Postgewerkschaft haelt Ausgliederung fuer verfassungswidrig Bemuehungen um mehr Effizienz bringen die Telekom vor den Kadi

06.08.1993

MUENCHEN/BONN (gh) - Die in der Diskussion um eine Postreform II stehende Telekom geraet nun auch noch in die Muehlen von Justitia. Die Deutsche Postgewerkschaft (DPG) laeuft Sturm gegen die Ausgliederungspolitik des Telekom-Vorstandes und hat Klage gegen die zu Jahresbeginn gegruendete Mobilfunk-Tochter Detemobil GmbH eingereicht. Unabhaengig davon soll jedoch mit der Detesystem GmbH eine weitere eigenstaendige Telekom-Division im Markt der lukrativen Netzdienste an den Start gehen.

Es war - zumindest fuer Insider - keine Ueberraschung mehr, was die Telekom-Pressestelle lapidar als Beschluss des Aufsichtsrates verkuendet hat: Vorbehaltlich der Genehmigung des Bundesministers fuer Post und Telekommunikation wird die Deutsche Telekom Systemloesungen GmbH (Detesystem) zum 1. Januar 1994 ihre Geschaefte aufnehmen. Schon seit einiger Zeit kursierten Geruechte ueber entsprechende Plaene der Mannen um Telekom-Chef Helmut Ricke, mit der Ausgliederung weiterer Unternehmensbereiche schlagkraeftigere Einheiten fuer den immer haerter werdenden Wettbewerb zu schaffen. Dies um so mehr, da die politische Diskussion um eine Postreform II und deren Herzstueck, die Privatisierung der Telekom, nach wie vor auf der Stelle tritt.

Wie schon bei ihrer Mobilfunk-Tochter Detemobil werden die Bonner auch bei der Detesystem als alleiniger Gesellschafter fungieren; das Stammkapital der neuen Tochter betraegt zunaechst 100 Millionen Mark. Als, wie es heisst, integraler Bestandteil des Telekom- Unternehmensverbundes soll die Detesystem anfangs rund 600 Mitarbeiter beschaeftigen und mit dazu beitragen, die Marktposition des Carriers im Systemkundenbereich - also im Geschaeft mit Netz- und Mehrwertdiensten - langfristig zu sichern und kundennaeher zu gestalten. Die neue Division ist dabei weltweit zustaendig fuer alle Produkt-, Vertriebs-, Beratungs- und Serviceleistungen.

Telekom handelt fuer

die DPG zu voreilig

"Egal ob Privatisierung ja oder nein, die Detesystem haette es so oder so gegeben", machte Telekom-Sprecher Juergen Kindervater gegenueber der COMPUTERWOCHE geltend und verwahrte sich damit gegen Spekulationen, die Verantwortlichen des Bonner Postunternehmens wuerden mit der Detemobil und der Detesystem bereits vor einer Einigung ueber die Postreform II auf ihre Weise Naegel mit Koepfen machen. Die Ausgliederung einzelner Geschaeftsbereiche sei, so Kindervater, in der heutigen Wirtschaftslage fuer Unternehmen dieser Groessenordnung gang und gaebe; auch nach einer Privatisierung werde man fuer einzelne Wettbewerbsbereiche weitere Toechter benoetigen, denn "ein Haus mit 230 000 Mitarbeitern ist eben nicht so flott, wenn es darum geht, Entscheidungen von oben nach unten durchzusetzen".

Flott zugange war der Telekom-Vorstand jedenfalls in Sachen Detemobil - zumindest nach dem Geschmack der Deutschen Postgewerkschaft (DPG). Die nach wie vor maechtige, mehr als 600 000 Postbedienstete vertretende Einzelgewerkschaft gilt bei fast allen Beobachtern als das bis dato entscheidende Hindernis auf dem Weg zu einer Postreform II und will nun offensichtlich im letzten Moment die juristische Notbremse ziehen.

