Praxistest: LG KG320S

02.04.2007

Lieferumfang / Verarbeitung

Wenn es um Ideenklau geht, haben die Fernöstler bekanntermaßen eine äußerst niedrige Hemmschwelle: LGs neues Scheckkarten-Handy KG320S ist eine klare Hommage an Samsungs "Taschenrechner" P300. Die Folge: Samsungs angekündigter Nachfolger P310 sieht wiederum dem KG320S verblüffend ähnlich. Weitere Plagiatsindizien findet man im Lieferumfang: neben einem USB-Datenkabel, einer Software-CD zur PC-Synchronisation und einem schlichten Headset samt Klinkenadapter fällt einem hier auch noch ein Lederetui in die Hände. Allerdings beschränkt sich LG auf ein simples Schutztäschchen; beim P300 war hier noch ein zusätzlicher Akku integriert der dem kleinen Stahlhandy zu überragender Ausdauerleistung verhalf.

Das Handy selbst dürfte für Fans des reduzierten Designs sehr interessant sein, denn das optische Erscheinungsbild des KG320S ist auffallend schlicht. So beließen die Designer den Formfaktor bei einem simplen Rechteck und statt tiefer in den Farbtopf zu greifen, kommt der Koreaner durch den komplett schwarzen Korpus und seinen weißen Tastaturbeschriftungen ziemlich spießig rüber. Auffallend ist dabei, dass das Tastaturfeld aufgrund der großen Knöpfe rund 50% der gesamten Frontfläche einnimmt. Dass das KG320S dennoch eine gewisse Noblesse ausstrahlt, liegt vor allem an seiner ausgeprägten Handlichkeit und der herausragenden Haptik, die nicht zuletzt auf die Materialwahl des Grundgehäuses zurückzuführen ist: sie bestehen aus lackiertem Metall. Dennoch bringt das KG320S nur 74 Gramm bei einer Bautiefe von gerade einmal 1,3 cm auf die Waage - das ideale Wochenend-Mobiltelefon für durchtanzte Nächte. Auf der Rückseite wird die schlichte Designgeometrie durch eine große Kameralinsenabdeckung fortgesetzt. Bei der Verarbeitung gingen die Macher kompromisslos zu Werke und beschränken die Zahl der Spalte zwischen Gehäusekanten auf ein Minimum.

Das 176x220 Pixel große Display passt gut zum KG320S, wirkt aber subjektiv etwas grobkörniger als beim P300, in dem die gleiche Auflösung quer eingebaut wird. Das großzügige Tastenfeld aus hartem Kunststoff passt dank geradliniger Reihenanordnung gut zum reduzierten Gesamtkonzept und ist mit sauberen Druckpunkten für jedermann gut bedienbar. Der unbeleuchtete quadratische Navkey gibt ebenfalls keinen Grund zur Beanstandung. Als Extrataste findet man eine einzige Multimedia-Taste auf der rechten Seite des Gehäuses, die einen wichtigen Wegweiser zu den Menüpunkten MP3-Player und (Video-)Kamera darstellt.

Ausstattung

Das KG320S ähnelt dem Design-Slider Chocolate in vielen Details. Die Digitalkamera liegt mit 1,2 Megapixeln Auflösung auf Durchschnittsniveau, die farbenfrohe aber mit Pixelartefakten durchsetzte Qualität der Aufnahmen reicht nicht an dedizierte Camphones heran und den integrierten LED-Blitz hätte LG mangels Leuchtstärke auch weglassen können. Videoclips werden in überraschend guter Qualität mit maximal 176x144 Pixeln Kantenlänge in beliebiger Länge aufgenommen.

