Voller Hoffnung reisten 50 IT-Absolventen Ende Oktober nach Hennef. Als Teilnehmer eines zweitägigen Karriere-Workshops wollten sie zeigen, was in ihnen steckt. Eingeladen hatten große Anwenderfirmen wie die Deutsche Bank, die Hessische Landesbank und der international expandierende Discounter Lidl. Selbst in der Krise stocken sie ihr Personal auf, um in die Jahre gekommene Anwendungsarchitekturen zu erneuern oder ihre florierenden Geschäfte mit modernen Systemlandschaften abzusichern.
Der Andrang war groß. Hunderte Bewerber hatten ihre Unterlagen beim Veranstalter Access eingereicht. Für die meisten jedoch blieb es beim Versuch. Auch Anwender picken sich die Rosinen heraus. Was sie von IT-Absolventen erwarten, fasst Carolin Schlomann zusammen. Die Personalberaterin von Access hatte die besten Bewerber herausgefischt: "Neben hervorragenden Noten müssen Absolventen fachlich überzeugen. Eingeladen wurde allein, wer sich spezialisiert hat, zum Beispiel als Informatiker in der Systemanalyse, und dafür hinreichende praktische Erfahrungen vorweisen kann."
Persönliche Eigenschaften, die Schlomann nicht explizit erwähnt, muss ein Kandidat erst im Bewerbungsgespräch unter Beweis stellen. Während die Personaler im Hennefer Workshop genau beobachteten, wie sich die Absolventen in Fallstudien schlagen, ihre Ergebnisse präsentieren und sich kritischen Fragen stellen, bleibt Arbeitgebern in normalen Bewerbungsgesprächen dafür viel weniger Zeit. Trotzdem schauen sie genau hin. Dieter Schoon, Personalchef des Bielefelder IT-Dienstleisters Itelligence, will vom Bewerber erfahren, wie er eine konkrete Aufgabe anpacken würde: "Wie gehen Sie an das Problem heran, welchen Lösungsweg schlagen Sie ein, und nach welchem Plan gehen Sie vor?"
Halb volles Glas
Ähnlich wie die im SAP-Umfeld international expandierende Itelligence, die 2010 ihre süddeutschen Standorte Stuttgart und München personell verstärken und bis zu 50 Absolventen einstellen will, plant auch der Münchner IT-Dienstleister Cirquent, seine Belegschaft durch junge IT-Kräfte zu ergänzen. Noch wichtiger als das Fachwissen, das sie von der Hochschule mitbringen, ist dem Unternehmen, dass sich Bewerber für den Beruf des Beraters eignen. "Dafür müssen sie kommunikativ sein, sich selbst organisieren und strukturiert an immer neue Probleme herangehen können", unterstreicht Chef-Recruiter Ansgar Kinkel.
Auf die Soft Skills kommt es also an. Einer aktuellen Stellenauswertung der Firma PPI zufolge erwarten neun von zehn deutschen IT-Unternehmen ausdrücklich sozialkompetente Verhaltensweisen von ihren Bewerbern. Beispielsweise verlangt Daniel Kleinhans, Human Resources Manager beim Softwarehaus CAS in Karlsruhe, dass Absolventen positiv und zukunftsorientiert denken, Risiken eingehen und aus Fehlern lernen wollen. "Bei uns ist das Glas halb voll statt halb leer", bemüht Kleinhans ein viel zitiertes Bild, das die Aufbruchstimmung in der Firma charakterisiert. Um keine ungeeigneten Bewerber einzustellen, stellt CAS die Interessenten in Interviews auf die Probe. "Hier erfahren wir, wie Kandidaten mit Erfolgen und Misserfolgen umgehen und sich in Konfliktsituationen verhalten. Negative Prägung fällt uns sofort auf."
Auch die Fähigkeit, im Team an einem Strick zu ziehen und persönliche Belange der gemeinsamen Aufgabe unterzuordnen, ist den Firmen wichtig. Wer den Egotrip sucht, hat keine Chance. Bewerber könnten ehrgeizig und leistungsorientiert sein, sagt Kleinhans, "aber nicht auf Kosten der Kollegen im Team". Die besten Erfahrungen habe CAS mit Kandidaten gesammelt, die sich am Arbeitsplatz gemäß ihrem Naturell verhalten und sich nicht verstellen.
