Procurement-Kataloge als Kundenservice

16.07.2002 von Christian Zillich
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Immer mehr Großkunden der Shell & DEA Oil GmbH setzen E-Procurement-Lösungen ein. Um sie mit elektronischen Katalogdaten versorgen zu können, baute der Ölkonzern einen entsprechenden Vertriebskanal auf. Aufgrund komplizierter Preisbildungsmechanismen kam dafür allerdings keine Software von der Stange in Frage.
Schnittstellenvielfalt: Über mehrere Adaptoren kann Shell & DEA auf der Kundenseite verschiedene E-Procurement-Systeme mit elektronischen Katalogen beliefern. Quelle: Shell & DEA

Im Herbst 2000 beschloss die damalige DEA Mineralöl & Service GmbH, eine E-Business-Abteilung mit dem Schwerpunkt elektronischer Vertrieb aufzubauen. Zu diesem Zeitpunkt verlangten zwar die Kunden des Ölkonzerns noch keine elektronischen Kataloge für ihre E-Procurement-Systeme; DEA beobachtete jedoch, dass fast alle Großkunden Lösungen zur elektronischen Beschaffung einführten.

„Uns war von Anfang an klar, dass man teure E-Procurement-Anwendungen auf lange Sicht nicht mit C-Artikeln auslasten kann“, erläutert Gunther Krambeer, E-Market-Manager bei Shell & DEA Oil. „Um einen vernünftigen Return on Investment zu erzielen, müssen die Anwender diese Systeme über kurz oder lang auch im MRO-Bereich nutzen.“ MRO steht für Maintenance, Repair and Operations, also für wichtige Hilfsstoffe, die aber nicht direkt in das Produkt einfließen. Da die von dem Unternehmen angebotenen Produkte wie Kraft- und Schmierstoffe geradezu prototypisch in diese Kategorie einzuordnen sind, wollte der Ölkonzern hier schneller reagieren als die Konkurrenz.

Die DEA-Verantwortlichen nutzten die CeBIT 2001, um sich mit einer Vielzahl von Lösungsanbietern zu treffen und zu sehen, inwieweit diese die Anforderungen erfüllen konnten. Dabei stellte sich schnell heraus, dass es keinen Softwarehersteller gab, der die gestellten Aufgaben im Standard zu lösen vermochte. Die überzeugendsten Antworten lieferte die Heiler AG, für deren Lösung, den „Premium Business Catalog“, sich das Unternehmen letztendlich entschied.

Abrechnung nach Tagespreisen

Aber auch der Heiler-Katalog war in seiner Grundform für DEA nicht einsetzbar; zu groß sind die Unterschiede zu den normalerweise darin abgebildeten C-Teilen wie Büroartikeln oder Computern zu den Ölprodukten des Konzerns. Zwar zeichnet sich die Produktgruppe Schmierstoffe durch ähnlich feste Preise aus, ihr Verkauf wird jedoch meist über langfristige Rahmenverträge geregelt. Ungleich schwieriger war zudem der Aufbau des Katalogs für Bulk-Produkte, also die verschiedenen Kraftstoff- und Heizölqualitäten. Auch in diesem Fall werden die Geschäftsbedingungen mit Großkunden in Rahmenverträgen festgeschrieben. Hier spielen aber nicht nur Mindestabnahmemengen und Rabatte eine Rolle, sondern vor allem der in Rotterdam tagesaktuell ermittelte Rohölpreis. Der für eine Lieferung zu zahlende Preis wird daher über eine kundenspezifische Formel errechnet.