Der MP3-Player des LG KG320S lehnt sich ans Samsung-Bedienkonzept von Multimedia-Software an und wird Liebhabern koreanischer Geräte wahrscheinlich gefallen. Es lassen sich eigene Playlists erstellen und ein integrierter Equalizer mit mehreren Default-Settings belebt die Klangfarbe, sofern man Musik vom KG320S über Kopfhörer konsumiert. Knapp eine Stunde Musik kann man mit dem Handy dank 128MBs Speicher am Stück hören - mehr ist mangels Speicherkartenslot nicht drin. So fällt es auch nicht schwer ins Gewicht, dass man den Player nicht in den Hintergrund der Anwendungen schalten kann. Dafür ist die Formatunterstützung passabel: MP3s, AAC (nicht +) bzw. M4A- und WMA-Files gibt das KG320S anstandslos wieder. Freunde von individuellen Klingeltönen freuen sich über die bravouröse Wiedergabe von MIDI-Files auf dem KG320S: maximal 64 Stimmen tönen aus dem kleinen Lautsprecher unter der rückseitigen Kameraabdeckung des Handys; die Lautstärke reißt aber niemanden vom Hocker. Schade nur, dass sich der SMS-Eingang nicht mit individuellen Tönen untermalen lässt.

Das koreanische Handy schaufelt Daten problemlos via FTP/OBEX über die Drahtlosschnittstelle Bluetooth, lässt sich dabei aber Zeit: die Übertragungsrate liegt etwa bei 20kB/s. Probleme fanden wir beim Pairing mit einer festinstallierten Kfz-Freisprecheinrichtung: hier versuchte sich das Handy im Sekundentakt mit unserem Auto zu verbinden und ließ dabei keinerlei Telefonfunktionen zu. In Verbindung mit einem Bluetooth-Headset traten die Probleme nicht auf. Schneller klappt die Datenübertragung mit Hilfe des mitgelieferten USB-Kabels, das wahlfreien Zugriff auf die auf dem Gerät gespeicherten Daten erlaubt. Die mitgelieferte Software "LG PC Sync" funktioniert ordentlich und integriert auch nahtlos Outlook-Informationen. Der Browser des KG320S stellt kleinere XHTML-Seiten und WAP2.0-Inhalte anstandslos dar, allerdings verliert man aufgrund der wenig restriktiven Smartfit-Ansicht schnell die Übersicht auf dem kleinen Display, wenn die Sites nicht für eine Mobilansicht optimiert sind.

Die lernfähige T9-basierte Eingabe geht flüssig von der Hand, hat aber gegenüber der Konkurrenz leichte bedienlogische Nachteile: Nervig ist vor allem, dass sich ein Buchstabe nach längerem Festhalten einer Zifferntaste nicht in die entsprechende Zahl umwandeln lässt. Größere Datenmengen lassen sich via Mail (200kB) und MMS (100kB) bewegen, bis zu 110 EMails über POP-Server (IMAP wird nicht unterstützt) abrufen und in einer sehr übersichtlichen Ansicht betrachten. Die Kontaktverwaltung wartet mit einer etwas unübersichtlichen aber hochfunktionalen Listenansicht auf, die zu jedem der maximal 1000 Kontakte ggf. auch dessen Anruferbild anzeigt und sich mit wenigen Tippern nach Namensbestandteilen durchsuchen lässt. Am unteren Rand können die einzelnen Rufnummern eines Kontakts durchgeschaltet werden. Pro Kontakt gibt?s lediglich drei Rufnummern plus Fax, die E-Mail-Adresse und ein Foto sowie sieben Anrufergruppen, die samt Bild vom Nutzer personalisiert werden können.

Praxistest: LG KG320S
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Schade, dass dem Kalender des KG320S eine Wochenansicht fehlt - optisch kann er nämlich mit ähnlicher Übersicht punkten wie aktuelle Samsung-Handys. Ein Klick auf einen Tag offenbert am unteren Rand die Anzahl der anliegenden Termine, die sich leider nicht kategorisieren lassen. Fürs Festhalten von Geburtstagserinnerungen und Hochzeitstagen sollte der Leistungsumfang des KG320S ausreichen. Das integrierte Diktiergerät erlaubt nur Aufnahmen mit einer maximalen Länge von 20 Sekunden - als individueller Klingelton lassen die Ergebnisse leider nicht nutzen. Im Entertainment-Paket des Handys findet man zwei kleine unterhaltsame Java-Games. Wer zum Zahlenrätsel Sudoku noch keine persönliche Beziehung aufbauen konnte, wird spätestens nach dem ersten Einschalten des optisch ansprechenden Clones auf dem KG320S zum Fan. Snake-Fans freuen sich über LGs Variation Space Ball. Obwohl beide Games mit ordentlicher Geschwindigkeit und bunter Bonbon-Grafik aufwarten, ist die Java-Leistung des Handys ausgesprochen armseelig: im JBenchmark2-Test erreicht das Gerät einen Wert von 58 Zählern, 3D-Erweiterungen und gängige JSRs kennt das KG320S nicht.

