Trends im E-Commerce

Probleme im Online Shop

23.06.2009 von Sascha Alexander
Viele Webshops kranken an Problemen wie mangelhafte Benutzerführung und beschränkten Suchfunktionen. Zugleich verlangen Trends wie Personalisierung und Web 2.0 eine schnelle Antwort von den Betreibern.

Rund 36 Millionen Deutsche werden dieses Jahr laut Forrester Research auf lokalen E-Commerce-Sites herumstöbern und dabei durchschnittlich 869 Dollar pro Jahr ausgeben. Bis 2014 könnte ihre Zahl auf 44 Millionen steigen, die Ausgaben pro Kopf auf 994 Dollar klettern. Gefragt sind vor allem Bücher, Kleidung, Tickets, Musik und Privatreisen. Folgt man den Prognosen der Analysten, kann sich der deutsche Handel (samt Reisebranche) auf ein Wachstum der E-Commerce-Einnahmen von derzeit geschätzten 31,3 Milliarden Euro auf 44 Milliarden Euro bis 2014 einstellen (siehe auch die Zahlen des Bitkom zum Online-Handel)

Auch ein Blick über die Grenzen bestätigen den Trend zum digitalen Einkauf: Während Forrester für 2009 Umsatzeinbrüche im zweistelligen Bereich im traditionellen Handel prognostiziert, soll das Online-Geschäft in Westeuropa um durchschnittlich elf Prozent zulegen. Je deutlicher indes der Trend zum Web-Shopping ausfällt, desto dramatischer fallen die vielfältigen Defizite der Webauftritte ins Gewicht. Weil ihre Betreiber sich nicht genügend um die Bedürfnisse ihrer Klientel kümmern, suchen die Kunden woanders nach Angeboten, "die nur einen Klick entfernt sind", oder kaufen doch lieber im Geschäft (Lesen Sie hier mehr rund um das Thema Online-Geschäft).

Suchen, stöbern, navigieren im Web-Shop

13 Jahre nach der Erfindung des E-Commerce sind die Anforderungen an Webshops größer denn je. Neben der technischen Integration (Prozesse, Anwendungen, Backoffice, Clients, Lokalisierung), der Softwareauswahl oder der Vertriebsstrategie gibt es aus Sicht der Kunden vor allem zwei Aspekte, mit denen der gesamte Web-Auftritt steht und fällt: das Auffinden von Informationen und die Benutzerführung.

Doch gerade bei dem, was Experten mit Usability bezeichnen, liegen seit Jahren die größten Probleme, wie Andreas Selter weiß. Er ist Manager Web Solutions bei der User Interface Design GmbH (UID) in Ludwigsburg und München, einer Unternehmensberatung, die Kunden unter anderem beim Aufbau ihrer E-Commerce-Auftritte betreut. Er kennt die neuen alten Probleme von E-Commerce-Lösungen zu Genüge: "Die meisten Webshops haben in puncto User Experience immer noch erheblichen Nachholbedarf."

Viele Shop-Betreiber glaubten nach wie vor, dass Kunden auf direktem Weg zu ihnen kämen, um einzukaufen. Tatsächlich wollen Nutzer aber zwischen den Angeboten vergleichen und auf den ersten Blick erkennen können, was geboten wird. Zudem gibt es verschiedene Strategien bei der Informationssuche: Manche Besucher erwarten von einer E-Commerce-Lösung, dass sie detaillierte Angaben zu einem Produkt auf direktem Weg finden hilft, andere stöbern zunächst und sind für zusätzliche Angebote empfänglich, während sich wieder andere an den Rubriken der Website orientieren und über diese in den Inhalten navigieren (Lesen Sie hier mehr zum Verhalten und Vorlieben der Online-Shopper).

