Punkt-zu-Punkt hat ausgedient

15.10.2002 von Kirsten Buffo
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Die Akzeptanz offener Standards wie Corba, HTTP und XML prägt insbesondere die EAI-Landschaft. Statt proprietärer Adapter für Punkt-zu-Punkt-Verbindungen ist nun eine plattformunabhängige, serviceorientierte Middleware gefragt.

Mitte der 90er Jahre wurde Integration als wesentlicher Baustein in der Unternehmens-IT erkannt. Dieser erste technologische Ansatz nutzte das Prinzip des „Integration-Broker“. Im Mittelpunkt steht dabei die datenorientierte Integration. Das heißt: Daten werden mit Hilfe des Integration-Brokers von einem System zum anderen geleitet. Die Semantik liegt bei diesem Ansatz ausschließlich in den Daten. Die Schnittstellen dienen als reine Übergabestationen. Geschäftsprozesse werden über Datenströme abgebildet. Zu den wichtigsten Anbietern von Produkten aus diesem Segment gehören unter anderem Vitria, Tibco, IBM und BEA. Sie alle offerieren eine exzellente und jeweils stabile Lösung für den nachrichtenbasierten EAI-Ansatz und verzeichnen erhebliche

Marktanteile in diesem Bereich.

Wiederverwendung von IT-Assets durch Integration von Services in einen Service Bus. (Quelle: C_sar)

Aus der Erkenntnis heraus, dass Daten alleine und ohne Interpretation bei der Integration nicht ausreichend sind, wurde als zweiter technologischer Ansatz der Dienst beziehungsweise das Servicekonzept etabliert. Hier können die Daten zusätzlich in einem definierten Kontext betrachtet werden. Dienste sind dabei als Daten samt deren Semantik definiert und plattformunabhängig im Netzwerk erreichbar.

Gegenüber dem klassischen Ansatz des reinen Information Broker bietet die serviceorientierte Lösung eine Reihe zusätzlicher Vorteile: - die Möglichkeit der Zuordnung von Dienstqualitäten (Quality of Service) als eine Basis für die Definition und Messung von Anforderungen an Hochverfügbarkeit, Lastverteilung (Load Balancing) und Transaktionalität (auch verteilte Transaktionen, 2-Phasen Commit) des Dienstes; - die Schaffung der Voraussetzungen für Service-Providing (intern wie extern) von Diensten, zum Beispiel über das Medium Internet und Intranet (Web-Services); - das Erfüllen der extremen Skalierbarkeitsanforderungen bei der Nutzung eines Service im Netzwerk durch mehrere Projekte, Systeme beziehungsweise Kunden.

Integration über End-to-End-Lösungen, wie sie der inzwischen klassische EAI-Ansatz bietet, ist für die im E-Commerce und von der Business-Seite geforderten Dynamik zu statisch. Zudem ist die da-tenorientierte Integration, die auf Adapter-Technik und dem Prinzip des „Integration-Broker“ basiert, mit hohem Aufwand und Kosten verbunden. Bei dem jüngeren, serviceorientierten Ansatz, der auf dem offenen Standard von Corba aufbaut, können die Informationseinheiten zusätzlich in einem definierten Kontext betrachtet werden. Dienste sind dabei als Daten samt deren Semantik definiert und plattformunabhängig im Netzwerk erreichbar. Dadurch können Systeme und Projekte bereits integrativ konzipiert werden. Auch deshalb wird die Zukunft den „End-to-Anywhere“-Archtikturen gehören.

Die Wurzeln des serviceorientierten Ansatzes sind in dem offenen Standard Corba zu sehen, der diese Idee als verteilte Objektlandschaft mit wohlgeformten Schnittstellen begründet hat. Die Objekte halten zusätzlich die Semantik vor, also den Kontext in dem eine Schnittstelle steht. In welcher Art und Weise die Semantik (oder auch Business-Logik) implementiert ist, bleibt hinter der Schnittstelle verborgen. So ist Business-Logik, die auf Mainframe-Systemen liegt, häufig in den Sprachen Cobol oder PL/I implementiert. Die eigentliche Schnittstelle hingegen kann plattformunabhängig in der Interface Definition Language (IDL) modelliert sein.

Ein Vergleich der beiden Ansätze - Information Broker und der serviceorientierte Weg - macht deutlich, dass die Zukunft den serviceorientierten Architekturen gehört. Systeme und Projekte können hier bereits integrativ konzipiert werden. Die technologischen Ansätze für Integrationsplattformen sind dabei am Grad ihrer Serviceorientierung zu bewerten, das heißt an der Tatsache, wie gut sie mit unterschiedlichen Servicekonzepten umgehen können.