Knackpunkt fuer die streitbare Arbeitnehmerorganisation ist das ihrer Ansicht nach eigenmaechtige und von der Verfassung nicht gedeckte Vorgehen der Telekom-Verantwortlichen, die offiziell seit dem 1. Juli das gesamte Geschaeft mit dem digitalen Mobilfunk-Netz D1 ueber die Detemobil abwickeln und zum 1. Januar 1994 weitere Dienste (Funktelefon "C", Buendelfunk "Chekker", Datenfunk "Modacom" etc.) auf das neue Tochterunternehmen uebertragen wollen.

Mit einer beim Verwaltungsgericht Koeln eingereichten Klage wolle man jetzt, so DPG-Sprecher Rudi Vetter, ein fuer allemal klaeren, "ob beziehungsweise inwieweit der Verfassungsauftrag durch die Ausgliederung von Tochtergesellschaften ausgehoehlt wird". Fuer die Gewerkschaft jedenfalls ist die rechtliche Situation eindeutig.

Wie schon bei der Diskussion um die Postreform II geht es um die Frage einer nach Artikel 87, Absatz 1 GG in bundeseigener Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau zu fuehrenden Deutschen Bundespost sowie um das Fernmeldemonopol und den im Grundgesetz verankerten Versorgungsauftrag in puncto Telekommunikation des Bundes.

Dreh- und Angelpunkt in der DPG-Argumentation ist dabei der Begriff des sogenannten Kerngeschaefts, ein Terminus, der sinnigerweise weder im Grundgesetz noch im Poststruktur- oder Postverfassungsgesetz vorkommt. Der Mobilfunk zaehlt, wie es in der Klageschrift der Postgewerkschaft heisst, "trotz seiner intensiven wettbewerblichen Erschliessung de jure unzweideutig zum Monopolbereich des Bundes" und stelle einen kuenftig in seiner Bedeutung stark zunehmenden TK-Sektor dar. Dies werde zudem, wie die DPG als Begruendung nachschiebt, durch die Tatsache belegt, dass die Mobilkommunikation mit rund zwei Milliarden Mark Umsatz im vergangenen Jahr zu den dynamischten Unternehmensbereichen der Telekom gehoerte. Fazit der DPG: Das Mobilfunk-Geschaeft ist nicht "privatisierungsfaehig".

Schizophrenie nicht nur in der Argumentation, sondern auch in der Handlungsweise wirft indes Telekom-Sprecher Kindervater der Postgewerkschaft vor. Weder sei der als "vollkommen neu" anzusehende Mobilfunk-Bereich als Kerngeschaeft der Telekom zu betrachten, noch habe die Arbeitnehmerseite bisher erklaeren koennen, weshalb man einerseits bereits Tarifvertraege fuer die rund 3600 in die Detemobil uebergewechselten Mitarbeiter ausgehandelt habe, andererseits jedoch gegen deren Gruendung klage. Im uebrigen sei fuer die Telekom durch die Genehmigung der Detemobil seitens des Ministeriums Rechtssicherheit gegeben, die Klage der DPG werte man daher, so Kindervater, "als Klage gegen die Politik, nicht gegen uns".

Ob eine gerichtliche Entscheidung in Sachen Detemobil Auswirkungen auf die geplante Gruendung der Detesystem hat, ist offen. Die DPG sieht hier nach Angaben ihres Sprechers einen "zur Detemobil analogen Fall" und will sich weitere Schritte vorbehalten. Gelassen reagiert man hingegen bis dato im Postministerium, wo man zum gegen die Detemobil-Gruendung anhaengigen Verfahren bis auf weiteres keine Stellungnahme abgeben will. Was die Detesystem angehe, koenne man, so ein Ministeriums- Sprecher zur COMPUTERWOCHE, davon ausgehen, "dass im Vorfeld einer so wichtigen Entscheidung Gespraeche zwischen der Telekom und unserem Hause stattgefunden haben".