Telefonfunktionen / Ausdauer

Das Hauptmenü des LG KG320S ist in zwölf Unterpunkte gegliedert, die ausschließlich in klassischer Icon-Form dargestellt werden. Durch einen Zoom-Effekt und einem gut lesbaren Schriftzug oberhalb des Menüs schafft LG hier Ordnung und in jedem Untermenü kann man durch Drücken der linken bzw. rechten Navkey-Taste zwischen den einzelnen Menüpunkten hin und her springen bzw. mit Hilfe der Zifferntasten die einzelnen Punkte ansteuern. Sprachwahl oder Sprachsteuerungsfunktionen hat der Hersteller dem Handy versagt - großer Minuspunkt: auch eine Freisprecheinrichtung sucht man vergeblich. Abgesehen von einer schwarzen Chocolate- oder einer weißen Silberansicht muss man auf eine weitreichende Personalisierbarkeit der Menüansicht leider verzichten, immerhin sind einige anspruchsvolle Hintergrundbilder dabei.

Im Härtetest offenbarte der Koreaner leichte Schwächen bei der Empfangsleistung. Im direkten Vergleich zu gestandenen Größen dieser Disziplin fiel vor allem ein merklicher Abfall im E-Frequenzband auf, was das Gerät in erster Linie Stadtbewohner attraktiv macht. Bei der Verständigung liefert der Koreaner hingegen eine solide Vorstellung ab. Positiv fiel vor allem der geringe Rauschpegel auf, negativ die geringe Maximallautstärke. Stimmen leiden ein wenig unter dem typischen "Blechdosensound". Der flache Lithium-Ionen-Akku ist dann auch alles andere als ein Marathonläufer: bei moderater Nonstop-Nutzung bettelt das Handy bereits am dritten Tag wieder nach Strom ? das ist für GSM-Mobiltelefone Anno 2006 schlichtweg zu wenig.

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Der mit 800 mAh recht klein bemessene Akku des D900 soll laut Hersteller eine Standby-Zeit von 260 Stunden, also knapp 10 Tagen bieten. Doch auch bei zurückhaltender Nutzung können wir das keinesfalls bestätigen: Als Maximum erreichten wir bei normaler Nutzung etwa 5 Tage Betriebszeit. Richtig Strom verbraucht man mit Bluetooth, Browser oder Java-Games. Auch die mit knapp sechseinhalb Stunden angegebene Geprächsdauer dürfte sich allenfalls unter Laborbedingungen erzielen lassen.

Fazit

Grundsätzlich ist das KG320S kein schlechtes Mobiltelefon, allerdings gibt es in der dicht gedrängten 300 Euro-Klasse mittlerweile technisch bessere und vor allem opulenter ausgestattete Handys. Das kurzfristig nachgeschobene Lederetui erweist sich außerdem als unausgereifter Schnellschuss, um dem Samsung P300 ansatzweise Konkurrenz machen zu können. Was bleibt dem KG320S also als Kaufargument? Freunde handlicher Handys mit minimalistischem Design können sich mit dem Koreaner sicherlich anfreunden, zumal das Telefon ausgesprochen gut bedienbar ist - allerdings hat LG mit dem Chocolate Phone eine noch deutlich schönere Alternative im Angebot. Funktional reicht das KG320S nicht an Samsungs Konkurrenzmodelle heran - liegt dafür aber ästhetisch auf der Höhe der Zeit.

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