Es müssen also verschiedene Formen des Zugangs geboten werden: Ein einfaches Suchfeld à la Google sollte ebenso Standard sein wie ein Suchformular, in dem sich je nach Wunsch Filter setzen lassen, ohne dass der Nutzer abgeschreckt wird, weil er zu viele Detailangaben machen muss. Was die Navigation durch die Rubriken betrifft, so sind diese bis heute nur selten eindeutig und stringent gekennzeichnet, sondern oft durch ein Zuviel an Marketing-Inhalten und eigenen Wortschöpfungen gespickt, mahnt Selter. Wichtig ist es zudem, dass die Site für externe Suchmaschinen wie Google optimiert ist, da mittlerweile die Mehrheit der Kunden auf diesem Weg zum Shop kommt.

Das Erscheinungsbild des Online-Shops muss Kunden zum stöbern und kaufen animieren.

Diese Einschätzung teilt Stefan Bauer, Vorstand der in München und Berlin ansässigen Internet-Agentur Marit AG. Auch wenn in Webshops die intensive Suchmaschinenoptimierung der Angebote ein Muss ist, bleibe die direkte Suche auf der Website wichtig. Diese sei jedoch oft noch "case sensitiv" implementiert und erfordert exakte orthografische Eingaben, die der Benutzer nicht immer machen könne. Die Folge sind falsche oder keine Ergebnisse, obwohl das gesuchte Produkt vielleicht vorhanden ist. Betreiber sollten stattdessen ihren Kunden beispielsweise eine Ähnlichkeitssuche und gute Suchkategorien bieten: "Wenn ich einen französischen Wein kaufen möchte, ist es wahrscheinlich, dass ich die Marke nicht exakt beschreiben kann."

Mängel bei der Produktpräsentation und Bezahlung

Dringender Handlungsbedarf besteht auch bei der Produktpräsentation. Vor allem bei technischen Artikeln wünschen sich Kunden viele Details. Ebenso sollten nur hochwertige und ansprechende Bilder verwendet werden, und der Stil der Informationen ist nüchtern und sachlich zu halten, rät Bauer, "denn Marketing-lastige Anpreisungen mag niemand". Dies gilt für B-to-B-Sites im besonderen Maß. Ferner sollten Anbieter stark darauf achten, dass die Nutzung und Weitergabe persönlicher Daten transparent und verständlich erläutert ist. Dazu gehören neben übersichtlichen Formularen nachvollziehbare Preisangaben sowie sichtbare und verständliche AGBs. Außerdem sollten Unternehmen nur die unbedingt nötigen persönlichen Angaben einfordern, um Kunden nicht abzuschrecken (mehr Tipps zum Kunden-Service im Shop finden Sie hier).

Mancher virtueller Einkaufswagen bleibt stehen, weil Kunden den Bezahlprozess nicht durchschauen.
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Ein anderes Thema, das den Erfolg und das Erscheinungsbild des Shops beeinflusst, ist die Bezahlung. Laut Forrester möchten die wenigsten deutschen Nutzer ihre Kreditkartennummer eingeben. Sie bevorzugen eine Vorauszahlung, eine Zahlung per Nachnahme oder gegen Rechnung. Als einen Grund für diese im Vergleich zu anderen Ländern größere Zurückhaltung gegenüber Kreditkartenzahlungen sehen die Analysten Alexander Hesse und Victoria Bracewell Lewis ein grundsätzlichen Misstrauen gegenüber der Sicherheit von Websites. Nur ein Viertel aller Online-Shopper macht sich laut Forrester keine Sorgen um seine Finanzdaten beim Online-Kauf. Daran konnten auch alternative Bezahlverfahren wie T-Pay oder Giropay bislang nichts ändern. Lediglich PayPal haben laut Forrester ein Drittel der Kunden schon genutzt.

Laut Marit-Vorstand Bauer liegen die Gründe aber auch in der oft umständlichen Zahlungsabwicklung. Die sei zwar nach jahrelangen Klagen insgesamt besser geworden, doch gebe es immer noch Einiges zu optimieren. So fehlt es vielen Sites an einer klaren Sprache und guten Benutzerführung. "Viele Einkaufswagen bleiben stehen, weil die Preisgenerierung (Gesamtkosten) nicht nachvollziehbar ist oder der Kunde in puncto Sicherheit einen schlechter Eindruck vom Shop gewinnt. Manchmal weiß der Anwender auch einfach nicht, worauf er als Nächstes klicken soll."