Der unvorbereitete Kandidat
Umgekehrt gibt es immer noch viele Bewerber, die zu nachlässig sind oder unangemessene Forderungen stellen. Schoon beobachtet, dass sich Kandidaten immer weniger Zeit für die Vorbereitung eines Interviews nehmen. "Heute ist Absolventen oft der Respekt vor dem Berufseinstieg abhandengekommen, nicht zuletzt weil sie von vielen Firmen über Gebühr hofiert werden." Laut Kinkel von Cirquent würden junge Bewerber ohne nennenswerte berufliche Erfahrungen den Bewerbungsprozess überstürzt und mit abwegigen Erwartungen angehen. "Nicht zuletzt in der Krise legen wir Wert darauf, dass die Gehaltswünsche sich in vernünftigem Rahmen bewegen und Entscheidungen überlegt getroffen werden."
Halten wir fest: IT-Kräfte, die Spezialwissen durch Schlüsselqualifikationen und interdisziplinäre Erfahrungen ergänzen, werden immer wichtiger für Unternehmen. "Der Workflow-Spezialist kennt sich mit der Ablauf- und Aufbauorganisation aus", beschreibt Elisabeth Heinemann, Informatikprofessorin von der Fachhochschule Worms, diesen Trend. "Ein SAP-Berater überzeugt, weil er mit Fachbereichen kommuniziert und betriebswirtschaftlich argumentiert."
Nicht alle wollen den Bachelor
Und an diesem Anforderungsprofil scheitern, das berichten zumindest einige Personaler, viele Bachelor-Absolventen. Auch wenn sie nicht leisten können, was einem IT-Experten mit einigen Jahren Berufserfahrung abverlangt wird, sind Bewerber erwünscht, die, wie Personaler Schoon verlangt, eigenständig Probleme bewältigen und sich gut organisieren können. Seit der Umstellung auf Bachelor und Master würden Studenten jedoch eher durchs Studium hasten, als sich Lösungen auf eigene Faust zu erarbeiten.
Diese Einschätzung teilt Cirquent-Personaler Kinkel. Für ihn liegt die Wurzel des Übels im extrem komprimierten Lernstoff. Eingezwängt in ein enges Studienkorsett, hätten Bachelor-Studenten kaum Zeit, um fachliche Schwerpunkte auszuloten und praktische Erfahrungen zu sammeln. Für Access-Beraterin Schlomann, die pro Jahr Hunderte Bewerbungen gründlich prüft, sind die Aussichten auf einen Karriereeinstieg für Bachelor-Absolventen derzeit ziemlich mau: "Anwender wie IT-Unternehmen entscheiden sich eher für Absolventen mit Master und Diplom, weil es Bachelors noch an technischer Tiefe und praktischen Erfahrungen mangelt."
Freilich gibt es auch positive Nachrichten für die relativ neue Absolventengeneration. Bei CAS werden sie als ebenbürtige Wettbewerber gegenüber Master- und Diplom-Absolventen eingestuft. "Wir machen keinen Unterschied", sagt Personaler Kleinhans. Wichtig sei allein, ob der Bewerber mit seinen Soft Skills und praktischen Erfahrungen punkten könne. Und hier könne der Bachelor unter einer Voraussetzung sogar die Nase vorn haben: "Zwar pauken Bachelor-Studenten mehr", räumt Kleinhans ein. "Jedoch kompensieren einige die Verschulung durch eine vorgelagerte Ausbildung. Das überzeugt Arbeitgeber."
Doch auch Bachelor-Normalos müssen nicht den Kopf in den Sand stecken. Für Professorin Heinemann ist jeder im Vorteil, der "über den Tellerrand hinausschauen" will. Selbst wenn im Bachelor-Studium wenig Zeit dazu bleibe, könne jeder Student ein interdisziplinäres Wahlpflichtfach belegen und sich Branchenkenntnisse aneignen. Das komme bei Unternehmen an: "Absolventen haben eine Idee davon, wie sie sich zum Beispiel als IT-Kraft bei BMW einbringen können."
Access-Beraterin Schlomann rät Bachelor-Studenten lieber, noch den Master dranzuhängen. Wer unbedingt früher in den Beruf einsteigen wolle, sollte zumindest ein sechsmonatiges Praktikum absolviert oder als Werkstudent Einblick in die IT-Welt gewonnen haben. Zumindest Heinemanns Studenten scheinen das beherzigt zu haben. Alle Absolventen des ersten Bachelor-Jahrgangs hätten sofort eine Stelle gefunden: "Einer hat seine Abschlussarbeit über multikulturelles Projekt-Management geschrieben und ist von einem IT-Beratungsunternehmen gleich als Junior-Projekt-Manager eingestellt worden."