Praxistest: Samsung SGH-D900

10.10.2006

Lieferumfang / Verarbeitung

Gemäß dem neuen Schlankheitswahn des Herstellers erreichte uns Samsungs SGH-D900 in einer flachen Verpackung. Der Lieferumfang ist weniger dünn: Neben Handy, Akku und Netzteil findet der Käufer ein Datenkabel, ein Stereoheadset und jede Menge Lektüre. Am Rande liegt eine CD-ROM mit Samsungs Software PC Studio, eine Speicherkarte haben die Koreaner ihrem Handy leider nicht spendiert.

12,9 Millimeter misst das D900 in Tiefenrichtung und musste viel Sport treiben, um so schlank zu werden ? übrig blieben ausschließlich Muskeln! Was in der Tiefe fehlt, geht in die Breite: mit 104x51mm Fläche würde sich jeder Stachelrochen über das Handy freuen, wenn er nur Ohren zum Telefonieren hätte. Aufgeschoben liegt das D900 beim Telefonieren gut in der Hand und am Ohr und passt mit lediglich 93 Gramm Gewicht in jede noch so enge Hemd- und Hosentasche. Trotz guter Materialwahl und wirklich sauberer Verarbeitung geht vom SGH-D900 aber bei weitem nicht der Coolness-Faktor aus, den der Ultraslim-Pionier Motorola mit seinem neuen Slider RIZR versprüht. Der Slider wird auf Aluminiumschienen geführt und gleitet sanft und elegant auf und zu, ein Federmechanismus unterstützt den Vorgang ab der Hälfte der Strecke. Der Akkudeckel in Ultraslim-typischer Einzelbauweise wird in Kopfrichtung vom Handy abgezogen und sitzt stramm an seinem Platz, wenn man ihn wieder aufs Gehäuse drückt. Samsung versteht es, seine Geräte so herzustellen, dass selbst unter gut dosiertem Druck nahezu keine Knarzgeräusche zu provozieren sind.

240x320 Pixel und 262.144 Farben gehören zum guten Ton des Multimedia-Handybaus. Auch beim D900 erscheinen Bilder und Texte gestochen scharf und Fotos äußerst brilliant. Leider wird die Ablesbarkeit bei Sonneneinstrahlung deutlich verringert: die Schutzscheibe über dem Display ist nicht entspiegelt und die Anzeigekomponente nicht transflektiv ausgelegt. Ärgerlich: nach vier Wochen bemerkten wir auf dem Display unseres Testmusters einen ersten Pixelfehler. Beim Tastaturdesign orientiert sich Samsung am SGH-D820: Die Zifferntasten liegen zwar planar auf gleicher Höhe mit dem Slidergehäuse, lassen sich aber dank unterschiedlicher Materialwahl ausgezeichnet erfühlen. Bei extrem kurzen Tastenhub bietet jeder Drücker einen klaren und knackigen Duckpunkt. Direkt unterhalb des Displays findet man eine breit angelegte Funktionstastenfläche, die großzügig bemessene Softkeys und Telefonietasten sowie eine gut zugängliche Löschentaste (C) und einen schmalen 5-Wege-Navkey aufweist. Display- und Tastaturbeleuchtung lässt keinen Frust aufkommen: alle Zifferntasten sind gleichmäßig illuminiert, auch die am äußeren Rand liegenden Tasten werden konsequent mit Licht versorgt.

Ausstattung

Erstmals verbaut Samsung im SGH-D900 eine 3-Megapixelkamera in ein Handy für den den deutschen Markt. Doch die Stärke des Geräts liegt ausschließlich bei Nahaufnahmen, die dank Autofokuslinse gestochen scharf aufgenommen werden. Außenaufnahmen wiesen bei unserem D900 eine deutliche Unschärfe auf, die auch bei Abzügen sichtbar ist. Die unter dem Menüpunkt "Szenenprogramm" zu findenden Optionen "Querformat nachts" und "Normal" beeinflussen die Bildqualität nicht sichtbar, deutlich mehr Einfluss hat der Punkt "Belichtungsmessung", in dem man vorab festlegt, welche Bildbereiche die Optik zur Anpassung der Belichtungszeit an verschiedene Motivarten nutzen soll (Spot, Matrix, Mittenbetont). Die integrierte LED-Fotoleuchte des SGH-D900 hellt bis zu zwei Meter entfernte Motive auf, ohne deutliche Verfälschungen bei den Farben hervorzurufen. Das Licht kann auch permanent aktiviert werden, um z.B. Videoaufnahmen im Dunkeln zu ermöglichen. MPG4-Videos zeichnet das D900 maximal mit 352x288 Pixeln und einer Bildwiederholrate von über 25fps auf und beschränkt ihre Länge ausschließlich durch den zur Verfügung stehenden Speicher. 60 MB interner Speicher reichen für ein paar Klingeltöne, Hintergrundbilder und Fotos. Wer exzessiv Gebrauch von den integrierten Medienfunktionen machen will, kann MicroSD-Speicherkarten nachrüsten.