Historisch betrachtet ist beispielsweise in großen Unternehmen ein Großteil der Bu-siness-Logik auf den Mainframes angesiedelt worden. Diese Hosts lassen sich sehr schwer über Adapterlösungen im Rahmen von Integration-Brokern erschließen. Kernprobleme sind dabei immer wie-der Skalierbarkeit, Transaktionalität und Sicherheit. Hinter einer Dienste-Schnittstelle können dagegen Plattformmigrationen stattfinden. So wird zum Beispiel eine Cobol-Applikation auf die Unix-Java-Plattform portiert.

Hersteller von Standardsoftware haben die Vorteile des serviceorientierten Ansatzes aufgegriffen: SAP, Siebel und Oracle kündigten bereits an, ihre Systeme serviceorientiert umzubauen, wodurch klassische Adapter überflüssig werden. Ein erster Anbieter einer solchen serviceorientierten Integrationsplattform ist Iona. Der Hersteller adressiert mit seinem Produkt auch die klassischen EAI-Projekte, dort hat er aber einen etwas offeneren, standardbasierten Ansatz gewählt haben. Dieser widerspricht nicht dem klassischen Vorgehen der anderen Anbieter, sondern ergänzt dieses in erheblichen Umfang.

Prozessorientierter versus programmatischer Ansatz für Integration. (Quelle: C_sar)

Für den serviceorientierten Ansatz spricht auch die Möglichkeit, durch die Wiederverwendung von IT-Assets einen Investitionsschutz zu erreichen. Softwarelösungen waren bislang oft zu stark miteinander verwoben und nicht wiederverwendbar angelegt. Insbesondere die Integration, also der Zugriff auf die Business-Logik, konnte nicht weiter genutzt werden. Eine weitere Verwertung musste somit ausschließlich auf einzelne Softwarekomponenten angewendet werden. Zusätzlich wurden Komponenten, Modelle und Frameworks selber entwickelt, die ebenfalls nicht wiederzuverwenden waren. Auf der anderen Seite sollten die IT-Systeme inklusive Legacy-Applikationen auch im Internet-Zeitalter mit seinen Realtime-Anforderungen nutzbar sein. In Bezug auf die Adaptern zu solchen Backends ist deshalb ein Ansatz notwendig, der einen Investitionsschutz sicherstellt. Dies wird insbesondere dann gewährleistet, wenn Adaptern für spezielle Punkt-zu-Punkt-Verbindungen nicht produktbezogen ausgelegt sind,

sondern das jeweilige System in einen Servicebus integrieren, der standardbasiert und deshalb immer wieder-verwendbar ist. Dieser Servicebus übernimmt die vier Aufgaben Anbindung (connect), Umwandlung (transform), Instrumentierung (orchestrate) und Management (manage).

Ein weiterer Vorteil der Serviceorientierung gegenüber einem Integration-Broker ist die Wahlfreiheit, wenn es um die Herangehensweise der Integration geht. Diese kann, vor allem im Bereich E-Commerce, entweder programmatisch oder von Geschäftsprozessen bestimmt sein. Während der prozessorientierte Ansatz von der Business-Seite her die technischen Grundlagen zu beeinflussen versucht (Top down), versucht der programmatische die geschäftlichen Anforderungen durch Systematik in der Technik abzubilden (Bottom up). Bei beiden Ansätzen werden unterschiedliche Kriterien an eine Integration herangetragen.

Die IT-Infrastruktur sollte deshalb in der Lage sein, beiden Wegen eine einheitliche Grundlage zu bieten, was nur durch Serviceorientierung mit einer Service-Bus-Architektur gegeben ist. Sie gewährleistet eine wiederverwendbare „End-to-Anywhere“-Kopplung. Integration-Broker-Anbieter mit proprietären Adaptern etwa zu Mainframes (Punkt-zu-Punkt-Verbindung) können dagegen nur den prozessorientierten Ansatz optimal unterstützen. Viele Unternehmen aus der Finanz- und Versicherungswirtschaft betreiben große Mainframe-Systeme, die oft 80 Prozent der Business-Logik beinhalten. Eine per Adapter oft nur unzureichend gelöste Integration solcher Mission-Critical-Anwendungen kann über offene Servicestandards wie Corba oder Web-Services für beide Zielsetzungen optimal gelöst werden.