Problem-Akkus können Flugzeugabstürze provozieren

29.08.2006
Die beiden größten Rückrufaktionen in der IT-Geschichte, die Dell und Apple wegen defekter Lithium-Ionen-Akkus starten mussten, rücken ins Bewusstsein, welche Gefahren von solchen fehlerhaften Komponenten ausgehen können.

Wie brisant die Akkuproblematik ist, beweist auch eine Meldung, die Mitte Juli 2006 zunächst fast unterging, die deutlich macht, welche Gefahr von nicht funktionierenden Akkus ausgeht. Die vom US-Kongress beauftragte unabhängige Bundesbehörde National Transportation Safety Board (NTSB), die in Sicherheitsfragen tätig wird, untersucht seit dieser Zeit die Hintergründe, die zum Brand eines Flugzeugs des Paketdienstes UPS führten. Die DC-8 hatte am 8. Februar 2006 im Flug zu brennen begonnen und musste in Philadelphia notlanden. Die Besatzung, so die Berichte, erlitt lediglich leichte Verletzungen. Die Maschine hingegen wurde erheblich beschädigt.

Verschweigt Dell die wahre Dimension der Akku-Probleme?

Es gibt Informationen, denen zufolge Dell die wahre Dimension der Probleme mit seinen Notebooks und Akkus verschleiert hat. Danach hat die Rückrufaktion von Dell - das Unternehmen muss 4,1 Millionen Notebook-Akkus zurücknehmen und auf ihre Funktionstüchtigkeit untersuchen - möglicherweise keinen so harmlosen Hintergrund, wie der Hersteller glauben machen möchte.

Auf der Homepage der US-amerikanischen Online-Verbraucherschutzorganisation Consumeraffairs.com wird der ehemalige Dell-Techniker Robert Day zitiert, der von 1997 bis 2005 bei dem Direktvertreiber gearbeitet hat. Day berichtet von Hunderten verbrannter Notebooks", die Kunden von 2002 bis 2004 retourniert hätten. Day hat der Verbraucherschutzorganisation Hunderte von Fotos von Dell-Laptops zugesandt. Diese Zwischenfälle sind laut dem Techniker unter dem Deckel gehalten worden, um nicht das Vertrauen der Konsumenten in die Produkte von Dell zu beschädigen. In vielen Fällen hätten brennende Batterien die Notebooks zerstört. Monatlich habe das Dell-eigene Product Safety Investigations Lab (PSI) Berichte an das Management des Unternehmens geschickt. Es könne also keine Rede davon sein, dass man in den Führungszirkeln des Computerbauers nichts von den Problemen gewusst habe.

Stefan Böttinger, Pressesprecher von Dell in Deutschland, sagte, er könne die Informationen nicht bestätigen. Ihm seien weltweit sechs Fälle bekannt, in denen es zu Problemen gekommen sei.

Das NTSB glaubt, den Verursacher der Beinahe-Katastrophe ausfindig gemacht zu haben: transportierte Lithium-Ionen-Akkus, die in elektronischen Geräten wie Kameras und tragbaren PCs eingesetzt werden.

Beunruhigend ist: Bei dem Unglück der UPS-Frachtmaschine im Februar handelt es sich nicht um einen Einzelfall. Wie ein NTSB-Mitarbeiter sagte, habe im Mai 2006 in Chicago eine Laptop-Batterie zu qualmen begonnen. Sie war im Gepäckfach der Kabine eines Passagierflugzeugs verstaut. Flugbegleiter konnten das Feuer zwar löschen. Später aber habe die Tasche, in der der Akku verstaut war, nochmals zu brennen angefangen. Ganz sicher, so der NTBS-Sprecher, sei zwar noch nicht, dass die wieder aufladbaren Batterien tatsächlich für die Gefahren verantwortlich waren. Die Flugsicherheitsbehörde hält es aber für sehr wahrscheinlich.

Damit nicht genug: Im Jahr 2004 entbrannten Lithium-haltige Batterien auf dem Flughafen in Memphis. Sie sollten gerade in ein Flugzeug des Transportunternehmens FedEx geladen werden. Im Frühjahr 2001 kam es auf dem Flughafen von Los Angeles zu einem Zwischenfall, als sich eine ganze Ladung von Lithium-Batterien entzündete. Zwei Paletten mit 120 000 dieser Akkus waren in Brand geraten.

