Projekt: Prozesskosten um 30 Prozent gesenkt

31.08.2001 von Steffen Herzog
MÜNCHEN (CW-EXTRA) - Durch Einsatz von E-Procurement-Systemen lassen sich Kosten im Einkauf reduzieren. Dass auch mittelständische Unternehmen davon profitieren können, beweist das Beispiel des Fuldaer Automobilzulieferers Engineering + Design AG (EDAG).

"Im Einkauf liegt der Gewinn", besagt eine alte Kaufmannsregel. "Das ist allerdings nur die halbe Wahrheit, denn wer die Kosten nicht im Griff hat, der macht auch keinen Gewinn", erklärt Horst Kosterka. Der stellvertretende Bereichsleiter des Einkaufs bei der Engineering + Design AG (EDAG) ist verantwortlich für die Auswahl und den Einsatz der IT-Systeme, die seinen Bereich unterstützen.

Der hohe Aufwand für den Einkauf geringwertiger Güter, im Fachjargon auch C- oder MRO-Güter (Maintenance, Repair, Operation) genannt, ist ihm seit langem ein Dorn im Auge. "Wenn die Beschaffung einer CD-ROM rund drei Stunden Zeit in Anspruch nimmt und so mit mehr als 200 Mark zu Buche schlägt, dann ist dies nicht akzeptabel", so Kosterka.

Die hohen Kosten kommen durch die in vielen Unternehmen übliche bürokratische Vorgehensweise bei Bestellungen zustande: Mitarbeiter füllen Bedarfsanforderungen aus, Vorgesetzte genehmigen Anträge, Einkäufer sondieren den Markt nach Lieferanten und verhandeln Preise sowie Lieferkonditionen, der Eingang der bestellten Waren und Rechnungen wird von mehreren Personen kontrolliert und schließlich gelangen die Waren zum Besteller.

Im Jahr 2000 begann die EDAG daher mit einer organisatorischen Neuausrichtung des Einkaufs. Zukunftsorientierte Einkaufsprozesse und Strukturen sollen langfristig Wettbewerbsvorteile sichern: "In diesem Rahmen machten wir uns auch Gedanken über Methoden und Werkzeuge, um die Prozessqualität und die Effizienz und Effektivität des Einkaufs zu steigern. Wir wollen ganz bewusst auch alte Zöpfe abschneiden", erklärt Kosterka. Die Möglichkeiten, die E-Procurement bietet, kamen dem EDAG-Einkäufer dazu sehr gelegen: "Wir wollten das Papier aus dem Beschaffungsprozess von der Anforderung bis zur Zahlung verdrängen. Die Frage war nicht, ob, sondern wie und mit wem wir ein E-Procurement-System einführen sollten."

Um sich eine Übersicht über das Leistungsspektrum und die Preise im Bereich E-Procurement zu verschaffen, holten die EDAG-Einkäufer mehrere Angebote führender Anbieter ein, obwohl bereits Kontakte zur Ubis AG bestanden, einem auf E-Business und E-Procurement spezialisiertem Systemhaus. Das Unternehmen gehört zum Berliner Konzern PSI AG und arbeitet Hand in Hand mit einem weiteren Tochterunternehmen, der Psipenta GmbH. Für deren gleichnamiges ERP-System hatte sich EDAG bereits 1999 entschieden.

"Wir wollten uns aber nicht von vornherein auf einen Anbieter festlegen, nur weil bereits Kontakte bestanden. Entscheidend sollten ein überzeugendes E-Procurement-Konzept, Investitionssicherheit sowie die gute Anbindung an unser ERP-System sein", blickt Kosterka zurück. Das Konzept, das die Ubis vorlegte, überzeugte die EDAG-Manager, und die Berliner erhielten den Zuschlag.

Die Basis dieser E-Business-Lösung bildet "Ubis-Procurement", ein Paket aus Dienstleistungen und Software. In der Planungsphase erfolgte eine Analyse der Lieferanten, des Beschaffungsportfolios, der Prozesse und der IT-Systemlandschaft. In der Realisierungsphase entstehen die bereits definierten elektronischen Produktkataloge, werden Schnittstellen zu Lieferanten und Dienstleistern programmiert sowie das ERP-System der EDAG angebunden. Verbesserungen des E-Procurement-Systems und die Schulung der Mitarbeiter gehören zum Kundenservice.

Vorteile für Kunden und Lieferanten

Für den Einstieg in die neue Welt der elektronischen Beschaffung wählten Kosterka und sein Team Büromaterial als klassischen C-Produktbereich. Lieferant ist ein Komplettanbieter, mit dem die EDAG-Einkäufer schon in der Vergangenheit zusammengearbeitet haben: "Es ist bei Büromaterialien nicht sinnvoll, mehrere Lieferanten ins Boot zu holen, da sich die Angebote überschneiden würden. Deswegen haben wir uns für einen entschieden, mit ihm Preise und Bestellmengen sowie Lieferzeiten verhandelt.

Er wird in diesem Bereich zu unserem exklusiven Lieferanten auf Zeit", begründet Kosterka die Entscheidung. Das Beschaffungsvolumen für diese Produkte wird sich für das erste Jahr voraussichtlich im siebenstelligen Bereich bewegen. Weitere C- und auch B-Güter sollen folgen.