Zum damaligen Zeitpunkt gab es keinen Kataloganbieter, der derart komplexe Pricing-Anforderungen unterstützt hätte. DEA veranstaltete daher mit Heiler eine Reihe von Workshops, um entsprechende Funktionen gemeinsam zu entwickeln. Bei diesen Sitzungen legte DEA großen Wert auf die Teilnahme von Mitarbeitern aus den Fachabteilungen wie beispielsweise dem Schmierstoffvertrieb sowie der IT-Abteilung. „Es war uns wichtig, das Expertenwissen möglichst bald mit am Tisch zu haben, um nicht theoretisch abzuheben“, begründet Krambeer die frühe Einbindung. Bei der Umsetzung sei DEA einer Politik der kleinen Schritte gefolgt. Dies sowie die enge Zusammenarbeit mit Heiler Software hätten es ermöglicht, die notwendigen Erweiterungen kostengünstig umzusetzen und Fehler schnell zu korrigieren.

Mittlerweile setzt Shell & DEA Oil die Lösung im Echtbetrieb ein. Als erster Großkunde greift der Energieversorger Envia über sein E-Procurement-System auf einen speziell zugeschnittenen Shell & DEA-Katalog zu. Mit Daimler-Chrysler befindet sich der Ölkonzern in der Versuchsphase.

Bei der Anbindung liegt der Teufel im Detail

Hinsichtlich der Gestaltung jedes kundenspezifischen Katalogs hat Shell & DEA grundsätzlich die Wahl zwischen zwei Vorgehensweisen: Entweder erstellen Mitarbeiter einen separaten Katalog, der das vereinbarte Produktportfolio sowie die vertraglich festgelegten Preiskonditionen enthält, oder ein Basiskatalog wird kundenspezifisch eingegrenzt.

Dabei stellt die Integration der Kataloge in die E-Procurement-Systeme der Abnehmer meist kein großes Problem dar. Die Lizenz umfasse sowohl eine OCI-Schnittstelle für den „Enterprise Buyer Professional“ von SAP als auch solche für Lösungen von Ariba oder Commerce One , so Krambeer. Der Teufel liege eher im Detail, weswegen bei jeder neuen Anbindung mehrere Tests laufen müssten. Beispielsweise werde in der Praxis eventuell ein Preis falsch berechnet, weil im E-Procurement-System des Kunden ein Rundungsfaktor eingestellt sei, der in Zusammenarbeit mit dem Katalog für Probleme sorge.

Bislang liegt der Vorteil, durch die Nutzung der Kataloge Prozesskosten einzusparen, eher auf der Kundenseite als bei Shell & DEA selbst. Denn auf Grund der jüngeren Firmengeschichte kann die Kataloglösung bisher nur als Stand-alone-Applikation betrieben werden. Anfang 2002 gründeten DEA und Shell das Gemeinschaftsunternehmen Shell & DEA Oil GmbH und bauen das System seitdem gemeinsam aus. „Als dieses Joint Venture beschlossen wurde, haben wir die geplante Enterprise-Resource-Planning-(ERP-)Integration nicht weiterbetrieben“, beschreibt Krambeer die aktuelle Situation. Zwar wolle auch Shell & DEA die Transaktionsprozesse automatisieren, eine Integration ergebe allerdings erst Sinn, wenn der Konzern die verschiedenen ERP-Systeme zusammengeführt habe.

Intern ist noch einiges zu tun

Auch die Einführung eines Content-Management-Systems wie des „Premium Content Manager“ von Heiler wollen Shell & DEA erst nach Bewältigung der ERP-Integration angehen. Solange nur eine begrenzte Anzahl von Kunden den elektronischen Vertriebskanal nutzen, sei die Pflege der Kataloge mit herkömmlichen Mitteln kein Problem, so Krambeer. Langfristig wünscht er sich jedoch komfortable Pflegemasken und Workflows für die weitgehende Automatisierung der elektronischen Abwicklung.

„Während unser System nach außen wunderbar funktioniert, ist intern noch einiges zu tun“, fasst der E-Market-Manager den derzeitigen Stand zusammen. Falls die Lösung von vielen Kunden angenommen wird - Shell & DEA plant in Kürze knapp 100 Abnehmer anzusprechen - hofft Krambeer allerdings, dass die ERP-Anbindung nicht mehr allzu lange auf sich warten lässt.