Hochreaktives Leichtmetall

Das Problem bei Lithium ist, dass es auf Wasser unter Entwicklung von Wasserstoff sehr aggressiv zu Lithium-Hydroxid (=LiOH) reagiert. Wie alle Alkalimetalle ist das weiche, silberweiße Leichtmetall sehr reaktionsfähig. Kommt es zu Beschädigungen an Lithium-Batterien oder Lithium-Ionen-Akkus, kann dies zu einem Kurzschluss führen, durch den die Stromversorgung im ungünstigsten Fall in Flammen aufgeht. Bei einer Konferenz im japanischen Osaka war dies mit einem Notebook von Dell geschehen. Die Fotos von dem brennenden Mobilrechner gingen via Internet um die ganze Welt. Tückischerweise reagiert ein Lithium-Akku bei Beschädigungen nicht sofort, sondern erst zeitverzögert. Seine Empfindlichkeit gegenüber Wasser ist so hoch, dass - zumindest bei reinem Lithium - bereits eine hohe Luftfeuchtigkeit ausreicht, um den Akku im schlimmsten Fall zu entzünden. Das NTSB rät bis zur völligen Aufklärung der Vorkommnisse um den Brand in der DC-8, Fluggäste sollten, um Unfälle zu vermeiden, nur die nötigsten Batterien und Akkus mit an Bord nehmen.

Die Rückrufaktionen von Dell und Apple (siehe Kasten "Rückrufe wegen fehlerhafter Akkus") werden Sony teuer zu stehen kommen. Nach Angaben, die die Japaner jetzt machten, dürften sich die Ausbesserungen an 4,1 Millionen Dell-Notebooks und 1,8 Millionen Apple-Mobilrechnern auf etwa 200 bis 210 Millionen Euro belaufen. Das würde etwa einem Viertel des Sony-Gewinns entsprechen, den das Unternehmen für das gesamte Jahr 2006 erwartet. (jm)

Rückrufe wegen fehlerhafter Akkus

  • August 2006: Apple ruft weltweit 1,8 Millionen Notebooks zurück. Hersteller der Akkus: Sony.

  • August 2006: Dell ruft weltweit 4,1 Millionen Notebooks zurück. Akku-Hersteller ist ebenfalls Sony. Sonys eigene "Vaio"-Notebook-Linie ist nicht betroffen.

  • April 2006: Hewlett-Packard (HP) muss 15 700 Notebook-Akkus zurückrufen.

  • November 2005: Nikon warnt, dass die Akkus in seinen weit verbreiteten Digital-Spiegelreflexkameras "D50", "D70" und "D100" beim Laden überhitzen können. Eine weitere Warnung folgt im Dezember 2005.

  • Oktober 2005: HP startet eine umfangreiche Rückholaktion für zahlreiche "Pavilion"- und Compaq-Notebook-Akkus.

  • August 2005: Apple hat große Probleme mit seinem Bestseller iPod. Akkus der ersten drei Generationen dieses Gerätetyps könnten defekt sein. Apple versucht zunächst, das Problem herunterzuspielen. Erst angesichts mehrerer Sammelklagen ist das Unternehmen bereit, sich finanziell am Austausch der Akkus zu beteiligen.

  • Juli 2005: Maxdata meldet für Akkus der Notebook-Modellreihen "Eco" und "Imperio" Probleme wegen Überhitzungsgefahr. Europaweit soll das Unternehmen rund 10 000 Geräte mit fehlerhaften Akkus verkauft haben.

  • Juni 2005: Fujitsu-Siemens beordert 250 000 Notebooks wegen Akku-Problemen zurück.

  • Dezember 2004: Nokia kündigt an, es werde künftig Hologramme auf seine Original-Akkus aufbringen, um Fälschern das Handwerk zu legen. Grund für die Sensibilität der Finnen: Im November 2003 warnte die Stiftung Warentest, Akkus in Handys des Mobiltelefonmarktführers seien gefährlich, weil sie Feuer fangen könnten. Betroffen waren weit verbreitete Handy-Modelle von Nokia.

  • August 2004: Apple ruft rund 28 000 Akkus von "Powerbook-G4"-Modellen zurück.

  • August 2002: Nikon muss weltweit seine Digitalkamera "Coolpix 2000" einziehen. Deren Akkus können unter bestimmten Umständen so heiß werden, dass die Batteriefachabdeckung schmilzt. Allein in Deutschland sind 3500 Geräte betroffen.

  • Januar 2000: Psion, britischer Handheld-Hersteller, meldet Schwierigkeiten mit seinen Handhelds der Serie "Revo". Die Geräte schalten sich nach kurzem Ladevorgang selbständig ab.

  • Oktober 2000: Dell sieht sich gezwungen, 27 000 Notebook-Akkus auszutauschen. Es könne zu Kurzschlüssen kommen. Die Gefahr der Selbstentzündung besteht bei den Geräten der Baureihen "Latitude" und "Inspiron" auch im ausgeschalteten Zustand.