IT-Kosten

Projekte sanieren - oder gleich streichen?

20.07.2010 von Markus Walter
Wenn Projekte aus dem Ruder laufen, werden sie häufig saniert oder gekürzt. Dabei wäre es bisweilen besser, sie ganz zu streichen.
Hier ist wenig zu retten.
Foto: Euro Ncap

Viele Projektverantwortliche in der IT kennen diese Probleme: Der Zeitrahmen ist gesprengt, das Budget gekürzt, ständig wird neu geplant. Pleiten, Pech und Pannen kommen in IT-Projekten recht häufig vor. Nach aktuellen Studien erreichen 30 Prozent aller IT-Projekte die gesteckten Ziele nicht.

Aber was machen die Unternehmen mit dem begonnen Projekt? Die Frage ist doch, ob es lohnt, das Vorhaben noch einmal zu sanieren, oder ob man es lieber ganz streichen sollte? Ein aktives Projekt-Portfolio-Management könnte eventuell bei dieser Entscheidung helfen. Doch es gibt kaum Werkzeuge, die eine ausgewogene Kosten-Nutzen-Rechnung ermöglichen würden. Ein Vergleich mit anderen Projekten ist deshalb oft schwierig oder gar unmöglich. Pi mal Daumen ist erstaunlich exakt

Rule of Thumb

Belastbare Wirtschaftlichkeitsrechnungen erweisen sich häufig als enorm aufwändig. Dagegen haben sich speziell im angelsächsischen Management Expertenschätzungen nach der "Daumenregel" (Rule of Thumb) bewährt. So hatte eine Spedition bei einem namhaften Beratungshaus eine Analyse in Auftrag gegeben, um zu ermitteln, wie hoch das optimale Beladungsgewicht für eine Euro-Palette sei. Nach vielen Wochen lag das Ergebnis vor. Nun sollte es dem Auftraggeber präsentiert werden.

Zur Gesprächseröffnung fragte der Senior Consultant einen Angestellten, was er denn als Ergebnis schätzen würde. Der Mitarbeiter war seit mehr als 20 Jahren in der Logistik tätig und schätzte das optimale Gewicht aus dem Bauch heraus auf zirka 175 bis 180 Kilogramm. Das Ergebnis der Analytiker lag bei 178 Kilogramm. Diese und andere Erfahrungen zeigen, dass die Schätzung durch Experten im Vergleich zu aufwändigen Analysen in sehr viel schnellerer Zeit ein nahezu gleichwertiges Ergebnis liefern.

Wenig Aufwand, konkrete Ergebnisse

Auf der Basis solcher Schätzungen hat Karl Heinz Hellmann, Geschäftsführer der Dr. Hellmann Unternehmensberatung in Schriesheim, die Benefit-Point-Methode für das Projekt-Management entwickelt. Mit ihrer Hilfe lassen sich die Prozessverbesserungen, die durch ein Projekt erzielbar sind, abfragen, schätzen und bewerten. Zur Bewertung dienen unterschiedliche Kategorien von Nutzen. Sie unterteilen sich in harte Faktoren wie Umsatz und Kosten sowie weiche Faktoren wie Wissen, Qualität, Sicherheit und Image.

Benefit Points als Währung

Analog zur Daumenregel werden zunächst im Rahmen eines Workshops Fachleute befragt. Das sind Menschen, die über genug Fachwissen verfügen, um beurteilen zu können, welche Auswirkungen die Projekte auf die internen Abläufe oder Kundenprozesse haben. Es handelt sich häufig nicht um die Projektleiter, sondern beispielsweise zum Beispiel Pre-Sales-Consultants oder die Business-Analysten. Anhand eines ausgeklügelten Punktesystems schätzen die Fachleute ab, wie viel Wertschöpfung - im Hinblick auf die genannten Kategorien - in den optimierten Prozessen steckt.

Diese Methode erfordert wenig Aufwand und liefert konkrete Ergebnisse: Die mit Hilfe der Expertenschätzung erzielten "Benefit Points" können - je nach Prozess - durchaus einem Nutzenwert in Euro entsprechen.

Quantitative Bewertung ist griffiger

Auf jeden Fall liefert die Methode einen Effizienzquotienten, mit dem Qualität und Quantität eines Projekts messbar werden. Damit gibt es eine unternehmensweit einheitliche und nachvollziehbare Messgröße, um Projekte miteinander zu vergleichen. Hat man den Effizienzfaktor (Nutzen zu Projektkosten) für jedes Projekt ermittelt, lässt anschließend ein Ranking erstellen. Damit ist ein Portfolio-Management von IT-Projekten nach Nutzen und Aufwand möglich.

Streichen statt Kürzen

Wenn jetzt Kürzungen anstehen, lassen sich die weniger wertschöpfenden Projekte mit Rücksicht auf ihren jeweiligen Effizienzfaktor komplett streichen - ohne jegliche Neuplanung. Das ist häufig viel vernünftiger als Kürzungen nach dem Gießkannenprinzip. Denn nach mehreren Kürzungs- und Neuplanungsrunden nimmt die Wirtschaftlichkeit von laufenden Projekten stark ab; oft sind sie dann kaum noch sinnvoll. Zugleich vergeuden die wiederholten Planungen wertvolle Ressourcen. Last, but not least steigt das Risiko von Fehlern.

Streicht man unwirtschaftliche Projekte, anstatt ihren Umfang zu verringern, verbessert sich das Gesamtergebnis des Unternehmens. Die wirklich nutzbringenden Projekte müssen nicht gekürzt werden und können ihre Wirtschaftlichkeit entfalten.

Im Vergleich zur qualitativen Beurteilung durch den Projektleiter ist die quantitative Betrachtung für Führungskräfte eine transparentere Entscheidungshilfe. Zudem hat diese Methode noch einen großen Vorteil: Indem die ständige Neubewertung und Planung von Projekten entfällt, können die Projekt-Manager ihr Know-how und Engagement direkt in die Projekte investieren. Damit tragen sie weitere zur Verbesserung der Unternehmensergebnisse bei.