Change Managements (Veränderungsmanagement), mit denen das neue Delivery-Modell Schritt für Schritt eingeführt wird. Zunächst werden die eben vorgestellten neuen Rollen definiert. "Jede Rolle beschreiben wir mit der AKV-Regel: Aufgaben, Kompetenzen, Verantwortung", sagt Reichenbach. "Daraus geht hervor, welche Aufgaben, Entscheidungskompetenzen und Verantwortlichkeiten mit einer Rolle in dem neuen Cloud-Delivery-Modell verbunden sind."

Aus den unterschiedlichen Rollen werden Stellen mit spezifischen Skill-Profilen geschaffen. Darin wird beschrieben, was der Mitarbeiter können soll und welche Voraussetzungen er mitbringen sollte. Anschließend werden dann aus den bereits existierenden Rollen Mitarbeiter ausgewählt, die diese neuen Stellen ausfüllen können.

Laut Reichenbach zeigt die Erfahrung, dass Key Player in der existierenden Organisation meistens nicht dafür geeignet sind. Der Grund: Sie haben viel Wissen in der projektgetriebenen IT und möchten ihre Key-Player-Rolle nicht verlieren - was dem Aufbau des neuen Delivery-Modells entgegensteht. "Die Mitarbeiter, die am meisten aus der existierenden Organisation herausstechen, sind am ungeeignetsten, ein neues Delivery-Modell aufzubauen", erläutert der HP-Experte.

Querdenker sind gefordert

Für das Cloud-Delivery-Modell kommen vor allem Mitarbeiter in Frage, die Veränderungen positiv sehen und sich - statt durch Technologieorientierung - durch Querdenken, Ideenreichtum und Wissensorientierung ausgezeichnet haben. Aus diesen Mitarbeitern wird eine Miniorganisation im Umfang von zehn bis zwölf Teilnehmern geformt und die den Rollen zugrunde liegenden Prozesse werden neu definiert: Die Prozesse eines Demand-, eines Forecast- und eines Kapazitäts-Managements.

Diese Prozesse werden dann "designed". Am besten eignen sich dafür Best Practices des alten Modells, die an die neuen Erfordernisse von Cloud-Services angepasst werden. Reichenbach sieht hierin zwei Vorteile: "Zum einen werden Prozesse gestaltet, die man in der Kundenumgebung der IT-Organisation umgesetzt bekommt, und zweitens ist der Rückhalt und die Lernkurve bei den Mitgliedern der Miniorganisation viel größer." Das Ergebnis sollte dann ein Process Guide sein, in dem die Prozesse mit den entsprechenden Rollen verknüpft sind.

Im nächsten Schritt werden die Prozesse erprobt, indem durch die Miniorganisation kleinere Services geliefert werden. Die neuen Cloud-Dienste werden den Business-Abteilungen als Alternativen zur traditionellen IT schmackhaft gemacht.

Von der Miniorganisation zum Regelbetrieb

In der Regel lassen sich die Business-Abteilungen von den Vorteilen der Cloud-Services überzeugen. Werden die Services geliefert, treten allerdings mit hoher Wahrscheinlichkeit Fehler auf. "Die Gefahr ist groß, dass die Mitarbeiter der Organisation in die alten Prozesse zurückfallen, weil es dort für das Problem in der Regel eine Lösung gibt", erklärt Reichenbach. "Um diesen Rückfall zu verhindern und die Transformation nicht scheitern zu lassen, ist es wichtig, die Miniorganisation zu coachen. Die Coaches müssen zusammen mit den Mitgliedern der Miniorganisation eine gemeinsame Lösung auf Basis des Cloud-Modells finden."

Sind diese Schwierigkeiten überwunden, sollten die Services funktionieren: Die Miniorganisation läuft jetzt vier oder fünf Monate stabil, die Dienste werden schnell und zuverlässig geliefert, und es gibt viele Nachfragen, weil das Business festgestellt hat, dass sie die IT-Leistungen schneller, günstiger und verursachungsgerechter bekommen.

Nun tritt das Change Management in die letzte Phase ein: Die Vergrößerung der Miniorganisation. Dazu werden weitere Mitarbeiter aus dem herkömmlichen Delivery-Modell in das neue Modell geholt und angelernt. Der Vorteil: Die neuen Mitarbeiter kommen in eine bereits funktionierende, etablierte Struktur, in der die dort integrierten Mitarbeiter bei allen entscheidenden Prozessdefinitionen beteiligt waren. Diese können dann das neue Personal coachen.

"Damit wäre der Beraterjob erledigt", erklärt HP-Experte Reichenbach. "Wir haben die Organisation soweit fit gemacht, dass sie in der Lage ist, weiteres Personal aus dem traditionellen Modell in das neue Modell zu transformieren."