Am 1. November 2010, einem Montag, begann in den Einwohnermeldeämtern der Bundesrepublik eine neue Ära. Der etwas unförmige, einlaminierte papierne Personalausweis gehörte der Vergangenheit an. Jeder Deutsche ab 16 Jahre bekommt seitdem eine elektronisch lesbare Chipkarte, die als Identitätsnachweis dient. Ihr Name: nPA, was nichts anderes bedeutet als "neuer Personalausweis". In spätestens neun Jahren wird ihn jeder besitzen, schließlich muss der Ausweis alle zehn Jahre erneuert werden.
Mit der Umstellung von analog auf digital endete eine knapp vierjährige Vorbereitungszeit, die maßgeblich von Martin Schallbruch, als IT-Direktor im Bundesministerium des Innern (BMI) der IT-Staatssekretärin Cornelia Rogall-Grothe unterstellt, vorangetrieben worden ist.
Als "die spannendste Aufgabe, die ich mir vorstellen kann", bezeichnet Schallbruch seinen Beruf. "Wir erfahren gerade, wie unser gesamtes Leben auf elektronische Prozesse umgestellt wird." Die Art und Weise, wie ein Staat diesen Vorgang begleite, entscheide maßgeblich darüber, wie er im internationalen Vergleich in Zukunft dastehe.
Diesen Prozess für Deutschland beeinflussen zu können, sei das Reizvolle an einem Job, der im Vergleich zu vielen anderen in der freien Wirtschaft aber selbstredend auch stärker vom politischen Tagesgeschäft und föderalen Entscheidungsstrukturen beeinflusst werde.
Hartnäckig und zielorientiert
Schallbruch, seit neun Jahren als IT-Direktor im BMI beschäftigt, schadet denn auch nicht die Hartnäckigkeit und Vielseitigkeit, mit der er seine Projekte vorantreibt. Bei der nPA-Einführung brachte er sich in das Gesetzgebungsverfahren ein, baute das Kompetenzzentrum "neuer Personalausweis" auf, das nPA-Anwendungsanbietern Beratung und Unterstützung zukommen lässt, und sorgte dafür, dass rund 5300 behördliche Stellen neue Softwarekomponenten und Hardware bekamen.
Er stellte die Produktion der Bundesdruckerei um, erarbeitete die technischen Richtlinien für alle wichtigen Komponenten und trug maßgeblich zur Presse- und Öffentlichkeitsarbeit in TV, Radio, Print, Online und sogar im Kino bei. "Es ist zwar nicht das teuerste Projekt, was ich gestemmt habe, aber mit Sicherheit das komplexeste, da die Anzahl der beteiligten Stellen enorm gewesen ist", resümiert Schallbruch, die sich selbst als sachbezogen, aber äußerst fröhlich charakterisiert.
Der IT-Direktor, der aktuell stark mit dem weiteren Ausbau des nationalen Cyberabwehrzentrums beschäftigt ist, zeigt sich zuversichtlich, dass sich auch die öffentlich häufig kritisierten freiwilligen Funktionen des nPA wie der elektronische Identitätsnachweis für das Internet mittelfristig auf breiter Front durchsetzen werden: "spätestens 2020, wenn alle einen neuen Personalausweis besitzen."
Vieles vor der Brust
Und als wäre er nicht schon beschäftigt genug, bringt er sich zum einen auf europäischer Ebene stark in die "European Network and Information Security Agency" (ENISA) ein und steht zum anderen dem Lenkungsausschuss "IT-Konsolidierung der Behörden im Geschäftsbereich des BMI" vor. "Wir überführen den IT-Betrieb der einzelnen Bundesbehörden in den gemeinsamen Dienstleister" - Schallbruchs zentrales Projekt für die kommenden Jahre. Genug zu tun also.
Fakten.zip
Zur Person:
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Name: Martin Schallbruch
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Position: IT-Direktor
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Er sagt: "Ein CIO sollte niemals vorschnell glauben, ein Problem schon zu kennen."
Zum Unternehmen:
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Branche: Regierung
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Größe: rund 50 000 Mitarbeiter
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Zahl der IT-Mitarbeiter: 100 direkt unterstellte, 800 weitere unter Fachaufsicht
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IT-Budget: 50 Millionen Euro in direkter Verantwortung; ca. 220 Millionen Euro unter Mitbestimmung; ungefähr 3 Milliarden Euro Gesamtbudget des Bundes (strategische Mitverantwortung)
Zum Projekt:
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Name: Einführung des neuen Personalausweises
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Projektbeschreibung: Umstellung des deutschen Personalausweises auf ein elektronisches Dokument zum Stichtag 1. November 2010.
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Zeitrahmen: 2007 bis 2010
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Eingesetzte Produkte: Der Ausweis wird von der Bundesdruckerei hergestellt; in ihm werden Chips von NXP und Infineon mit Betriebssystemen von T-Systems und G&D verwendet. In der kommunalen IT-Infrastruktur sowie bei den eID-Services kommen weitere IT-Produkte zum Einsatz.
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Zahl der IT-Mitarbeiter im Projekt: 85. Zusätzliche Mitarbeiter bei Auftragnehmern und in den über 5000 unterstützenden Kommunen.
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Besondere Herausforderungen: Im Vorfeld politische Widerstände gegen die Einführung des nPA. Während des Projektes die Koordinierung der Beteiligten, insbesondere Ausstattung von über 5000 Kommunen mit heterogenen IT-Landschaften. Umstellung der Ausweisproduktion unter Voll-Last mit Stichtag 1.11.2011.
CIO der Herzen
Die Redaktionen von COMPUTERWOCHE und CIO-Magazin haben zusammen mit einer Fachjury die wichtigsten CIOs des Jahres 2011 gewählt.
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Top 10 im Bereich Großunternehmen
1. Platz: Dr. Peter Laukert, Commerzbank
2. Platz: Moritz Mathias, Bayer HealthCare
3. Platz: Heinz Laber, HypoVereinsbank - UniCredit Bank
4. Platz: Patrick Neaf, Emirates Group
5. Platz: Gerald Höhne, SMA Solar Technology
6. Platz: Edgar Aschenbrenner, E.ON IT
7. Platz: Martin Schallbruch, Bundesregierung
8. Platz: Stefanie Kemp, Vorwerk
9. Platz: Markus Bentele, Rheinmetall
10. Platz: Eric van der Berg, Geberit
Weitere Preisträger in alphabetischer Reihenfolge:
Global Exchange Award
Die Gewinner des Global Exchange Award
Top 10 im Bereich Mittelstand
1. Platz: Carsten Bernhard, AutoScout24
2. Platz: Dr. Lars Ludwig, DONNER & REUSCHEL
3. Platz: Dr. Michael Rödel, Bionorica
4. Platz: Andreas Igler, Warner Music Group
5. Platz: Walter Friedl, Adcuram Group
6. Platz: Knut Deimer, Berliner Flughäfen
7. Platz: Dominik Spannheimer, Tyczka Totalgaz
8. Platz: Niels Diekmann, Bartscher
9. Platz: Björn Brandes, H&D International Group
10. Platz: Andreas Jahn, Grunwald