Auch wenn es nicht mit den Walkman-Phones von Sony Ericsson mithalten kann, lässt sich das D900 als Alternative zu einfachen MP3-Playern nutzen. Neben MP3-Dateien werden auch M4A- und AAC-Files wiedergegeben, sofern sie mit der richtigen Dateiendung aufs Telefon gespielt wurden, WMA- oder Ogg.Vorbis-Files werden bereits vom Filesystem ignoriert. Es lassen sich maximal 4 Playlists erstellen, 4 Equalizerstufen wählen und die Option 3D-Sound aktivieren, die nur über ein Headset zur vollen Geltung kommt; schade, dass man einen Klinkenanschluss oder entsprechende Adapter am D900 vergeblich sucht. Auf "echtes" Multitasking wie es beispielsweise Symbian-basierte Smartphones kennen, muss man verzichten: möchte man beim Musikhören weiterarbeiten, stoppt die Wiedergabe spätestens beim Öffnen eines Bildes.

Das D900 verfügt über einen aktuellen Bluetooth 2.0-Port, der den Datenaustausch beliebiger Dateien mit über 60kB/s via FTP/OBEX ermöglicht. Musik lässt sich drahtlos an Stereo-Headsets oder entsprechend ausgerüstetes HiFi-Equipment übertragen. Das mittlerweile ausgereifte PC Studio 3.0 synchronisiert Telefonbuch und Kalender des Handys mit einem PC, wahlweise per serieller Bluetooth- oder USB-Verbindung. Völlig unverständlich, warum sich Samsung für einen funktional eingeschränkten OpenWave-Browser entschied: (X)HTML-Seiten lassen sich mit ihm zwar ansurfen, werden aber in der Regel abgewiesen, wenn sie sich nicht pedantisch an die vorgegebenen Standards halten.

Neben den obligatorischen SMS und bis zu 300 KB großen MMS können auch EMail-Postfächer im POP- oder IMAP4-Format mit dem D900 verwaltet werden. Schade, dass Attachments auf eine Maximalgröße von 200kB beschränkt sind. Das neue Flash-System des D900 macht SMS lebendig: Vivid SMS ersetzt bestimmte Wörter durch kleine, bewegte Bildcheb, Textpassagen werden schreibmaschinenähnlich Buchstabe für Buchstabe eingeblendet. Bei der Kontaktverwaltung hat sich wenig getan: Die Namen der Kontakte werden in Vor- und Nachname getrennt und je nach Wunsch des Nutzers in der linearen Textansicht sortiert. 5 Rufnummern und eine Emailadresse sowie individuelle Anruferbilder, Klingeltöne und Gruppen sind für einen Kontakt vorgesehen. Der Organizer nimmt Termine in vier Kategorien (Termin, Jahrestag, Verschiedenes, Aufgabe) auf, kommt im typischen geradlinigen Samsung-Look daher und kennt Monats-, Tages- und Wochenansichten. Ein besonderes Schmankerl des Handys ist sein außerordentlich praktischer Dateibetrachter Picsel Viewer, der die üblichen Office-Formate in atemberaubender Originaltreue und außerordentlich hoch aufgelöst darstellt. Mit einem optional erhältlichen TV-Kabel kann der Displayinhalt an Beamer oder Fernseher geleitet werden, was ein Notebook für Präsentationen überflüssig macht. Bearbeiten lassen sich die Dateien aber nicht.

Praxistest: Samsung SGH-D900
Praxistest: Samsung SGH-D900
Praxistest: Samsung SGH-D900

Die Java-Leistung des D900 ist gegenüber der Konkurrenz armseelig und schafft im JBenchmark2-Test lediglich 98 Zähler; gängige Java-Spiele wirken daher auf dem D900 eher behäbig als unterhaltend. Die Java-Maschine entspricht dem Standard MIDP2.0 und kann von maximal einem Megabyte Applikationsspeicher Gebrauch machen. Erweiterungen wie eine 3D/M3G-API oder standardkonforme Bluetooth- bzw. Multimedia-APIs fehlen dem D900 gänzlich - neuartige Games lassen sich auf dem Gerät also im Gegensatz zu den meisten aktuellen Konkurrenzgeräten nicht wiedergeben.

