Provider außer Kontrolle

08.09.2005 von Joachim Hackmann
Anwender haben die Steuerung ihrer Service-Provider nicht im Griff. Die Probleme beginnen schon in der Vorbereitung von Outourcing-Deals.

Hier lesen Sie ...

  • wieviel Geld Unternehmen für die Provider-Steuerung bereitstellen;

  • welche Summe nötig wäre;

  • welche Kostenblöcke Anwender zur Bewertung von Outsourcing-Deals betrachten;

  • welche Kostenarten sie vernachlässigen;

  • welche Werkzeuge sie zur Provider-Steuerung nutzen.

Viele Unternehmen tun sich schwer, den Prozess der Zusammenarbeit mit ihren IT-Dienstleistern vernünftig zu gestalten. Immerhin 17 Prozent der Unternehmen mit Auslagerungsprojekten weltweit kennen ihre Aufwendungen für die Provider-Kontrolle nicht, in Deutschland sind es sogar 22 Prozent. "Wir haben vermutet, dass es um die Steuerung der Dienstleister nicht sehr gut bestellt ist. Das Ausmaß hat uns aber überrascht", räumt Ulfert Gartz ein, Managing Consultant der PA Consulting Group aus Frankfurt am Main. Gartz ist der deutsche Autor der internationalen "IT-Outsourcing Studie 2005", die von 360 zum Großteil europäischen Unternehmen initiiert wurde. 70 der beteiligten Firmen kommen aus Deutschland (siehe Kasten: "Eckdaten der Studie").

21 Prozent der internationalen sowie 20 Prozent der deutschen Befragten gaben an, ihre Kosten für die Provider-Steuerung betrügen ein Prozent oder weniger vom gesamten Outsourcing-Volumen. Doch das bezweifelt Gartz: "Ein Prozent und weniger ist gleichbedeutend mit unbekannt. In diesen Unternehmen werden nicht die tatsächlichen Kosten erfasst, sondern nur die budgetierten." Demnach wissen 42 Prozent der deutschen und 38 Prozent aller Outsourcing-Anwender nicht, was sie die Kontrolle des externen Dienstleisters kostet.

Zehn Prozent sind zuviel

Doch die Hiobsbotschaften nehmen damit noch kein Ende: Ein erklecklicher Teil der Unternehmen stellt für die Führung des Outsourcers zuviel Geld bereit. Zehn Prozent der deutschen und 15 Prozent aller Befragten wenden mehr als zehn Prozent der Summe des Outsourcing-Deals für das Management des externen Dienstleisters auf. Das ist übertrieben, meint Gartz. "Ein idealer Wert ist vier Prozent. Das mag bei komplexen Aufgaben darüber, bei Standardleistungen darunter liegen. Mehr als zehn Prozent bieten auf jeden Fall Grund zur Sorge", warnt er. Kostentreiber sind in der Regel die Vielzahl der Mitarbeiter, die als Relationship-, Service- und Account-Manager den Outsourcer führen müssen.

Laxe Kostenrechnung

Je schlechter Abläufe und Organisation gestaltet sind, desto aufwändiger werden diese Aufgaben. Hohe Steuerungskosten sind meistens darauf zurückzuführen, dass zwar funktionierende, aber schlecht beschriebene IT-Prozesse einem Dienstleister übergeben wurden. "Bei hemdsärmelig arbeitenden IT-Organisationen treten die Schwächen der internen Prozesse nach Auslagerungen viel stärker zu Tage", erläutert Gartz. Unterm Strich heißt dies, dass mehr als die Hälfte der Outsourcing-Nehmer die Provider-Steuerung nicht im Griff hat, weil sie entweder unnötig viel Geld ausgibt, oder den Aufwand nicht kennt.

Zudem deckt die Studie Mängel in der Nutzung von Steuerungswerkzeugen auf. Die meisten Nutzer verlassen sich auf die regelmäßig bereitgestellten Leistungsberichte der Service-Provider, um die Einhaltung des Vertrags bewerten zu können. Während die Befragten außerhalb Deutschlands darüber hinaus Benchmarking-Projekte und Kundenzufriedenheits-Analysen betreiben oder sogar gemeinsame Steuerungsgremien einsetzen, um die Leistung des externen Partners zu kontrollieren, schöpfen deutsche Outsourcing-Kunden die Bandbreite der verfügbaren Kontrollinstrumente kaum aus. Allenfalls ein Benchmarking des Dienstleisters wird in Erwägung gezogen. Andere Steuerungswerkzeuge wie Bonus-Malus-Regelungen, Balanced Scorecard und Risikobeteiligung fallen hierzulande kaum ins Gewicht.