Grundsätzlich zeichnen sich die besseren Web-Seiten durch zwei Aspekte aus: gut strukturierte Inhalte und ein konsistenter Seitenaufbau (Navigation, einheitliche Elemente, Trennung von Werbung und objektiv informierenden Inhalten). Ob hingegen viel oder wenig Text auf einer Seite steht, ist zweitrangig. "Kunden haben nicht grundsätzlich etwas gegen Werbung", so Selter, sie müsse nur klar als solche erkennbar sein. Bauer ist diesbezüglich skeptischer. Der Kunde wolle Inhalte und Mehrwerte geboten bekommen, die ihn interessierten, und keine belanglosen Marketing-Parolen. "Es geht um Relevanz statt Awareness". Der Nutzer sei heute so aufgeklärt, dass er Werbung als solche erkennt und nicht mehr möchte. Dies gelte in einem noch stärkeren Maß für Social Networks, wo Werbung negativ auffalle und ignoriert werde. Eine Ausnahme bilden Videoportale, in denen Werbe-Clips meist akzeptiert sind.

B-to-B-Sites haben eigene Anforderungen

Relevanz entsteht in B-to-B-Sites vor allem durch die Dreingabe (exklusiver) fachlicher Informationen zum Produkt. Im Endkundengeschäft (B-to-C) sind es hingegen Techniken und Kommunikationsformen des Web 2.0, die für mehr Kundennähe sorgen. Insbesondere der User Generated Content (Bewertungen) wird von Kunden als "wahr" akzeptiert und dient als Kaufkriterium. Online-Händler sollten die entsprechenden Bewertungsstrukturen vorgeben (zum Beispiel ein Notensystem) und einen klaren Produktbezug schaffen, um von Kundenempfehlungen unmittelbar zu profitieren (viele Informationen und Nachrichten rund um Social Commerce finden Sie im Blog Exciting Commerce).

Allerdings gibt es laut Selter kein Patentrezept um kollaborative Web-2.0-Techniken in den E-Commerce einzubinden. Vielmehr hänge dies von den jeweiligen Zielgruppen und Produkten ab. So gehören im Reisemarkt beispielsweise Bewertungsmechanismen schon seit längerem zum Standard, während bei Lifestlye-Produkten mittlerweile Community-Features gewünscht sind: "Ist ein Produkt emotional aufgeladen, wollen sich die Kunden darüber austauschen können und Empfehlungen abgeben" (siehe auch wie die Otto Group ihre Website smatch.com aufbaute).

E-Commerce-Experte Stefan Bauer sieht in der Individualisierung der Angebote einen künftigen Erfolgsfaktor für Online-Shops.
Foto: Marit AG

Offen ist laut Bauer, ob sich auch Weblogs oder Twitter als Vertriebskanäle für Webshops eignen. Hier sollte man die Entwicklung der nächsten zwei Jahre abwarten. Ebenso seien die Tendenzen im E-Commerce nicht auf das B-to-B-Geschäft übertragbar, denn dort stehe nicht das Kauferlebnis, sondern die Prozessintegration im Vordergrund: "Der größte Unterschied zu B-to-C ist, dass Anbieter auch mit sehr standardisierten Shop-Lösungen Erfolg haben können, weil die Zielgruppe meist bekannt ist und nicht erst gewonnen werden muss." Zudem sind viele Produkte nur über einen einzigen Anbieter erhältlich, wodurch der Wettbewerb entfällt (siehe auch was der Markt dem Fachhandel bietet).

Persönlichen Mehrwert für Kunden schaffen

Als grundsätzliches Gebot für Webshop-Betreiber gilt es, künftig einen persönlichen Mehrwert für Kunden zu schaffen: "Individualisierung ist angesichts der heutigen Informationsüberflutung ein entscheidendes Erfolgkriterium", mahnt Bauer. Dies fange bei einfachen Zubehörlogiken an, die mittlerweile viele Shops abbildeten, und reiche über Cross-Selling à la Amazon (Kunden, die diesen Artikel gekauft haben, kauften auch …) bis zu einer profilbasierenden Logik, die individuelle Startseiten und Angebote passend zum bisherigen Kaufverhalten anzeigt.