Telefonfunktionen / Ausdauer

Samsung hat seit der Einführung des E900 seine Menüstruktur auf ein neues Flash Lite-Frontend umgestellt. Das Menü wirkt in den Farbschemata weiß oder schwarz weniger verspielt und cooler als das bisher bekannte kunterbunte 3D-Icon Design des koreanischen Herstellers. Die einzelnen Hauptmenü-Icons sind verschiedenfarbig hinterlegt und der Cursor legt bei Selektion einen transparenten Farbschleier über die Symbole. Verweilt der Cursor kurz über einem Menüpunkt, springt ein Popup-Menü auf, das die einzelnen Punkte des jeweiligen Untermenüs auflistet. So kann schon vor Betreten des Unterpunktes erkannt werden, ob sich die gesuchte Funktion tatsächlich dort befindet. Im Standby-Betrieb fungiert der OK-Button als Direktzugang ins WAP, erst im Menü dient er als Bestätigungstaste. Ein Druck des Navkeys nach oben im Standby-Screen offenbart das "Eigene Menü", das Shortcuts zu häufig benötigten Funktionen bietet. Gehen Anrufe oder SMS ein, wird man mit einem reiterbasierten Menü darüber informiert. Ein witziges neues Feature ist das "uGo"-Theme: wählt man als Hintergrund "Automatisch" aus, ändert sich das Hintergrundbild abhängig vom Aufenthaltsort des Nutzers. Darüber hinaus passt sich das Motiv der Tageszeit an und wird um 19:00 gegen einen Nachthimmel getauscht, während tagsüber Vögel ihre Bahn über einen leicht bewölkten Himmel ziehen.

Beim Empfang zeigt das D900, dass Einbußen im Gehäuseumfang nicht eine schlechtere Erreichbarkeit bedingen. Wir hatten im Raum Berlin mit E-Plus und O2 stets gutes Netz, nur ganz selten ging die Anzeige auf zwei Balken herunter. Die Sprachqualität des Telefons wird von einem deutlich wahrnehmbaren Grundrauschen überschattet, an das man sich aber bei täglicher Benutzung schnell gewöhnt. Ganz gleich, ob wir mit einem Festnetz- oder Handy-Partner telefonierten, klang dessen Stimme stets etwas dumpfer als in Natura und wirkte stellenweise auch leicht übersteuert. Der gleiche Effekt macht sich bei der mittelmäßig lauten Freisprecheinrichtung bemerkbar.

Praxistest: Samsung SGH-D900

Der mit 800 mAh recht klein bemessene Akku des D900 soll laut Hersteller eine Standby-Zeit von 260 Stunden, also knapp 10 Tagen bieten. Doch auch bei zurückhaltender Nutzung können wir das keinesfalls bestätigen: Als Maximum erreichten wir bei normaler Nutzung etwa 5 Tage Betriebszeit. Richtig Strom verbraucht man mit Bluetooth, Browser oder Java-Games. Auch die mit knapp sechseinhalb Stunden angegebene Geprächsdauer dürfte sich allenfalls unter Laborbedingungen erzielen lassen.

Fazit

Nach dem E900 ist das SGH-D900 der zweite Samsung-Slider mit neuer Flash-basierter Menüsoftware. Diese weiß auf ganzer Linie zu überzeugen und gibt dem Handy neben dem anspruchsvollen Design den letzten Schliff. Ungläubig dreht und wendet man das Handy in der Hand: so viele Features muss man erst einmal in weniger als dreizehn Millimetern verpacken! Doch die mangelhafte Qualität einiger Schlüsselfeatures - insbesondere der Kamera - wirft Schatten auf den schicken Slider. Kontaktverwaltung und Organizer können weder mit Smartphones noch mit Sony Ericssons oder Nokias Standardmodellen mithalten. Der Browser, die lahme Java-Leistung und die bisweilen schwache Fotoqualität verhageln den Spaß am D900. Schön, dass es Samsung gelingt, einem so dünnen Handy ein so spektakuläres Datenblatt beizulegen, aber als Kunde ist man über ausgereiftere Features und leistungsfähigere Technologie mit Sicherheit erfreuter.

powered by AreaMobile