Den laxen Umgang der Anwender mit der Kostenrechnung belegt die PA-Consulting-Studie auch an einer anderen Stelle. Obwohl 75 Prozent der Befragten Einsparungen als wichtigstes Ziel des Auslagerungsprojekts erachten (auf Platz zwei folgt bei deutschen Anwendern die Optimierung von IT-Investitionen mit 46 Prozent), können die meisten den finanziellen Erfolg des Vorhabens nicht bewerten, weil sie wichtige Kostenblöcke nicht kennen.

Wichtige Kostenblöcke ignoriert

Das meiste Geld müssen die Anwender für die Betriebsdienste zahlen. Sie umfassen etwa 65 bis 80 Prozent sämtlicher Outosourcing-Kosten und werden fast immer zur Kalkulation eines Deals herangezogen.

Eckdaten der Studie

In den Monaten April bis Juni 2005 befragten die Berater der PA Consulting Group 360 internationale Unternehmen zu ihren Outsourcing-Aktivitäten, darunter knapp 20 Prozent deutsche Anwender. Über die Hälfte haben weniger als 20 Prozent ihrer IT-Aktivitäten einem externen Dienstleister übergeben.

Unter den Befragten stellen Banken und Versicherungen mit anteiligen 24 Prozent die meisten Teilnehmer, gefolgt von der TK- und Medienbranche (zehn Prozent) und den Fertigungsunternehmen (ebenfalls zehn Prozent). Die größte Gruppe bilden dabei Unternehmen mit einem Jahresumsatz zwischen 75 und 375 Millionen Euro. Die Studie steht auf der Web-Seite der PA Consulting Group unter www.paconsulting.com/deutsch bereit.

Doch mit allen weiteren Aufwendungen, die etwa für Provider-Steuerung, Due Diligence und Migration, laufende Anpassungen, Extraleistungen durch Dritte, Geschäftsveränderungen und Schulungen anfallen, nehmen es die Kunden nicht so genau. Insbesondere den branchenüblichen Risikoaufschlag, den Unternehmen bereitstellen sollten, um damit notwendige Anpassungen auf der Geschäftsseite bezahlen zu können, lassen die Anwender außer Acht. Die Kosten dafür belaufen sich auf zwei bis fünf Prozent vom Wert des Outsourcing-Deals.

Als Entscheidungsgrundlage für oder gegen das Outsourcing fließen demnach fast ausschließlich die internen IT-Kosten vor der Auslagerung ein. Doch 25 Prozent der Unternehmen ziehen nicht einmal diese in Betracht. "Das sind keine Einzelfälle", beteuert der PA-Berater. "Strategie hat zwar in vielen Unternehmen etwas mit Visionen, aber weniger mit konkreten Zahlen zu tun."

In solchen Fällen ist es kaum verwunderlich, das viele Anwender schmerzliche Erfahrungen mit dem externen IT-Betrieb machen müssen. In jedem sechsten Unternehmen weltweit und jedem siebten deutschen mündet die Unzufriedenheit in eine vollständige oder teilweise Rückabwicklung des Projekts - ein schwieriges und teueres Unterfangen. Während die Anwender bei der Auslagerung noch auf die Mithilfe des Dienstleisters vertrauen konnten, weil beide Partner das gleiche Ziel verfolgten, müssen sie im Insourcing-Fall die Rückführung oftmals gegen den Willen des Outsourcing-Partners betreiben. "Sowohl rechtliche als auch technische Migrationsmaßnahmen sind bei der Rückführung von Leistungen wesentlich teurer und risikobehafteter als bei der Auslagerung", warnt Gartz. In manchen Fällen planen Unternehmen für ein solches Projekt die Hälfte des IT Jahresbudgets ein, berichtet der PC-Consulting-Berater.

Provider-Steuerung im Blindflug

Insgesamt zeigt der Outsourcing-Markt trotz jahrelanger Erfahrung auf Anbieter- und Anwenderseite erhebliche Defizite. Das gilt insbesondere für hiesige Anwender, denen die Studie handwerkliche und strategische Unzulänglichkeiten bescheinigt. "Die Schwächen deutscher Anwender sind erheblicher, als man das im Jahr 2005 erwartet hätte", staunt Gartz. "Die mangelnde Reife des Outsourcing-Markts erstreckt sich auf alle Aspekte eines Auslagerungsprojekts: Die Reichweite der Aufträge ist häufig noch auf einfache Dienste beschränkt, die Grundlagen der Geschäftsmodelle sind lückenhaft und die Steuerung der Dienstleister erfolgt im Blindflug."