Letzteres kann aber auch schiefgehen, wenn die Site beispielsweise mehrere Profile eines Nutzers verwaltet und ihm dann unnütze Inhalte unterbreitet (Fachbuch plus Kinderbuch). Um dies zu vermeiden, muss der Shop-Betreiber Kunden und Interessenten verstärkt über ein Dialog-Marketing (E-Mail) kontaktieren, um mehr über ihre Wünsche zu erfahren beziehungsweise auf spezielle Angebote hinweisen zu können.

Letztere können zum Beispiel saisonale Inhalte sein, die der Shop-Betreiber gezielt vor den Ferien oder etwa zum Muttertag platziert und per Newsletter bewirbt. Allerdings bietet herkömmliche Shop-Software laut Bauer keine ausreichenden Möglichkeiten, weshalb viele Unternehmen mittlerweile temporäre Inhalte und Angebote mit Hilfe eines zusätzlichen Web-Content-Management-Systems erstellen.

Woran Shop-Betreiber derzeit arbeiten

Ein anderes Beispiel ist die Individualisierung von Produkten: Sites wie MyMüsli.com oder Spreadshirt.de gestatten es dem Kunden, Produkte zusammenzustellen, die es vorher nicht gab. Der Anbieter schafft also den Rahmen, in dem sich der Kunde nach seinen Wünschen bedient. Abgesehen von einigen großen Shops stehen die meisten Betreiber mit der Personalisierung ihrer Angebote noch am Anfang. Gründe sind die komplexe individuelle Implementierung/Konzeption sowie der hohe Programmieraufwand. Zudem können Standard-Shop-Lösungen solche individuellen Anforderungen nicht abdecken. "Eine Investition auf diesem Gebiet würde sich aber für jeden Shop sehr schnell rechnen."

Mittlerweile reagieren immer mehr Shop-Betreiber auf die genannten Defizite und versuchen die Usability ihrer E-Commerce-Lösungen zu verbessern, berichtet Selter. Vorrangige Ziele entsprechender Projekte sind nicht zusätzliche Features oder eine Ausrichtung auf das Web 2.0, sondern die Beseitigung von Bedienproblemen und technischen Restriktionen sowie eine bessere Visualisierung (große Bilder, 3D-Präsentationen etc.) der manchmal schon in die Jahre gekommenen Shop-Lösungen. Die entsprechenden Arbeiten erfolgen im Rahmen eines umfassenden Re-Designs des bisherigen E-Commerce-Angebots.

Manchmal hilft indes nur noch ein kompletter Plattformwechsel. Neben der nötigen Modernisierung veralteter Technik gibt es laut Bauer aber noch einen weiteren Treiber: die steigenden Lizenzkosten. Sie hätten dazu geführt, dass Open-Source-Shop-Lösungen wie Oxid und vor allem Magento gefragt seien. Allerdings bieten bisher nur wenige Dienstleister Support für solche Angebote (zu denen auch Marit gehört, Anmerkung der Redaktion).

Bei allen Bemühungen der Shop-Betreiber gibt es jedoch eine Widerstandslinie, die nur schwer zu durchbrechen ist: Die Macht der Gewohnheit. So erklärten zwei Drittel derjenigen, die Web-Shopping ablehnen, gegenüber Forrester, dass sie Produkte sehen, berühren und fühlen wollen, bevor sie sie kaufen. Rund ein Drittel war zudem der Auffassung, dass es online nicht genügend Informationen für die Produktauswahl gebe.

Siehe auch auf der nächsen Seite welche die wichtigsten Richtlinien für Usability sind

Das Einmaleins der Usability

siehe auch die zehn Tipps für Online-Shop-Betreiber