Konzernweit ergeben sich außer der Kostenreduzierung weitere Vorteile: "Wir sehen in der Kombination von Ubis-Procurement mit dem ERP-System Psipenta die Chance, auch unseren kleineren Niederlassungen für den Einkauf ein komfortables Werkzeug zu bieten, das Prozesse beschleunigt und trotzdem der Konzernstrategie entspricht." Zudem behalte man in der Zentrale den Überblick darüber, welche Beschaffungsvorgänge abgewickelt seien, inklusive der Informationen zu Umfang, Konditionen und Lieferanten. Generell ist EDAG daran gelegen, die bestehenden Lieferanten in das E-Procurement-Konzept einzubinden. Im Gegensatz zu dem früheren Ablauf werden die Bestellvolumina vorab im Paket ausgehandelt.

Auch für den Lieferanten ergeben sich aus dem Einsatz von E-Procurement Vorteile. Der damit verbundene Exklusivvertrag verbessert nicht nur die Kundenbindung, sondern steigert in der Regel auch das Einkaufsvolumen. Sind die elektronischen Kataloge erst einmal erarbeitet, lassen sie sich zudem auch von anderen Kunden nutzen. Ein weiterer Aspekt ist der reduzierte Pflegeaufwand.

Wichtig ist allerdings die Bereitschaft des Lieferanten, den neuen Weg der Zusammenarbeit mit dem Kunden zu beschreiten. Das bedeutet den Abschied vom Papier, denn alle Dokumente werden digital zugestellt und bearbeitet. Dies erfordert auch die Anpassung der Organisation auf der Lieferantenseite.

Der Zugriff auf das System erfolgt mittels Browser. Dies hat den Vorteil, dass keine Installationen an den Anwender-PCs notwendig sind.

Die von Ubis aufgebauten elektronischen Kataloge basieren auf der Software "Ideal-Procurement" von Catalog International. Für die darin enthaltenen Artikel stehen dem Anwender alle wichtigen Informationen wie Artikelnummern, Preise, Verpackungseinheiten oder Mindestbestellmengen sowie Abbildungen der Waren zur Verfügung.

In den Katalog gelangen die Daten in Form von "Excel"-Dateien, die aus der Datenbank des Lieferanten stammen. Als Datenbank wurde bei EDAG Microsoft "SQL Server 7.0" installiert, ab Herbst soll die Umstellung auf Oracle erfolgen.

Die E-Procurement-Lösung ist an die ERP-Software Psipenta 4.0.1 angebunden und übernimmt in der Startphase Kostenstellen und Kostenträger direkt aus diesem System. Nach der Umstellung auf das Release 5.1 im Herbst 2001 werden zusätzlich Mitarbeiterdaten, Konten sowie Kostenarten übertragen.

Das ERP-System wiederum liest per definierter Schnittstelle Informationen wie Bestellanfragen, Orders sowie zentrale und dezentrale Warenannahmen ein.

Was hat das Projekt gebracht?

Die Investitionskosten für das Projekt lagen bei rund 300 000 Mark. Ausgehend von einem Beschaffungsvolumen von 2,5 Millionen Mark bei 2000 Bestellungen pro Jahr, einem Volumenrabatt von fünf Prozent und einer Senkung der Transaktionskosten um 70 Prozent auf der Basis von 250 Mark je Transaktion macht sich das Projekt bereits nach rund sieben Monaten bezahlt.

Nach dem erfolgreichen Abschluss von ausgiebigen Tests nahm das System im Juni 2001 den Betrieb auf. Rund hundert EDAG-Mitarbeiter erhielten die Berechtigung, Büromaterial direkt zu ordern. Für die Anwender besteht eine individuelle Freigabehierarchie, die beispielsweise die Artikelauswahl oder Bestellmengen reguliert. Fehlbestellungen lassen sich so weitgehend ausschließen.

Durch die Umstellung wurden in der Abteilung Einkauf Ressourcen für andere Aufgaben frei. Und da die Artikel dem entsprechenden Mitarbeiter direkt an seinen Arbeitsplatz geliefert werden, sind für Büromaterial kein Warenlager und keine Materialbuchungen mehr notwendig: "Die Prozesskosten konnten wir schon in der ersten Phase um rund 30 Prozent senken, mit weiteren Einsparungen rechnen wir in den nächsten Ausbaustufen", berichtet Horst Kosterka. Hinzu kommt ein Volumenrabatt von fünf Prozent, den die Einkäufer mit dem Lieferanten für den Exklusivvertrag aushandeln konnten.

Mit weiteren Lieferanten sind die Hessen bereits in der Verhandlungsphase. Die Beschaffung von Werkzeug will man noch in diesem Jahr auf E-Procurement umstellen. Andere produktionsnahe Güter wie Montageteile, Ersatzteile oder Betriebsstoffe sollen folgen. Dadurch wird sich auch die Anzahl der Lieferanten bei EDAG weiter reduzieren. Schon in naher Zukunft soll Ubis-Procurement auch den rund 3600 Mitarbeitern in den Niederlassungen zur Verfügung stehen - zuerst in Deutschland und danach weltweit.

"Da ist noch einiges an Einsparungspotenzial drin, da wir die Beschaffung von immer mehr Gütern auf E-Procurement umstellen. Je mehr wir einkaufen, desto mehr sparen wir", kommentiert Kosterka mit einem Lächeln.